Länder und KVen bereiten sich trotz Kritik auf mehr Coronatests vor

Berlin – In den Bundesländern in Deutschland sollen nach einer Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) die Testangebote auf SARS-CoV-2 wieder ausgebaut werden. Hintergrund ist, dass seit dieser Woche auch Reiserückkehrer ohne Symptome die Möglichkeit haben, sich auf das Coronavirus testen zu lassen.
Damit wurde der Personenkreis, der kostenfrei einen Coronatest in Anspruch nehmen kann, deutlich erweitert. Von morgen an sind darüber hinaus nach einer neuen Verordnung des BMG Tests für Einreisende aus Risikogebieten verpflichtend.
In Brandenburg bat das zuständige Ministerium angesichts der neuen Vorgaben um Geduld. Der Aufbau neuer Testzentren gelinge nicht in wenigen Tagen, hieß es gestern. Dafür bräuchten Kommunen und Ärzte einen gewissen Vorlauf, sagte Landesgesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne).
Nonnemacher begrüßte die Tests zum Ende der Ferienzeit mit Blick auf die bundesweite Zunahme der Coronafälle. Zugleich kritisierte sie die vom Bund vorgesehene Vergütung von pauschal 15 Euro pro Test für die ärztliche Leistung als „deutlich unterfinanziert“.
Kritik kam auch von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB): Der Bund könne nicht ständig kurzfristig neue Regeln verkünden und die Umsetzung dann in die Hände der niedergelassenen Ärzte und der von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) betriebenen Testzentren legen. Die Lasten müssten fair verteilt und ausreichend finanziert werden, sagte der stellvertretende KVBB-Vorsitzende Andreas Schwark.
Das Sozialministerium in Baden-Württemberg teilte mit, dass an den Flughäfen in Stuttgart und Friedrichshafen und am Airport Karlsruhe/Baden-Baden bereits Teststationen eingerichtet seien. Zwei weitere Testzentren sollen voraussichtlich nächste Woche am Hauptbahnhof Stuttgart und an der Autobahn-Raststätte Neuenburg-Ost an der A5 öffnen.
Von der KV Sachsen-Anhalt hieß es, das Testen der Reiserückkehrer fordere die Ärzte enorm. „Damit die Praxen die Testung der Reiserückkehrer organisieren und von anderen Patienten trennen können, bitten wir dringend darum, sich vorab telefonisch an die Praxen zu wenden und einen Termin für die Testung zu vereinbaren“, appellierte der KVSA-Vorstandsvorsitzende Burkhard John.
Beate Bröcker (SPD), Gesundheitsstaatssekretärin in Sachsen-Anhalt, begrüßte die Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten. „Es ist wichtig und richtig, dass jetzt die Pflicht zum Testen folgt. Wer in ein Risikogebiet reist, trägt eine besonders große Verantwortung – für die eigene Gesundheit und die seiner Mitmenschen.“
In Sachsen-Anhalt gebe es zwar derzeit relativ wenige Coronafälle, erklärte John. Dennoch sei weiter „höchste Aufmerksamkeit und Konsequenz“ bei der Eindämmung des gefährlichen Virus gefordert. Es sei daher notwendig, die bestehenden Regeln einzuhalten.
Aus Sicht der KV Berlin bleibt zur Vorbereitung auf die umfassende Testung von Reiserückkehrern zu wenig Zeit. „Jede der Rechtsverordnungen hat die niedergelassenen Kollegen bisher vor vollendete Tatsachen gestellt“, erklärte der KV-Vorstand. Es sei ein Unding, dass kaum Zeit bleibe, um die Praxen rechtzeitig zu informieren und die Praxen keine ausreichende Vorbereitungszeit hätten, um sich auf eine mögliche Flut an Testanfragen einzustellen.
Die KV Berlin kündigte an, auch weiterhin den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) bei der Bekämpfung der Pandemie zu unterstützen. Sie wies aber darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine Aufgabe der vertragsärztlichen Sicherstellung handelt.
Kritik an der neuen Regelung kommt auch vom Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa). Das Testen asymptomatischer Personen verstoße gegen die medizinische Grundregel, diagnostische Verfahren nicht ohne entsprechenden Anlass einzusetzen. Zudem böten solche Tests lediglich eine Scheinsicherheit und seien deshalb aus medizinischer Sicht wenig sinnvoll.
Es sei zu befürchten, dass die Ausweitung der Testungen zur Überlastung der Labore führen werde und andere Laborleistungen verzögert erbracht würden, sagte SpiFa-Hauptgeschäftsführer Lars Lindemann. Laut SpiFa sei es zudem zumutbar, dass rückkehrende Urlauber, die sich ihren Aufenthalt im Ausland freiwillig gewählt hätten, auch für die Kosten der Testung aufkommen müssen. Der Griff in den Gesundheitsfond sei dagegen „Betrug“ an den gesetzlich Versicherten.
Die KV Niedersachsen kritisiert insbesondere die ihrer Auffassung nach „wirklichkeitsfremden und abstrakten Abrechnungsbestimmungen“ bei der Durchführung von Coronatests. „Sie widersprechen der medizinischen Gesamtlage, aber auch dem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden vieler Patienten und Ärzte“, monierte der stellvertretende KVN-Vorstandsvorsitzende Jörg Berling. Die diffizilen Vergütungsregelungen könnten auch das Arzt‐Patienten‐Verhältnis in den Praxen belasten – deshalb sollten Coronatests, so Berling, generell kostenlos sein.
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