Ärztekammerpräsident Gehle sieht Ärzteschaft im Konflikt mit ökonomischen Zwängen

Münster – In einem Konflikt zwischen medizinischer Überzeugung und ökonomischen Zwängen sieht Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), die Ärzteschaft.
„Der Beruf des Arztes wird zunehmend von außen kommerzialisiert, industrialisiert und bürokratisiert“, sagte Gehle heute zur Eröffnung des Westfälischen Ärztetages in Münster unter dem Titel „Perspektive Gesundheitsversorgung 2030“. Unter diesen Rahmenbedingungen werde es immer schwerer, den eigentlichen Kern des Arztberufes umzusetzen – nämlich kranken Menschen zu helfen und Patienten zu versorgen, kritisierte Gehle.
Die Problemlage in der Gesundheitsversorgung ist nach Ansicht von Kammerpräsident Gehle vielfältig. Es gelte, den ärztlichen Nachwuchsmangel und Versorgungsengpässe insbesondere in der ländlichen hausärztlichen Versorgung zu bewältigen. Bereits jetzt seien hunderte Vertragsarztsitze im haus- wie auch im fachärztlichen Bereich unbesetzt, Praxisnachfolger insbesondere in ländlichen Bereichen kaum mehr zu finden. Auch Klinikstellen seien zunehmend unbesetzt.
„Die Versorgung der weiterhin alternden Gesellschaft in Deutschland ist ernsthaft in Gefahr. Wenn wir dies für die Zukunft verhindern wollen, müssen wir als ersten Schritt die Anzahl der Medizin-Studienplätze in Deutschland erhöhen“, so Gehle. Deren Zahl sei in ganz Deutschland erheblich reduziert worden, ohne gegenzusteuern, werde man das gewohnte Niveau der medizinischen Versorgung nicht halten können.
Wie Gehle betonte, könne auch die Digitalisierung dazu beitragen, die Versorgung auf weiterhin hohem Niveau beizubehalten. Bislang seien allerdings sinnvolle Anwendungen wie der Notfalldatensatz, die elektronische Patientenakte (ePA), elektronische Medikationspläne und das elektronische Rezept trotz mehrjähriger Einführungsphasen weiterhin weit von einer breiten Nutzung durch Ärzteschaft und Patienten entfernt.
Zudem müsse man bei der Versorgungsplanung sozioökonomische Faktoren stärker im Blick haben als bisher. Sozial benachteiligte Stadtteile zeichneten sich zum einen durch einen teilweise deutlich schlechteren Gesundheitszustand der Bevölkerung aus. Zum anderen seien auch Probleme bei der Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung zu beobachten und regionale Strukturen nötig, die alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen erreichten.
„Um unser Gesundheitswesen zukunftsfest aufzustellen, benötigen wir intelligente Lösungen, wie mit begrenzten Ressourcen die medizinische Versorgung insbesondere unter den Aspekten Bedarfsgerechtigkeit und Chancengleichheit, aber auch unter Einhaltung des ärztlichen Ethos aufrechterhalten werden kann“, sagte Gehle.
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