Aktive Bewegungsschienen nach Kreuzbandriss: Nutzen und Schaden unklar

Köln – Welchen Nutzen oder Schaden aktive Bewegungsschienen in der Nachbehandlung bei einem Riss des vorderen Kreuzbands haben, bleibt unklar. Das gilt insbesondere für den Einsatz zu Hause. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nach einer Untersuchung in seinem Abschlussbericht. Der Grund: Es gibt für die Anwendung der sogenannten CAM-Schienen (Controlled active Motion) in Kliniken nur wenige Studien mit kaum belastbaren Daten. Für den häuslichen Bereich gebe es bislang gar keine Studien, so das Institut. Das gelte sowohl für den Vergleich mit passiven Schienen als auch im Vergleich zu einer Behandlung ohne Bewegungsschienen.
Bekanntermaßen verbinden im Inneren des Kniegelenks zwei kreuzförmig verlaufende Bänder den Oberschenkelknochen und das Schienbein und gewährleisten so die Stabilität, den Zusammenhalt und die richtige Bewegung des Kniegelenks. Ein Riss des vorderen Kreuzbands wird meist durch Bewegungen wie eine abrupte Drehung des Beins, einen plötzlichen Richtungswechsel beim Laufen oder Springen oder einen Sturz auf das Knie verursacht, wie sie für bestimmte Sportarten, etwa Fußball oder Skilaufen, typisch sind. Und häufig werden dabei auch benachbarte Strukturen im Kniegelenk, wie etwa die Seitenbänder oder die Menisken, in Mitleidenschaft gezogen.
Geführte Bewegung mithilfe von Schienen
Ziel der Behandlung ist es dem IQWiG zufolge, das Gelenk wieder zu stabilisieren, Schmerzen und Schwellungen zu reduzieren, langfristige degenerative Veränderungen im Knie zu verhindern sowie die Fähigkeit, den Beruf oder Sport auszuüben, wiederherzustellen. Meist werde eine Operation empfohlen, schreibt das IQWiG.
In der Rehabilitation kommen spezielle Schienen zum Einsatz: Bei diesen aktiven Bewegungsschienen (CAM) handelt es sich um „Tretmaschinen“, bei denen beide Beine einbezogen sind. In diesen Apparaturen wird der Fuß fixiert, sodass frühzeitig ein geführter, aktiver Bewegungsablauf trainiert werden kann, was auch zu Hause möglich ist. Daneben gibt es die CPM-Schienen (CPM = Continuous passive Motion), mit denen das verletzte Bein passiv bewegt wird. Die CPM sind Gegenstand einer getrennten, aber zeitlich parallel laufenden Nutzenbewertung.
Zwei Studien mit wenigen Teilnehmern und kurzer Dauer
Bei ihrer Suche nach Studien, die die CAM mit anderen Therapien vergleichen, identifizierten die Wissenschaftler zwei kleine randomisierte kontrollierte klinische Studien. Eine Studie mit knapp über 60 Teilnehmern verglich eine CAM-Schiene mit einer CPM-Schiene. Die zweite, mit 50 Probanden noch kleinere, Studie testete eine Nachbehandlung mit CAM gegen eine Nachbehandlung ohne Schiene. In beiden Studien waren die CAM in Kliniken nach einer Operation eingesetzt worden.
Aus Sicht des IQWiG könnten bei beiden Studien die Ergebnisse verzerrt sein, weil es Mängel bei ihrer Durchführung gab. „So war unter anderem unklar, ob die Zuteilung zu den Behandlungsgruppen tatsächlich nach dem Zufallsprinzip erfolgte“, schreiben die Forscher. Zudem konnten die Patienten, zu 90 Prozent waren es Männer, ab dem dritten Tag nach der Operation bei Bedarf Schmerzmittel einnehmen, ohne dass dies erfasst und ausgewertet wurde. Ohnehin seien die Patienten nur sieben Tage nach dem Eingriff beobachtet worden.
Nur Daten zu Bewegungsumfang und Schmerzen verwertbar
Verwertbare Daten gab es in beiden Studien dem IQWiG zufolge nur zu den Endpunkten „Bewegungsumfang“ und „Schmerzen“. Was den Bewegungsumfang betreffe, zeige der Vergleich zwischen CAM- und CPM-Schiene keine relevanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen. Bei der zweiten Studie (CAM versus Reha ohne Schiene) sei das wohl der Fall gewesen; allerdings sei der Bewegungsumfang schon vor der Operation unterschiedlich gewesen, resümiert das IQWiG. Beim Endpunkt Schmerzen seien die Unterschiede zwischen den Gruppen nicht relevant gewesen. Auch sei nicht klar, ob die für die Datenerhebung verwendeten Tests die Tiefensensibilität erfasst hätten. Weitere Endpunkte, etwa die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen, wurden in den beiden Studien nicht erhoben.
Schlechte Studienlage bei Medizinprodukten nicht untypisch
„Der Riss des vorderen Kreuzbands ist eine der häufigsten Sportverletzungen und seine Behandlung von großer Bedeutung – für die Betroffenen ebenso wie für ihr privates und berufliches Umfeld“, stellte Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren, fest. Es sei zu begrüßen, dass Medizinprodukte entwickelt werden, die den Rehabilitationsprozess unterstützen sollen. Er forderte aber zugleich, dass der Nutzen mit guten, verwertbaren Daten belegt werde. „Für die CAM-Schienen fehlen sie. Und bei nichtmedikamentösen Verfahren, insbesondere Medizinprodukten, ist das auch leider keine Seltenheit“, sagte der Mediziner.
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