AfD erzwingt dritte Lesung des Pandemie-Gesetzes in Nordrhein-Westfalen

Düsseldorf – Die AfD hat die geplante Verabschiedung des entschärften Pandemie-Gesetzes im Landtag in Nordrhein-Westfalen (NRW) ausgebremst. Die Rechtspopulisten erzwangen heute mit ihrem Minderheitsrecht eine dritte Lesung. Dafür setzte das Präsidium eine Plenumssitzung am Dienstag nach Ostern an.
Zuvor hatte der Landtag in zweiter Lesung den geänderten Gesetzentwurf mit Stimmen von CDU, FDP, SPD und Grünen angenommen. Die AfD stimmte dagegen. Das Gesetz sieht besondere Regierungsbefugnisse für den Fall einer katastrophalen Entwicklung der Coronakrise vor.
Der Gesetzentwurf der schwarz-gelben Landesregierung war zuvor von den vier Fraktionen gemeinsam entschärft worden. Die AfD war nicht an diesen Verhandlungen beteiligt worden. Gestrichen wurde unter anderem der besonders umstrittene Passus, wonach Ärzte, Pfleger und Rettungskräfte im äußersten Fall zum Arbeitseinsatz zwangsverpflichtet werden sollten.
Auch in weiteren Punkten wurden die für die Landesregierung vorgesehenen Durchgriffsrechte beschnitten. So kann eine „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“, die als Grundlage für die Sonderbefugnisse der Landesregierung dient, künftig nur vom Landtag für das Land NRW definiert werden. Die Feststellung dieser Lage sei auf zwei Monate befristet, die Landesregierung müsse dem Landtag regelmäßig berichten.
Auch die Befugnisse des Gesundheitsministeriums würden begrenzt. Medizinisches Material dürfe nicht bei Privatpersonen beschlagnahmt werden. Wenn Krankenhäuser aufgrund der epidemischen Lage andere Leistungen nicht mehr erbringen könnten und etwa planbare Operationen verschieben müssten, dann müssten sie entschädigt werden.
Ganz gestrichen wurde zudem der Artikel 10 des CDU/FDP-Entwurfs, in dem das Schulministerium ermächtigt werden sollte, durch Rechtsverordnungen von Abschluss- und Prüfungsordnungen abzuweichen.
In einer Expertenanhörung zu dem Gesetz hatten zuvor bereits Rechtswissenschaftler verfassungsrechtliche Zweifel an Zwangsverpflichtungen geäußert. Die meisten Sachverständigen empfahlen auch, gravierende Entscheidungen über einen epidemischen Notstand nicht in die Hand des Gesundheitsministers zu legen, sondern dem Parlament zu überlassen. Ein Großteil der Experten forderte auch Befristungen der vorgesehenen Regelungen.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf enthielt unbefristete Grundrechtseinschränkungen und sollte nach Willen der schwarz-gelben Landesregierung im Eilverfahren schon vergangene Woche vom Landtag abgesegnet werden. Diese Pläne bremste die Opposition aus. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte gesagt, er wolle eine möglichst einstimmige Verabschiedung im Landtag. Dafür werde es auch Zugeständnisse geben.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Ärztekammern in NRW zeigten sich heute erleichtert, dass die Zwangsrekrutierung von Ärzten vom Tisch ist. „Wir begrüßen diese Entscheidung sehr“, sagte Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein.
Er betonte, eine Zwangsverpflichtung ärztlichen Personals wäre vor dem Hintergrund der vielen Aktivitäten der ärztlichen Körperschaften zur Eindämmung der Virus-Verbreitung und der hohen Zahl an freiwilligen Helfern kontraproduktiv gewesen – von den verfassungsrechtlichen Bedenken ganz abgesehen.
„Ich bin sehr froh, wie gut man uns in der Anhörung im Landtag zugehört hat“, sagte auch der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, in Düsseldorf. Es sei gut, auf das freiwillige Engagement der Ärztinnen und Ärzte zu setzen. Diese seien „ohnehin bereit, alles Menschenmögliche zur Pandemiebekämpfung zu tun“, so Henke.
Die Befristung des Gesetzes auf den 31. März 2021 hält Henke für richtig. „Die Klarstellung zur Entscheidungsfreiheit ärztlicher Tätigkeit in medizinischen Fragen gemäß der ärztlichen Berufsordnung begrüßen wir ebenfalls sehr“, sagte Henke. So sei das ganze Gesetz ein wichtiges Signal an die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen, es schaffe Vertrauen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: