Anhörung: Ärzte sprechen sich erneut für Änderungen am Terminservicegesetz aus

Berlin – 53 Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige haben schriftlich zum Kabinettsentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) Stellung genommen. Zahlreiche Vertreter wurden darüber hinaus heute vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages angehört. Der Ausbau der Terminservicestellen, die fortgesetzte Budgetierung ambulanter ärztlicher Leistungen, die Neureglungen zur Bedarfsplanung, der verstärkte Einstieg privater Investoren in Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sowie der geplante gestufte Zugang von Patienten zur psychotherapeutischen Versorgung bestimmten zwei der auf drei Stunden angesetzten Anhörung.
Der Entwurf des TSVG sieht vor, dass die Terminservicestellen künftig 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche erreichbar sind und deren Rufnummern mit der Notrufnummer des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 zusammengelegt werden. Patienten sollen dort Arzttermine vermittelt werden. Außerdem soll ihnen geholfen werden, einen Haus- oder Kinderarzt zu finden. In Notfällen sollen die Servicestellen Patienten in eine Arztpraxis, an den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst oder in eine Notfallambulanz vermitteln.
Diesen geplanten Ausbau der Terminservicestellen bezeichnete Johann-Magnus von Stackelberg vom GKV-Spitzenverband als positiv. Seiner Ansicht nach sollten die Servicestellen aber neben Haus- und Facharztterminen auch Termine zur Langzeitbehandlung beim Psychotherapeuten vermitteln. „Das sollte dazu gehören“, sagte er. Von Stackelberg warnte jedoch davor, sämtliche Leistungen, die von einer Terminservicestelle vermittelt wurden, wie geplant, außerbudgetär zu vergüten. „Das birgt Komplikationen“, meinte er. Stattdessen solle dieses Geld besser in die Förderung von Sprechstunden an den Abenden und an Samstagnachmittagen investiert werden.
Auch Hausärzte sollten für offene Sprechstunden Zuschläge erhalten
Ulrich Weigeldt, Deutscher Hausärzteverband, kritisierte in diesem Zusammenhang, dass lediglich Fachärzte extrabudgetär für Leistungen vergütet werden, die sie in offener Sprechstunde anbieten. Auch die Hausärzte, die solche Angebote „selbstverständlich“ täglich für Akutpatienten bereithielten, sollten dafür Honorarzuschläge erhalten, so Weigeldt. Diese Forderung hat auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in ihrer schriftlichen Stellungnahme erhoben.
Darin begrüßt die KBV zwar den Ansatz im TSVG, einzelne Leistungen extrabudgetär zu vergüten. Sie bedauert zugleich, dass es im Grundsatz bei einer Budgetierung bleibt und sie sich mit ihrem Vorschlag, sämtliche Grundleistungen von der Budgetierung auszunehmen, bislang nicht durchsetzen konnte. Von Stackelberg hält dagegen eine freie Leistungsvergütung für „nicht zielgerichtet“. Eine Freigabe des Budgets koste die Versichertengemeinschaft drei Milliarden Euro und bringe für die Versorgung nichts, prognostizierte er. „Wenn Sie Geld in die Hand nehmen wollen, sollte es gezielt eingesetzt werden“, sagte von Stackelberg.
Kritik an staatlichen Eingriffen
Mit Blick auf die geplante Ausweitung der Sprechzeiten niedergelassener Ärzte von 20 auf 25 Stunden wöchentlich betonte KBV-Vorstand Andreas Gassen heute vor dem Gesundheitsausschuss, sämtliche inhabergeführten Praxen arbeiteten in der Regel 52 Wochenstunden und damit am Limit. „Anders ist das in Praxen mit vielen angestellten Ärzten“, sagte er. Dort müsse man sich an die Arbeitszeitgesetze halten. Dazu komme, dass viele angestellte Ärzte in Teilzeit arbeiteten. Die geplanten dirigistischen Eingriffe in die Praxisabläufe führten „am Thema vorbei“.
Gassen schlug stattdessen vor, die offenen Sprechstunden, die bestimmte Facharztgruppen nach dem TSVG-Entwurf künftig verpflichtend anbieten müssen, in ein freiwilliges Angebot umzuwandeln. Ärzte, die ihren Patienten eine offene Sprechstunde anbieten wollten, könnten dies tun und erhielten für ihre Mehrarbeit einen extrabudgetären Zuschlag, heißt es dazu in der schriftlichen Stellungnahme der KBV.
Ärzte, bei denen die offene Sprechstunde zu einer „Chaotisierung“ der Praxisabläufe führen würde, wären dazu nicht gezwungen. Bleibt es bei der Pflicht, befürchtet Gassen in vielen Praxen negative Auswirkungen auf deren Arbeitsabläufe. Angesichts der finanziellen Anreize für das Angebot offener Sprechstunden, könnten chronische Kranke mit wiederkehrendem Behandlungsbedarf „zweiter Sieger“ sein, warnte Gassen heute in der Anhörung.
Aufhebung von Niederlassungssperren ist unnötig
Um die Versorgung zu sichern, sieht der Entwurf des TSVG darüber hinaus vor, bis zu einer Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zeitlich befristet die Zulassungsbeschränkungen unter anderem für Rheumatologen, Kinderärzte und Psychiater auszusetzen. Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken hält davon nichts. Der G-BA werde die neue Bedarfsplanungsrichtlinie fristgerecht bis Juni 2019 vorlegen. Eine Aufhebung von Niederlassungssperren für nur wenige Monate sei unnötig.
Geteilter Ansicht waren Verbände und Sachverständige über die geplante Regelung, das Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen künftig nur noch fachbezogene MVZ gründen dürfen. Damit soll der Einfluss von Kapitalinvestoren ohne medizinisch-fachlichen Bezug zur vertragsärztlichen Versorgung begrenzt werden, wie es im Gesetzentwurf heißt.
Während Vertreter des GKV-Spitzenverbandes die Neuregelung als „sachgerecht“ begrüßten, sagte Peter Velling vom Bundesverband Medizinische Versorgungszentren, die enge Beschränkung von Gründereigenschaften für MVZ führe nicht zum Ziel. Der Fachbezug müsse weiter gefasst werden und das gesamte Spektrum der Nierenerkrankungen berücksichtigen. Dazu gehöre auch der Chirurg, der Diabetologe und der Augenarzt.
Als Bedrohung für die Versorgung bezeichnete Wolfgang Eßer, Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, das verstärkte Eindringen von Investoren in die zahnärztliche Versorgung. Diese kauften häufig Krankenhäuser allein mit dem Ziel auf, zahnmedizinische MVZ zu gründen. Der Erwerb eines Krankenhauses sollte deshalb aus seiner Sicht daran geknüpft sein, dass es bereits vorher an der zahnmedizinischen Versorgung teilgenommen hat. Zudem solle die Gründung von MVZ auf den Bereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung beschränkt werden.
Mehr Psychotherapeuten zulassen
Überwiegend auf Kritik stießen die Pläne zur gestuften Inanspruchnahme psychotherapeutischer Leistungen. Ariadne Sartorius vom Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten warnte vor einer zusätzlichen Hürde für die Patienten und unnötigen Doppeluntersuchungen. Sie plädierte dafür, den entsprechenden Passus aus dem Gesetz zu streichen.
Auch Dietrich Munz, Bundespsychotherapeutenkammer, kritisierte die Neuregelung als „nicht zielführend“. Mit der Einführung der psychotherapeutischen Sprechstunde im April 2017 habe man den Zugang zur Behandlung für die Patienten sehr gut organisiert. „Das Problem beginnt, wenn die Patienten eine psychotherapeutische Behandlung brauchen“, sagte Munz. „Dann sind die Wartezeiten deutlich zu lang, insbesondere auf dem Land und im Ruhrgebiet.“ Die Lösung aus seiner Sicht: Es müssten mehr Psychotherapeuten für die vertragspsychotherapeutische Versorgung zugelassen werden.
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