Politik

Anhörung vor dem Gesundheits­ausschuss: Kritik und Lob für die Pflegereform

  • Montag, 7. Juni 2021
/studio v-zwoelf, stock.adobe.com
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Berlin – Experten kritisierten heute bei einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags, dass die von der Bundesregierung geplante Pflegereform nicht ausreichend gegenfinanziert sei. „Wir sind irritiert darüber, dass in der Phase der Ressortabstimmung der Zuschuss des Bundes an die Pflegeversicherung immer geringer geworden ist“, sagte Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes.

Ursprünglich habe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Vorschlag gemacht, dass der Bund künftig die Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen finanziert. Damit hätte der Bund eine klassische versicherungsfremde Leistung in Höhe von etwa drei Milliarden Euro übernommen. „Auf Initiative des Bundesfinanzministeriums ist dieser Betrag dann auf eine Milliarde Euro pro Jahr zusammengeschmolzen“, kritisierte Kiefer. „Wir gehen davon aus, dass der nächste Deutsche Bundestag hier erheblich nachbessern muss.“

Kiefer begrüßte den vorgesehenen einmaligen Bundeszuschuss in Höhe von sieben Milliarden Euro, durch den der Gesamtbeitrag für die Sozialversicherung unter 40 Prozent gehalten werden solle. „Nach allen Fakten wird diese erhebliche Summe trotzdem nicht ausreichen“, meinte Kiefer. Deshalb sei die vorgesehene Ermächtigung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) richtig, diesen Betrag bei Bedarf noch anzuheben.

Ursprünglich hatte die Bundesregierung vorgesehen, in dieser Legislaturperiode eine eigene Pflegereform zu verabschieden. Im März 2021 hatte das BMG dazu einen Arbeitsentwurf vorgelegt, mit dem sowohl Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zur Leistungsausweitung der Pflegeversicherung als auch Pläne aus der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) zur Verbesserung der Ar­beitsbedingungen der Pflegenden enthalten waren.

Weil die bis zum Ende der Legislaturperiode verbleibende Zeit für ein eigenes Gesetzgebungsverfahren nicht mehr ausreichte, wurden die Vorhaben aus der KAP aus dem Arbeitsentwurf herausgelöst und als Änderungsanträge in das laufende Gesetzgebungsverfahren zum Gesundheitsversorgungs­weiterentwicklungsgesetz (GVWG) aufgenommen.

Vorgesehen ist unter anderem, dass Pflegeeinrichtungen nur noch Leistungen mit den Pflegekassen abrechnen können, wenn sie ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen, sowie ein Zuschuss für Pflegeheimbewohner zu ihrem Eigenanteil, wenn sie länger als ein Jahr in einem Pflegeheim leben. Zudem soll in jedem Bundesland ein Modellprojekt zur Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten an Pflegefachpersonen durchgeführt werden.

Bei Substitution muss klar sein, wer die Verantwortung trägt

Ulrike Doering vom Deutschen Pflegerat begrüßte diese Regelung ausdrücklich. Denn die derzeit im § 63 Absatz 3c SGB V vorgesehenen Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeit auf entsprechend qualifizierte Pflegefachpersonen sei in den letzten zehn Jahren in keiner Weise umgesetzt worden. Es gebe sehr viele Pflegefachpersonen, die sich durch Expertenstandards eine große Expertise erworben hätten. „Wir halten die neue Regelung deshalb für sehr gut und hoffen, dass sie schnell auf den Weg kommt“, sagte Doering.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, verwies darauf, dass eine Delegation ärztlicher Tätigkeiten an Pflegekräfte bereits gang und gäbe sei. Bei einer Substitution müsse allerdings klar sein, wer berufsrechtlich die Verantwortung trägt.

Die ärztliche Geschäftsführerin der Bundesärztekammer (BÄK), Katrin Bräutigam, betonte, dass die BÄK einen interdisziplinären, multiprofessionellen Behandlungsansatz gerade in der Versorgung chronischer Erkrankungen für erforderlich halte. Es stelle sich jedoch die Frage, inwiefern die in den Änderungsanträgen vorgesehenen vier Jahre für die Modellvorhaben ausreichend seien.

Es müsse klargestellt werden, dass die Modellvorhaben wissenschaftlich evaluiert werden. Zudem betonte sie, dass es ärztliche Tätigkeiten gebe, die wegen ihrer Komplexität auch weiterhin alleine Ärzten vorbehalten sein müssten.

Lob für Übergangspflege im Krankenhaus

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, lobte die ebenfalls in den Änderungsanträgen vorgesehene Einführung einer Übergangspflege im Krankenhaus. „Die Krankenhäuser haben immer wieder das Problem, dass sie nach einer akutstationären Behandlungsphase im Krankenhaus keinen Platz für eine Kurzzeitpflege für die Patienten finden“, sagte Gaß.

„Zurecht wollen die Krankenkassen den Aufenthalt im Krankenhaus aber nach dem Abschluss der akutstationären Behandlungsphase nicht finanzieren. Bis zu zehn Tagen Übergangspflege im Krankenhaus zu ermöglichen, ist deshalb eine ganz wichtige Regelung.“

fos

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