Ärzte und Rettungskräfte wollen auf Anschläge besser vorbereitet sein

Homburg/Koblenz – Terrorismus stellt Rettungskräfte, Notärzte und Kliniken vor neue Aufgaben. Für den Fall der Fälle muss in bestimmten Bereichen noch nachgebessert werden, erklären Experten. Und über allem steht die Hoffnung, dass dieser Ernstfall nie eintritt. „Die Infrastruktur ist wirklich gut. Von der Logistik, Verteilung der Kliniken, Dichte des ärztlichen Personals und des Krankenhauspersonals sind wir sicherlich sehr gut gewappnet und in Europa vorne mit dabei“, sagte Tim Pohlemann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Doch das ist für ihn kein Grund, um auszuruhen. „Es gibt Details, wo noch gezielt nachgebessert und nachgearbeitet werden muss, damit wir auf dem Laufenden gehalten werden.“ Eine Fachtagung „Terrormedizin“ wird sich an diesem Wochenende in Koblenz mit diesem Thema befassen.
terroranschläge verursachen andere Verletzungen
„Wir haben ein super Rettungssystem und Unfallversorgung und sind auch im Saarland flächendeckend toll aufgestellt“, sagt auch der Leiter des Traumanetzwerkes Saar-Lor-Lux-Westpfalz und Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. „Aber das Ziel ist es hier vor allem, die Patienten möglichst schnell zu versorgen und in das richtige Krankenhaus zu bringen. Wir müssen jedoch andere Überlegungen anstellen für den Fall, dass es sich eben nicht um Verletzungen wie bei Verkehrsunfällen handelt.“
Denn Maschinenpistolen, Sprengsätze und Nagelbomben verursachen nach Angaben des 58-Jährigen ganz andere Verletzungen als Autounfälle und erfordern dementsprechend auch ein anderes Eingreifen von Rettungskräften und Ärzten. Während bei Verkehrsunfällen die Stabilisierung der Atmung üblicherweise oberste Priorität hat, steht bei Explosionen die Stillung der Blutung an erster Stelle. Etwa 90 Prozent der Opfer von Terroranschlägen sterben, weil sie verbluten.
Priorisierung muss trainiert werden
Zusätzlich zu terrorbedingten Verletzungsmustern wie komplexen Schuss- und Explosionsverletzungen komme eine große Zahl von Opfern an möglicherweise mehreren Orten zu verschiedenen Zeitpunkten – und ein hoher Anteil an Menschen, die sehr schwer bis lebensgefährlich verletzt sind, erläuterte Pohlemann. „Dieses plötzliche Umschalten der Chirurgie, Priorisierung durchzuführen, um Leben zu erhalten, muss trainiert werden – auch mental.“ Wichtig seien deshalb nicht nur Notfallübungen, die er speziell fürs Saarland auch mit Blick auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit fordert, sondern auch spezielle Fortbildungskurse für Unfallchirurgen.
Entsprechende Maßnahmen sieht auch ein Fünf-Punkte-Plan zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung in besonderen Katastrophen und bei möglichen Terroranschlägen vor, den die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und die Bundeswehr Ende September in Berlin verabschiedet haben.
Vorgestellt wird das neue Programm auch bei dem Fachkongress „Salut! DaSein gestalten“ am 17. und 18. Mai in Saarbrücken. Dabei soll es nicht nur um medizinische Fragen gehen. „Wir wollen besonders auf den Gesamtzusammenhang hinweisen“, sagte Veranstalter Armin Lang, Experte für Gesundheits- und Sozialwesen. „Denn viele Berufsgruppen und Strukturen im Gesundheitswesen sind betroffen, falls es zu Terroranschlägen oder auch Umwelt-Großkatastrophen kommen sollte. Das reicht von der Frage, welche Fahrzeuge benötigen wir und welche Patienten kommen in welche Kliniken bis zur psychischen Betreuung der Einsatzkräfte.“
Die DGU kämpft mit ihrer Initiative Traumanetzwerk seit 2006 dafür, dass schwerverletzte Menschen rund um die Uhr und flächendeckend die bestmöglichen Überlebenschancen erhalten. Derzeit erfüllen in Deutschland rund 600 Traumazentren die strengen Qualitätsvorgaben und sind in 51 zertifizierten Traumanetzwerken zusammengeschlossen.
Im Saarland und den benachbarten Ländern ist man schon lange dabei und gut aufgestellt: Dem Traumanetzwerk Saar-Lor-Lux-Westpfalz, das 2007 gegründet wurde, gehören derzeit 18 Klinken an, die sich in der Schwerverletztenversorgung der Großregion engagieren. „Entscheidend für das Überleben und die spätere Lebensqualität eines Patienten nach einem Unfall sind die schnelle und präzise Diagnose der Verletzungen sowie deren bestmögliche Behandlung“, erläuterte Pohlemann, der Sprecher des Netzwerkes.
Investitionen in Millionenhöhe notwendig
Um sicher auf medizinische Folgen von Terroranschlägen vorbereitet zu sein, sind seiner Ansicht nach jedoch Investitionen in Millionenhöhe notwendig. „Strukturen, die privat durch die Fachgesellschaften aufgebaut wurden – wie zum Beispiel die Traumanetzwerke –, müssen finanziell abgesichert werden. Und die dringend notwendigen Übungen sind im derzeitigen finanziellen Rahmen der Krankenhausfinanzierung in keiner Weise abgedeckt, aber nach Erfahrungen aus dem Ausland im Ernstfall lebensrettend.“
Tim Pohlemann beschäftigt jedoch vor allem eines, wenn es um die sogenannte „Terrormedizin“ – oder „Chirurgie in speziellen Situationen“, wie er lieber formuliert – geht. „Wenn ich an dieses Thema denke“, gibt er zu, „dann habe ich nur eine Hoffnung: Dass das, was wir hier vorbereiten, niemals eintreten wird.“
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: