Ärzteschaft

Ärzte: Politik stiehlt sich bei Coronakosten aus Verantwortung

  • Mittwoch, 12. August 2020
In einem eigens dafür aufgebauten Testzentrum wird unter anderem die Belegschaft des Fleischkonzerns Tönnies getestet aber auch Mitarbeiter des Landkreises. /picture alliance, Hendrik Schmidt
/picture alliance, Hendrik Schmidt

Hannover – Ärzte in Niedersachsen haben im Fall der Coronaabwehr scharfe Kritik an der Gesundheitspolitik geübt, die sich in ihren Augen aus der Verantwortung stiehlt.

Während die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) mit eigenen finanziellen Mitteln die gesamte Infrastruktur für die Massentests aus dem Boden stampfen müssten, wolle für die Erstattung der Kosten in den zuständigen Behörden und staatlichen Einrichtungen niemand verantwortlich sein, hieß es in einer Mitteilung der KV Niedersachsen (KVN) und der ärztlichen und psychotherapeutischen Berufsverbände in Niedersachsen.

Stattdessen schöben Länder und Kommunen sich die Verantwortung gegenseitig zu. Zahl­reiche Maßnahmen zur Infektionsabwehr wie etwa bei den Testzentren hätte die KVen aus ihren Rücklagen bezahlt.

Aus Sicht der Ärztevertreter „ist es selbstverständlich, dass die staatlichen Stellen, in de­ren Auftrag wir tätig geworden sind, uns diese Mittel in vollem Umfang zurückerstatten“. Es könne nicht angehen, dass diejenigen, „die sich in vorderster Linie für die Gesunder­hal­tung unserer Bevölkerung einsetzen, diese Maßnahmen praktisch auch noch aus eige­ner Tasche zu bezahlen haben“, heißt es in der Mitteilung.

Zudem wird ein „Abrechnungswirrwar“ kritisiert: Viele Bestimmungen seien wirklich­keits­fremd, manches kaum nachvollziehbar. Ärzte fragten sich etwa: „Warum müssen unsere Medizinischen Fachangestellten einen Coronatest aus eigener Tasche bezahlen, um ar­beiten zu dürfen, während Urlaubern der Test kostenlos zusteht?“

Diese Teststrategie gehöre grundsätzlich auf den Prüfstand, sagte der KVN-Vorstands­vor­sitzende Mark Barjenbruch der Nordwest-Zeitung. „Massentests an Urlaubern gehen unse­rer Auffassung nach in die falsche Richtung.“ Vorrangig getestet werden sollten medizini­sche Fachkräfte und Pflegepersonal, die besonders engen Kontakt zu Risikopatienten haben.

Kritik kommt auch vom NAV-Virchowbund. „Unsere MFA sind systemrelevant und haben in den vergangenen Monaten enormen Einsatz gezeigt, um die Versorgung der Bevölke­rung auch unter Gefährdung der eigenen Gesundheit sicherzustellen“, sagte Frauke Wulf-Homilius, Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen im Virchowbund.

Nun gerieten Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit des Staates bei denen in Zweifel, die sich in der Krise als seine verlässlichsten Stützen erwiesen hätten. „Denn anders als ei­ni­ge Urlauber erhalten sie weder Bonuszahlungen noch kostenfreie Tests. Das ist zutiefst beschämend und widerspricht dem gesunden Gerechtigkeitsempfinden.“

Blamabel findet Wulf-Homilius ebenso, dass die niedersächsischen Behörden bislang keine Anstalten machen, ihren finanziellen Verpflichtungen gerecht zu werden. „Während in Bayern die Kommune alle Kosten übernimmt, müssen in Niedersachsen die Ärzte beim Testen der Urlauber draufzahlen“, betonte sie und fordert schnellstmöglich unkompli­zier­te Kostenregelungen.

Selbstverständlich müssten die staatlichen Stellen, in deren Auftrag die KVen zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen aus ihren eigenen finanziellen Rücklagen bezahlt hätten, diese Mittel in vollem Umfang zurückerstatten.

dpa/may

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