Ärzteschaft

Ärzte und Rettungskräfte wollen auf Anschläge besser vorbereitet sein

  • Donnerstag, 23. Februar 2017
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Homburg/Koblenz – Terrorismus stellt Rettungskräfte, Notärzte und Kliniken vor neue Aufgaben. Für den Fall der Fälle muss in bestimmten Bereichen noch nachgebessert werden, erklären Experten. Und über allem steht die Hoffnung, dass dieser Ernstfall nie eintritt. „Die Infrastruktur ist wirklich gut. Von der Logistik, Verteilung der Kliniken, Dichte des ärzt­­lichen Personals und des Krankenhauspersonals sind wir sicherlich sehr gut ge­wappnet und in Europa vorne mit dabei“, sagte Tim Pohlemann, Präsident der Deut­schen Gesellschaft für Chirurgie. Doch das ist für ihn kein Grund, um auszuru­hen. „Es gibt Details, wo noch gezielt nachgebessert und nachgearbeitet werden muss, damit wir auf dem Laufenden gehalten werden.“ Eine Fachtagung „Terrormedizin“ wird sich an die­sem Wochenende in Koblenz mit diesem Thema befassen.

terroranschläge verursachen andere Verletzungen

„Wir haben ein super Rettungssystem und Unfallversorgung und sind auch im Saarland flächendeckend toll aufgestellt“, sagt auch der Leiter des Traumanetzwerkes Saar-Lor-Lux-Westpfalz und Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. „Aber das Ziel ist es hier vor allem, die Patienten möglichst schnell zu versorgen und in das richtige Krankenhaus zu brin­gen. Wir müssen jedoch andere Überlegungen anstellen für den Fall, dass es sich eben nicht um Verletzungen wie bei Verkehrsunfällen handelt.“

Denn Maschinenpistolen, Sprengsätze und Nagelbomben verursachen nach Angaben des 58-Jährigen ganz andere Verletzungen als Autounfälle und erfordern dementspre­chend auch ein anderes Eingreifen von Rettungskräften und Ärzten. Während bei Ver­kehrsunfällen die Stabilisierung der Atmung üblicherweise oberste Priorität hat, steht bei Explosionen die Stillung der Blutung an erster Stelle. Etwa 90 Prozent der Opfer von Ter­roranschlägen sterben, weil sie verbluten.

Priorisierung muss trainiert werden

Zusätzlich zu terrorbedingten Verletzungsmustern wie komplexen Schuss- und Explo­si­ons­verletzungen komme eine große Zahl von Opfern an möglicherweise mehreren Orten zu verschiedenen Zeitpunkten – und ein hoher Anteil an Menschen, die sehr schwer bis lebensgefährlich verletzt sind, erläuterte Pohlemann. „Dieses plötzliche Umschalten der Chirurgie, Priorisierung durchzuführen, um Leben zu erhalten, muss trainiert werden – auch mental.“ Wichtig seien deshalb nicht nur Notfallübungen, die er speziell fürs Saar­land auch mit Blick auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit fordert, sondern auch spe­zielle Fortbildungskurse für Unfallchirurgen.

Entsprechende Maßnahmen sieht auch ein Fünf-Punkte-Plan zur medizinischen Versor­gung der Bevölkerung in besonderen Katastrophen und bei möglichen Terroranschlägen vor, den die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und die Bundeswehr Ende September in Berlin verabschiedet haben.

Vorgestellt wird das neue Programm auch bei dem Fachkongress „Salut! DaSein ge­stal­ten“ am 17. und 18. Mai in Saarbrücken. Dabei soll es nicht nur um medizinische Fragen gehen. „Wir wollen besonders auf den Gesamtzusammenhang hinweisen“, sagte Veran­stalter Armin Lang, Experte für Gesundheits- und Sozialwesen. „Denn viele Berufs­grupp­en und Strukturen im Gesundheitswesen sind betroffen, falls es zu Terror­anschlägen oder auch Umwelt-Großkatastrophen kommen sollte. Das reicht von der Frage, welche Fahrzeuge benötigen wir und welche Patienten kommen in welche Kliniken bis zur psy­chi­schen Betreuung der Einsatzkräfte.“

Die DGU kämpft mit ihrer Initiative Traumanetzwerk seit 2006 dafür, dass schwerver­letz­te Menschen rund um die Uhr und flächendeckend die bestmöglichen Überlebens­chancen erhalten. Derzeit erfüllen in Deutschland rund 600 Traumazentren die strengen Quali­täts­vorgaben und sind in 51 zertifizierten Traumanetzwerken zusammengeschlos­sen.

Im Saarland und den benachbarten Ländern ist man schon lange dabei und gut auf­ge­stellt: Dem Traumanetzwerk Saar-Lor-Lux-Westpfalz, das 2007 gegründet wurde, ge­hö­ren derzeit 18 Klinken an, die sich in der Schwerverletztenversorgung der Groß­region engagieren. „Entscheidend für das Überleben und die spätere Lebensqualität eines Pa­tienten nach einem Unfall sind die schnelle und präzise Diagnose der Ver­letzungen sowie deren bestmögliche Behandlung“, erläuterte Pohlemann, der Sprecher des Netzwerkes.

Investitionen in Millionenhöhe notwendig

Um sicher auf medizinische Folgen von Terroranschlägen vorbereitet zu sein, sind seiner Ansicht nach jedoch Investitionen in Millionenhöhe notwendig. „Strukturen, die privat durch die Fachgesellschaften aufgebaut wurden – wie zum Beispiel die Trauma­netz­werke –, müssen finanziell abgesichert werden. Und die dringend not­wendigen Übungen sind im derzeitigen finanziellen Rahmen der Krankenhausfinan­zierung in keiner Weise abge­deckt, aber nach Erfahrungen aus dem Ausland im Ernst­fall lebensrettend.“

Tim Pohlemann beschäftigt jedoch vor allem eines, wenn es um die sogenannte „Terror­medizin“ – oder „Chirurgie in speziellen Situationen“, wie er lieber formuliert – geht. „Wenn ich an dieses Thema denke“, gibt er zu, „dann habe ich nur eine Hoffnung: Dass das, was wir hier vorbereiten, niemals eintreten wird.“

dpa

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