Politik

Antibiotika­resistenzen: Bessere Hygiene und korrekte Diagnosen wichtig

  • Mittwoch, 19. Oktober 2022
/altitudevisual, stock.adobe.com
/altitudevisual, stock.adobe.com

Berlin – Antimikrobielle Resistenzen (AMR) bilden eine große Gefahr für die Menschen, darin waren sich Fach­leute gestern beim World Health Summit (Weltgesundheitsgipfel) einig. Rund acht Prozent aller Todesfälle weltweit seien aufgrund entsprechender Resistenzen zu erklären.

Dies zeigen Daten, die der Wissenschaftler Mohsen Naghavi von der University of Washington und vom Insti­tute for Health Metrics and Evaluation (Institut für Gesundheitsmetriken und -bewertung) präsentierte.

2019 starben demnach weltweit rund 56,5 Millionen Menschen. Etwa 13,7 Millionen Menschen sind an einer Sepsis und davon wiederum rund 8,8 Millionen an oder mit einer bakteriellen Erkrankung verstorben. Davon starben 4,95 Millionen Menschen im Zusammenhang mit AMR und 1,27 Millionen Menschen sind tatsächlich aufgrund einer antimikrobiellen Resistenz gestorben.

Zum Vergleich: Etwa 9,1 Millionen Menschen starben weltweit im gleichen Jahr aufgrund einer Herzerkran­kung. Diese Zahlen publizierte Naghavi im Januar dieses Jahres im Fachjournal The Lancet (2022; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)02724-0).

Die COVID-19-Pandemie habe das Problem einem aktuellen Glass-Report (Global Antimicrobial Resistance and Use Surveillance System) zufolge weiter verschärft, betonte Hanan Balkhy, Ärztin und stellvertretende Direktorin vom Bereich antimikrobielle Resistenz bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Dies sei mit den durch das Coronavirus verursachten Symptomen von Atemwegserkrankungen zu erklären, die häufig ohne richtige Diagnose etwa medikamentös behandelt werden. Das sei bereits ein bedeutender Treiber von AMR. Zudem scheinen demnach die Höhe der Fallzahlen von AMR in Ländern mit besseren Testmöglich­keiten ge­ringer zu sein, berichtete Balkhy. Und: Es gebe sehr hohe Resistenzraten bei Erregern, die Infektionen der Blutbahn verursachen.

Subsahara-Afrika, Kinder und ältere Menschen vor allem betroffen

Besonders von AMR betroffen seien vor allem Kinder, ältere Menschen und Personen in Ländern mit niedri­gem Einkommen, betonte der Wissenschaftler Naghavi.

Insbesondere in Subsahara-Afrika gebe es deutlich mehr Todesfälle aufgrund von AMR obwohl in Ländern mit hohen Einkommen mehr Antibiotika verwendet werden würde. Diese Verschiebung sei mit einem niedrigeren Hygienelevel und damit einer höheren Zahl an Infektionen zu erklären, so Naghavi. In vielen ärmeren Ländern gebe es zudem kein gutes Gesundheitssystem, dies verschärfe die Problemlage weiter.

Auch der ehemalige Gesundheitsminister von Nigeria, Christian Otu Onyebuchi Chukwu berichtete gestern, dass die Sterberate aufgrund von Antibiotika-Resistenzen in Subsahara-Afrika am höchsten sei und mehr Todesfälle als HIV oder Malaria verursache.

Sabiha Essack, Professorin für Pharmazie an der Universität KwaZulu-Natal in Südafrika, betonte, dass AMR keine leise Bedrohung, sondern eine klare, bereits präsente Gefahr bilde. Verschärft werde diese Krise durch den hohen Gebrauch von Antibiotika. Problematisch sei auch, dass Resistenzen in vielen eng miteinander ver­bundenen Sektoren etwa im Umwelt-, Nutztier-, Landwirtschafts- aber eben auch im humanmedizinischen Bereich ein Thema sei.

Mangelnde Hygiene bilde ebenfalls ein großes Problem, betonte auch Essack. Fehlende Möglichkeiten, um sich mit sauberem Wasser und Seife die Hände waschen zu können, stehe eng im Zusammenhang mit hohen Resistenzraten. Hiervon sei vor allem Subsahara-Afrika betroffen. Auf entsprechende Hygieneregeln hinzuwei­sen, auch wenn die COVID-19-Pandemie derzeit nicht mehr so drastisch wüte, sei deshalb eine weltweit wichtige Aufgabe der Institute für öffentliche Gesundheit (Public Health).

Korrekte Diagnosen lindern das Problem

Der Ärztin Balkhy zufolge sei es vor allem wichtig, korrekte Diagnosen stellen zu können. Diagnose- und La­bor­kapazitäten in besonders betroffenen Ländern zu erhöhen sei deshalb der erste Schritt, um AMR zu be­käm­pfen. Mit dieser verbesserten Datenlage könne im zweiten Schritt auch ein besserer Überblick über Resis­tenzen gegeben werden, so Balkhy. Hierfür brauche es weltweite repräsentative Daten.

Weiter werden globale mikrobakterielle Labornetzwerke benötigt, die AMR-Diagnosen unterstützen. Nationale Kliniknetzwerke müssten ebenfalls entsprechend stärker unterstützt werden, betonte die Medizinerin. Um eine bessere Übersicht zu gewinnen, müssten zudem Daten aus dem medizinischen Sektor besser mit dem Geschehen aus dem Tier- und Umweltbereich verknüpft werden, forderte Balkhy.

Auch Onyebuchi Chukwu bekräftigte, dass es für Nigeria eine Erleichterung im Kampf gegen AMR wäre, wenn die Diagnostik-Kapazitäten und damit der Ausbau von Laboren verbessert werden würde.

Für Naghavi besteht die Lösung des Problems insbesondere in der verstärkten Forschung und Nutzung von Impfstoffen. Behandlungen seien in diesem Falle nicht die Lösung, aber der Einsatz von Impfstoffen stelle eine günstigere und sicherere Alternative dar, so der Wissenschaftler.

cmk

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung