Politik

Streit um mehr Rechtssicherheit für Notfallsanitäter

  • Freitag, 11. Oktober 2019
/Konstanze Gruber, stock.adobe.com
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Berlin – Der Bundesrat sieht Nachbesserungsbedarf beim Einsatzgebiet von Notfallsani­tätern. Die Länderkammer sprach sich heute daür aus, dass rechtliche Klarheit geschaffen werden muss, wenn Notfallsanitäter im Einsatz lebensrettende Maßnahmen durchführen. Die Länder beschlossen heute, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen.

Darin schlagen sie eine Änderung des Notfallsanitätergesetzes vor, die es Einsatzkräften erlaubt, mit invasiven Maßnahmen das Leben eines Menschen zu retten, solange noch kein Arzt anwesend ist. Wegen des Heilkundevorbehalts dürfen bislang nur Ärzte solche lebensrettenden Maß­nahmen vornehmen. Leisten Notfallsanitäter entsprechende Hilfe, riskieren sie, sich strafbar zu machen.

Aufgrund ihrer Ausbildung verfügen Notfallsanitäter aus Sicht der Länder jedoch über die Kompetenz, in entsprechenden Notlagen schnell zu helfen. Unter strafrechtlichen Ge­sichtspunkten seien diese dazu verpflichtet. Diesen Widerspruch wolle der Bundesrat mit seiner Initia­tive auflösen und Rechtssicherheit schaffen.

Der Gesetzentwurf wird nun über die Bundesre­gierung dem Bundestag zugeleitet. Dieser entscheidet, ob er den Vorschlag des Bundes­rates aufgreifen will. Feste Fristen gibt es dafür nicht.

Kritik von Unfallmedizinern

Kritik kam heute von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), dem Be­rufsverband Deutscher Chirurgen (BDC) und dem Berufsverband für Orthopädie und Un­fallchirurgie (BVOU).

„Wir sprechen uns gegen die eigenständige Durchführung von inva­siven Maßnahmen durch Notfallsanitäter aus“, sagte DGU-Generalsekretär und stellver­tretender DGOU-Generalsekretär Dietmar Pennig.

Eine Substitution ärztlicher Leistung gerade im Kontext einer Notfallsituation werde „zum Wohle und zum Schutz der erkrankten und verletzten Patienten abgelehnt“. Die Be­deutung gut ausgebildeter Notfallsanitäter bejahnten die Fachgesellschaften und Be­rufsverbände zwar ausdrücklich. Sie sorgen sich aber darum, dass eine Substitution ärztlicher Leistung im Schadensfall zur Frage der Übernahme juristischer Konsequenzen führt.

„Im Rahmen der Daseinsvorsorge kann vom Staat erwartet werden, eine ausreichende Struktur in der Notfallversorgung mit Notärzten, Notdienst tuenden Ärzten und Notauf­nah­men der Krankenhäuser zu schaffen und zu unterhalten. Dies muss unabhängig von wirtschaftlichen Erwägungen bereitgestellt werden“, so Pennig.

2013 hatte der Bundestag ein neues Notfallsanitätergesetz beschlossen. Der bis­heri­ge Beruf des Rettungsassistenten wurde damit in die Berufsbezeichnung „Notfallsani­täter“ überführt. Die Ausbildung wurde von zwei auf drei Jahre verlängert. Zudem wur­den dem Notfallsanitäter weitere Aufgaben übertragen.

Bundes­ärzte­kammer (BÄK) und andere Ärzteverbände hatten bereits damals die Über­nah­me heil­kund­licher Tätigkeiten durch Notfallsanitäter kritisiert. Für Kritik von Ärzten hatte damals vor allem gesorgt, dass Notfallsanitäter in der Erst­versorgung „in besonderen Fällen“ seit den Änderungen auch invasive Maßnah­men durchführen dürfen.

„Eine solche Situation ist gegeben, wenn das Leben des Patien­ten in Gefahr ist oder es wesentlichen Folgeschäden vorzubeugen gilt, die durch Ver­zögerungen von Hilfeleistun­gen drohen“, heißt es in der Begründung des Gesetzes­textes. „Es muss sich um eine kon­krete Gefähr­dungssituation handeln, die insbeson­dere voraussetzt, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig anwesend sein kann.“

In diesem Fall diene die Übernahme von Tätigkeiten, die normalerweise der ärztlichen Behandlung vorbehalten sind, dem Schutz des Lebens oder der Gesundheit des Pa­tienten als besonders hohem Schutzgut. „Die Übernahme heilkundlicher Tätig­keiten ist zeitlich befristet“, heißt es weiter. „Sie besteht nur bis zum Eintreffen einer notärztli­chen oder sonstigen ärztlichen Versorgung.“

Ruf nach Versicherung

Im März dieses Jahres hatten Notfallsanitäter und Deutsches Rotes Kreuz darauf hinge­wie­sen, dass die Abgren­zung für das Handeln des Notfallsanitäters im Einsatz problema­tisch ist. Je nach Fall und Einschätzung seien Notfallsanitäter demzufolge nicht über eine Versi­che­­rung abge­sichert und müssten im Zweifelsfall mit ihrem Privatvermögen haften. Han­delten sie hingegen im Einsatz nicht, könnten sie auch wegen unterlassener Hilfe­leis­tung angeklagt werden.

may/EB

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