Ärzteschaft

Ärztekammer Westfalen-Lippe mahnt Kurskorrekturen in der Gesundheitspolitik an

  • Montag, 25. März 2024
Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. /picture alliance, Friso Gentsch
Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. /picture alliance, Friso Gentsch

Münster – Die Versorgung von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen muss nach Ansicht der Kammer­versammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) verbessert werden. Darauf drängten die Delegierten auf der vergangenen Kammerversammlung.

In Deutschland leide rund jedes fünfte Kind unter 18 Jahren an einer chronischen Erkrankung, hieß es. Dazu zählten unter anderem allergische Erkrankungen, Adipositas, und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 1 sowie auch psychische oder Verhaltens- und Entwicklungsstörungen. Mit der Diagnose einer chronischen Erkrankung steht laut der Kammer die gesamte Familie vor einer großen Herausforderung.

„Die medizinische Versorgung gestaltet sich sehr komplex und kann nur unter Einbeziehung von Familie, Kita und Schule gelingen“, sagte der Kammerpräsident Johannes Albert Gehle am vergangenen Wochenende. Er for­derte deshalb bei dem Treffen finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen, mit denen chronisch kranke Kinder und Jugendliche sektorenübergreifend versorgt werden könnten.

„Dabei müssen die ambulant tätigen Praxen und die sozialpädiatrischen Zentren mit multiprofessioneller Betreuung ausgebaut und ihre auskömmliche Finanzierung sichergestellt werden. Ebenfalls gehört dazu ein handlungsfähiger Öffentlicher Gesundheitsdienst und speziell geschultes Personal“, so Gehle.

Die Kammerversammlung kritisierte vorgestern außerdem die gesundheitspolitischen Pläne für die Kranken­häuser in Deutschland. „Den Kliniken steht das Wasser bereits heute bis zum Hals und teilweise noch höher. Als ‚Erste Hilfe‘ bekommen sie mit dem Transparenzgesetz dann auch noch neue bürokratische Aufgaben“, be­mängelte Gehle.

Auch der Entwurf des „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes“ (KHVVG) stößt bei der Kammer auf Kritik. Die eigentlich gute Idee einer Vorhaltevergütung, also einer Finanzierung von Krankenhäusern ohne einen Anreiz zur Fallzahlsteigerung, werde durch die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Umsetzung konter­kariert. „Die Kopplung an das Vergütungssystem der Fallpauschalen bleibt bestehen. Wer viele Fälle erbringt und abrechnet, bekommt eine höhere Vorhaltevergütung – das Hamsterrad dreht sich weiter“, so der Kammer­präsident.

Scharfe Kritik äußerte er an dem Vorhaben, dass Krankenhäuser in sektorenübergreifenden Versorgungsein­richtungen unter bestimmten Bedingungen künftig auch hausärztliche Versorgung anbieten sollen. Das sei ein typisches Beispiel, wie die Berliner Politik meine, regionale Versorgung regeln zu müssen, kritisierte Gehle. Statt die Ausgestaltung der Versorgung dem regionalen Sachverstand und regionaler Zusammenarbeit zu überlassen, werde zentral allen eine fragwürdige Lösung übergestülpt.

„Wie wirkt sich eine hausärztliche Versorgung am Krankenhaus auf die verbleibenden Praxen der Umgebung aus? Wird das Geld dafür dem Budget der ambulanten Versorgung entzogen? Wie will man Rosinenpickerei verhindern? Und woher sollen eigentlich die Ärztinnen und Ärzte kommen, die diese zusätzliche Aufgabe übernehmen sollen“, fragte der Kammerpräsident.

In einer weiteren Entschließung bekräftigte die Kammerversammlung ihre Forderung, bei der Organspende eine Widerspruchslösung einzuführen. Grund dafür sei, dass die derzeit geltende Entscheidungslösung „in keiner Weise“ zu einer Erhöhung der Organspendezahlen beigetragen habe.

„Im Interesse von über 8.000 schwerstkranken Menschen, die in Deutschland dringend auf ein Spenderorgan warten, sollte der Gesetzgeber hier dringend umsteuern“, forderte das höchste Beschlussgremium der Ärztekammer.

hil

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