Ärzte: Politik stiehlt sich bei Coronakosten aus Verantwortung

Hannover – Ärzte in Niedersachsen haben im Fall der Coronaabwehr scharfe Kritik an der Gesundheitspolitik geübt, die sich in ihren Augen aus der Verantwortung stiehlt.
Während die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) mit eigenen finanziellen Mitteln die gesamte Infrastruktur für die Massentests aus dem Boden stampfen müssten, wolle für die Erstattung der Kosten in den zuständigen Behörden und staatlichen Einrichtungen niemand verantwortlich sein, hieß es in einer Mitteilung der KV Niedersachsen (KVN) und der ärztlichen und psychotherapeutischen Berufsverbände in Niedersachsen.
Stattdessen schöben Länder und Kommunen sich die Verantwortung gegenseitig zu. Zahlreiche Maßnahmen zur Infektionsabwehr wie etwa bei den Testzentren hätte die KVen aus ihren Rücklagen bezahlt.
Aus Sicht der Ärztevertreter „ist es selbstverständlich, dass die staatlichen Stellen, in deren Auftrag wir tätig geworden sind, uns diese Mittel in vollem Umfang zurückerstatten“. Es könne nicht angehen, dass diejenigen, „die sich in vorderster Linie für die Gesunderhaltung unserer Bevölkerung einsetzen, diese Maßnahmen praktisch auch noch aus eigener Tasche zu bezahlen haben“, heißt es in der Mitteilung.
Zudem wird ein „Abrechnungswirrwar“ kritisiert: Viele Bestimmungen seien wirklichkeitsfremd, manches kaum nachvollziehbar. Ärzte fragten sich etwa: „Warum müssen unsere Medizinischen Fachangestellten einen Coronatest aus eigener Tasche bezahlen, um arbeiten zu dürfen, während Urlaubern der Test kostenlos zusteht?“
Diese Teststrategie gehöre grundsätzlich auf den Prüfstand, sagte der KVN-Vorstandsvorsitzende Mark Barjenbruch der Nordwest-Zeitung. „Massentests an Urlaubern gehen unserer Auffassung nach in die falsche Richtung.“ Vorrangig getestet werden sollten medizinische Fachkräfte und Pflegepersonal, die besonders engen Kontakt zu Risikopatienten haben.
Kritik kommt auch vom NAV-Virchowbund. „Unsere MFA sind systemrelevant und haben in den vergangenen Monaten enormen Einsatz gezeigt, um die Versorgung der Bevölkerung auch unter Gefährdung der eigenen Gesundheit sicherzustellen“, sagte Frauke Wulf-Homilius, Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen im Virchowbund.
Nun gerieten Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit des Staates bei denen in Zweifel, die sich in der Krise als seine verlässlichsten Stützen erwiesen hätten. „Denn anders als einige Urlauber erhalten sie weder Bonuszahlungen noch kostenfreie Tests. Das ist zutiefst beschämend und widerspricht dem gesunden Gerechtigkeitsempfinden.“
Blamabel findet Wulf-Homilius ebenso, dass die niedersächsischen Behörden bislang keine Anstalten machen, ihren finanziellen Verpflichtungen gerecht zu werden. „Während in Bayern die Kommune alle Kosten übernimmt, müssen in Niedersachsen die Ärzte beim Testen der Urlauber draufzahlen“, betonte sie und fordert schnellstmöglich unkomplizierte Kostenregelungen.
Selbstverständlich müssten die staatlichen Stellen, in deren Auftrag die KVen zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen aus ihren eigenen finanziellen Rücklagen bezahlt hätten, diese Mittel in vollem Umfang zurückerstatten.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: