Politik

Aktive Bewegungsschienen nach Kreuzbandriss: Nutzen und Schaden unklar

  • Donnerstag, 11. Mai 2017
/Superingo, stock.adobe.com
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Köln – Welchen Nutzen oder Schaden aktive Bewegungsschienen in der Nachbehand­lung bei einem Riss des vorderen Kreuzbands haben, bleibt unklar. Das gilt insbeson­dere für den Einsatz zu Hause. Zu die­sem Ergebnis kommt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswe­sen (IQWiG) nach einer Untersuchung in seinem Abschlussbericht. Der Grund: Es gibt für die Anwendung der sogenannten CAM-Schie­nen (Controlled active Motion) in Kliniken nur weni­ge Studien mit kaum belastba­ren Da­ten. Für den häuslichen Be­reich gebe es bislang gar keine Studien, so das Insti­tut. Das gelte sowohl für den Ver­glei­ch mit passiven Schienen als auch im Ver­gleich zu einer Be­handlung ohne Be­we­gungs­schienen.

Bekanntermaßen verbinden im Inneren des Kniegelenks zwei kreuzförmig verlaufende Bän­der den Oberschenkelknochen und das Schienbein und gewährleisten so die Stabi­lität, den Zusammenhalt und die richtige Bewegung des Kniegelenks. Ein Riss des vor­de­ren Kreuzbands wird meist durch Bewegungen wie eine abrupte Drehung des Beins, ei­nen plötzlichen Richtungswechsel beim Laufen oder Springen oder einen Sturz auf das Knie verursacht, wie sie für bestimmte Sportarten, etwa Fußball oder Skilaufen, typisch sind. Und häufig werden dabei auch benachbarte Strukturen im Kniegelenk, wie etwa die Seitenbänder oder die Menisken, in Mitleidenschaft gezogen.

Geführte Bewegung mithilfe von Schienen

Ziel der Behandlung ist es dem IQWiG zufolge, das Gelenk wieder zu stabilisieren, Schmer­­zen und Schwellungen zu reduzieren, langfristige degenerative Veränderungen im Knie zu verhindern sowie die Fähigkeit, den Beruf oder Sport auszu­üben, wiederher­zu­stellen. Meist werde eine Operation empfohlen, schreibt das IQWiG.

In der Rehabilitation kommen spezielle Schienen zum Einsatz: Bei diesen aktiven Bewe­gungsschienen (CAM) handelt es sich um „Tretmaschinen“, bei denen beide Beine ein­be­zogen sind. In diesen Apparaturen wird der Fuß fixiert, so­dass frühzeitig ein geführ­ter, aktiver Bewegungsablauf trainiert werden kann, was auch zu Hause möglich ist. Daneben gibt es die CPM-Schienen (CPM = Continuous passive Motion), mit denen das verletzte Bein passiv bewegt wird. Die CPM sind Gegenstand einer getrennten, aber zeitlich para­llel laufenden Nutzenbewertung.

Zwei Studien mit wenigen Teilnehmern und kurzer Dauer

Bei ihrer Suche nach Studien, die die CAM mit anderen Therapien vergleichen, identifi­zier­ten die Wissenschaftler zwei kleine randomisierte kontrollierte klinische Studien. Eine Studie mit knapp über 60 Teilnehmern verglich eine CAM-Schiene mit einer CPM-Schie­ne. Die zweite, mit 50 Probanden noch kleinere, Studie testete eine Nachbehandlung mit CAM gegen eine Nachbehandlung ohne Schiene. In beiden Studien waren die CAM in Kliniken nach einer Operation eingesetzt worden.

Aus Sicht des IQWiG könnten bei beiden Studien die Ergebnisse verzerrt sein, weil es Mängel bei ihrer Durchführung gab. „So war unter anderem unklar, ob die Zuteilung zu den Behandlungsgruppen tatsächlich nach dem Zufallsprinzip erfolgte“, schreiben die Forscher. Zudem konnten die Patienten, zu 90 Prozent waren es Männer, ab dem dritten Tag nach der Operation bei Bedarf Schmerzmittel einnehmen, ohne dass dies erfasst und ausgewertet wurde. Ohnehin seien die Patienten nur sieben Tage nach dem Eingriff beobachtet worden.

Nur Daten zu Bewegungsumfang und Schmerzen verwertbar

Verwertbare Daten gab es in beiden Studien dem IQWiG zufolge nur zu den Endpunk­ten „Bewegungsumfang“ und „Schmerzen“. Was den Bewegungsumfang betreffe, zeige der Vergleich zwischen CAM- und CPM-Schiene keine relevanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen. Bei der zweiten Studie (CAM versus Reha ohne Schiene) sei das wohl der Fall gewesen; allerdings sei der Bewegungsumfang schon vor der Operation un­ter­schiedlich gewesen, resümiert das IQWiG. Beim Endpunkt Schmer­zen seien die Un­ter­schiede zwischen den Gruppen nicht relevant gewesen. Auch sei nicht klar, ob die für die Datenerhebung verwendeten Tests die Tiefensensibilität erfasst hätten. Weitere End­punkte, etwa die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen, wurden in den beiden Studien nicht erhoben.

Schlechte Studienlage bei Medizinprodukten nicht untypisch

„Der Riss des vorderen Kreuzbands ist eine der häufigsten Sportverletzungen und seine Behandlung von großer Bedeutung – für die Betroffenen ebenso wie für ihr privates und berufliches Umfeld“, stellte Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren, fest. Es sei zu begrüßen, dass Medizinprodukte entwickelt werden, die den Rehabilitationsprozess unterstützen sollen. Er forderte aber zugleich, dass der Nutzen mit guten, verwertbaren Daten belegt werde. „Für die CAM-Schienen fehlen sie. Und bei nichtmedikamentösen Verfahren, insbesondere Medizinprodukten, ist das auch leider keine Seltenheit“, sagte der Mediziner.

EB/may

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