Politik

AfD erzwingt dritte Lesung des Pandemie-Gesetzes in Nordrhein-Westfalen

  • Donnerstag, 9. April 2020
Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf - Markus Wagner, AfD-Fraktionsvorsitzender, spricht im Plenum des Landtages. Der Landtag befasst sich in einer Sondersitzung mit dem geplanten und in letzter Minute noch entschärften Pandemie-Gesetz. /picture alliance, Federico Gambarini
Markus Wagner, AfD-Fraktionsvorsitzender im Landtag in Nordrhein-Westfalen /picture alliance, Federico Gambarini

Düsseldorf – Die AfD hat die geplante Verabschiedung des entschärften Pandemie-Ge­setzes im Landtag in Nordrhein-Westfalen (NRW) ausgebremst. Die Rechtspopulisten er­zwangen heute mit ihrem Minderheitsrecht eine dritte Lesung. Dafür setzte das Präsidium eine Plenumssitzung am Dienstag nach Ostern an.

Zuvor hatte der Landtag in zweiter Lesung den geänderten Gesetzentwurf mit Stimmen von CDU, FDP, SPD und Grünen angenommen. Die AfD stimmte dagegen. Das Gesetz sieht besondere Regierungsbefugnisse für den Fall einer katastrophalen Entwicklung der Coro­nakrise vor.

Der Gesetzentwurf der schwarz-gelben Landesregierung war zuvor von den vier Fraktio­nen gemeinsam entschärft worden. Die AfD war nicht an diesen Verhandlungen beteiligt worden. Gestrichen wurde unter anderem der besonders umstrittene Passus, wonach Ärzte, Pfleger und Rettungskräfte im äußersten Fall zum Arbeitseinsatz zwangsverpflich­tet werden sollten.

Auch in weiteren Punkten wurden die für die Landesregierung vorgesehenen Durchgriffs­rechte beschnitten. So kann eine „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“, die als Grundlage für die Sonderbefugnisse der Landesregierung dient, künftig nur vom Landtag für das Land NRW definiert werden. Die Feststellung dieser Lage sei auf zwei Monate be­fristet, die Landesregierung müsse dem Landtag regelmäßig berichten.

Auch die Befugnisse des Gesundheitsministeriums würden begrenzt. Medizinisches Ma­terial dürfe nicht bei Privatpersonen beschlagnahmt werden. Wenn Krankenhäuser auf­grund der epidemischen Lage andere Leistungen nicht mehr erbringen könnten und etwa planbare Operationen verschieben müssten, dann müssten sie entschädigt werden.

Ganz gestrichen wurde zudem der Artikel 10 des CDU/FDP-Entwurfs, in dem das Schulmi­nisterium ermächtigt werden sollte, durch Rechtsverordnungen von Abschluss- und Prü­fungsordnungen abzuweichen.

In einer Expertenanhörung zu dem Gesetz hatten zuvor bereits Rechtswissenschaftler verfassungsrechtliche Zweifel an Zwangsverpflichtungen geäußert. Die meisten Sach­verständigen empfahlen auch, gravierende Entscheidungen über einen epidemischen Notstand nicht in die Hand des Gesundheitsministers zu legen, sondern dem Parlament zu überlassen. Ein Großteil der Experten forderte auch Befristungen der vorgesehenen Regelungen.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf enthielt unbefristete Grundrechtseinschränkungen und sollte nach Willen der schwarz-gelben Landesregierung im Eilverfahren schon vergan­gene Woche vom Landtag abgesegnet werden. Diese Pläne bremste die Opposition aus. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte gesagt, er wolle eine möglichst ein­stimmige Verabschiedung im Landtag. Dafür werde es auch Zugeständnisse geben.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Ärztekammern in NRW zeigten sich heute erleichtert, dass die Zwangsrekrutierung von Ärzten vom Tisch ist. „Wir begrüßen diese Entscheidung sehr“, sagte Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärzt­lichen Vereinigung (KV) Nordrhein.

Er betonte, eine Zwangsverpflichtung ärztlichen Personals wäre vor dem Hintergrund der vielen Aktivitäten der ärztlichen Körperschaften zur Eindämmung der Virus-Verbreitung und der hohen Zahl an freiwilligen Helfern kontraproduktiv gewesen – von den ver­fassungsrechtlichen Bedenken ganz abgesehen.

„Ich bin sehr froh, wie gut man uns in der Anhörung im Landtag zugehört hat“, sagte auch der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, in Düsseldorf. Es sei gut, auf das freiwillige Engagement der Ärztinnen und Ärzte zu setzen. Diese seien „ohnehin bereit, alles Menschenmögliche zur Pandemiebekämpfung zu tun“, so Henke.

Die Befristung des Gesetzes auf den 31. März 2021 hält Henke für richtig. „Die Klarstell­ung zur Entscheidungsfreiheit ärztlicher Tätigkeit in medizinischen Fragen gemäß der ärztlichen Berufsordnung begrüßen wir ebenfalls sehr“, sagte Henke. So sei das ganze Gesetz ein wichtiges Signal an die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen, es schaffe Ver­trauen.

dpa/may

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