Ambulante Versorgung: Ohne ausländische Ärzte und Anreize für Niedergelassene wird es eng

Berlin – In Deutschland fehlen bis 2040 jedes Jahr rund 2.500 neue Ärzte, um das heutige Versorgungsniveau aufrecht erhalten zu können. Das zeigt eine neue Anlalyse des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Ohne Ärzte aus dem Ausland und Anreize, damit die Niedergelassenen in Deutschland möglichst lange arbeiten, wird es demnach eng.
Wie die Zi-Berechnungen zeigen, würden von 2022 bis 2040 kumuliert rund 50.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen, um die derzeit 73 Millionen gesetzlich Versicherten auf dem gewohnt hohen medizinischen Niveau versorgen zu können. Ohne die Zuwanderung von Ärzten aus dem Ausland droht dem Zi zufolge bis 2040 ein allmähliches Absinken des vertragsärztlichen Versorgungsgrads auf „dann nur noch 74 Prozent des heutigen Niveaus“.
Über alle Versorgungsbereiche hinweg betrachtet, steigt der jährliche Nachbesetzungsbedarf bis 2025 auf knapp 16.000 Mediziner, so die Zi-Untersuchung. Erst danach sinkt er allmählich leicht ab. Bis 2040 sind pro Jahr knapp 12.000 Stellen nachzubesetzen.
Im Vergleich zwischen dem vertragsärztlichen und dem stationären Sektor sowie sonstigen Bereichen zeigt sich, dass der Nachbesetzungsbedarf im vertragsärztlichen Sektor kurz- und mittelfristig am größten ist.
Maßgeblicher Grund ist nach Angabe des Zi, dass die Vertragsärzte im Basisjahr 2021 durchschnittlich älter sind als die im Krankenhaus angestellten Ärzte. Der Nachbesetzungsbedarf an niedergelassenen Haus- und Fachärzten beträgt bis 2030 jährlich rund 8.000 bis 9.000 Köpfe. Bis zum Jahr 2040 sinkt diese Zahl auf knapp 5.000 pro Jahr ab.
Das Zi moniert in der Analyse, dass eine Aufstockung der Studienplatzzahlen in der Humanmedizin die Kapazitäten nicht mehr rechtzeitig erhöhen wird. Die abzusehenden Engpässe in der medizinischen Versorgung seien durch ein erhöhtes Studienangebot „nicht mehr aufzuhalten“, heißt es.
Selbst wenn die Studienplatzkapazitäten im Fach Humanmedizin „kurzfristig signifikant“ erhöht würden, kämen die Auswirkungen aufgrund der Ausbildungslänge erst „nach etwa 15 Jahren“ in der ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung an.
Angesichts der „Versäumnisse, frühzeitig dem erwarteten Mangel an Ärzten entgegenzuwirken“, können die Engpässe in der medizinischen Versorgung aus Sicht des Zi „nur durch flankierende Maßnahmen teilweise kompensiert“ werden.
Dazu gehörten demnach Anreize für berufstätige Ärzte, sich „möglichst lange und mit voller Arbeitskraft“ in der medizinischen Versorgung zu engagieren, die Entlastung von arztfremden Verwaltungsarbeiten sowie die Erweiterung ärztlicher Delegationsmöglichkeiten.
Risiken für die Patientenversorgung ergeben sich dem Zi zufolge daraus, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte aufgrund steigender Arbeitsbelastung sowie dem Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance der ambulanten Versorgung immer häufiger den Rücken kehren oder ihren Tätigkeitsumfang reduzieren, indem sie in ein Anstellungsverhältnis wechseln. Ein weiterer Stressfaktor sei die zunehmende Belastung ärztlicher Arbeitszeit mit einer Flut von Verwaltungsaufgaben und sinnentleerter Digitalisierungsmaßnahmen.
„Hier gilt es, Anreize zu setzen, damit sich ein überdurchschnittliches zeitliches Engagement auch überdurchschnittlich lohnt. Das wird aber durch die bestehenden Budgetrestriktionen in der vertragsärztlichen Versorgung aufs Gröbste konterkariert“, bemängelte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried. „Die Botschaft lautet hier: Leistung lohnt sich nicht.“
Von Stillfried wies auch darauf hin, dass sich in ganz Europa ein Fachkräftemangel in der medizinischen Versorgung abzeichnet, der zunehme. Er spricht von einem Wettbewerb in Europa um ausgebildete Mediziner. Das würde es noch herausfordernder machen, das heutige Leistungsangebot in Zukunft flächendeckend zu stabilisieren und eine Benachteiligung strukturschwächerer Regionen zu verhindern.
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