Vermischtes

Antibiotika­resistenzen fordern in Europa jährlich 35.000 Todesopfer

  • Donnerstag, 17. November 2022
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Berlin – Mehr als 35.000 Menschen sterben jedes Jahr in der Europäischen Union (EU) an antibiotikaresisten­ten Infektionen. Dies geht aus einem heute vorgelegten Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervor.

Die Schätzung basiert auf Daten der Jahre 2016 bis 2020 und zeigt einen Anstieg gegenüber früheren Zahlen. Die gesundheitlichen Auswirkungen der Antibiotikaresistenz (AMR) sind laut ECDC vergleichbar mit denen von Influenza, Tuberkulose und HIV/AIDS zusammen.

„Wir sehen einen besorgniserregenden Anstieg der Zahl der Todesfälle, die auf Infektionen mit antibiotikare­sisten­ten Bakterien zurückzuführen sind, insbesondere solche, die gegen antimikrobielle Mittel der letzten Wahl resistent sind“, sagte Andrea Ammon, ECDC-Direktorin, anlässlich des morgigen Europäischen Antibiotika­tages.

Angesichts der Entwicklung seien weitere Anstrengungen erforderlich, um den unnötigen Einsatz antimikro­bieller Mittel weiter zu reduzieren, die Praktiken zur Infektionsprävention und -kontrolle zu verbessern, Anti­microbial-Stewardship-Programme zu entwerfen und umzusetzen und eine angemessene mikrobiologische Kapazität auf nationaler Ebene sicherzustellen, betonte Ammon.

Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), bezeichnete Antibiotikaresistenzen als „eine der größten Gesundheitsgefahren unserer Zeit“. Alle bisherigen Aktionspläne auf europäischer Ebene hätten bisher eine weitere Ausbreitung nicht verhindern können. Die Bundesregierung solle sich deshalb noch intensiver dafür einsetzen, dass der falsche und unsachgemäße Einsatz von antimikrobiellen Mitteln endlich minimiert werde.

Durch Aufklärungskampagnen sei in Deutschland der Pro-Kopf-Verbrauch an Antibiotika in den vergangenen Jahren zwar gesenkt worden – in manchen anderen europäischen Ländern liege er aber mehr als doppelt so hoch. „Keime kennen keine Grenzen, deswegen ist europäisches und weltweites Handeln wichtig“, so Johna.

„Der europäische Antibiotikatag und die damit einhergehende Informationskampagne sollten in der Öffent­lich­keit eine breite Resonanz erfahren“, betonte die MB-Vorsitzende. Aufklärung und konsequente Einhaltung der Rezeptpflicht, die es aus guten Gründen gebe, müssten in ganz Europa gestärkt werden.

Zudem müsse auch in der Massentierhaltung eine verantwortungsbewusstere Verwendung antimikrobieller Arzneimittel Einzug halten. Ein „herber Rückschlag“ sei in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Eu­ropäischen Parlaments vom Juni dieses Jahres, den massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung nicht weiter einzuschränken.

„Wir müssen die Dinge im Sinne von One Health zusammendenken und eine kohärente Reduktionsstrategie entwickeln. Resistente Bakterien, die in der Massentierhaltung entstehen, werden früher oder später die Men­schen treffen. Wir brauchen Reserveantibiotika, die ausschließlich der Humanmedizin vorbehalten bleiben“, bekräftigte Johna.

Tim Eckmanns, Leiter der für Noso­komiale Infek­tionen sowie die Surveillance von Antibiotika­resistenz und -verbrauch zuständigen Fachabteilung am Robert-Koch-Institut (RKI), sprach von einer im Kampf gegen Resis­tenzen erforderlichen „Daueranstrengung“.

In Deutschland würden Antibiotika­resistenzen jährlich mindestens 2.500 Todesopfer fordern – er rechne trotz aller Bemühungen mit einem weiteren Anstieg. Dabei sei die Lage in Deutschland im internationalen Vergleich noch eher „günstig“: In anderen Ländern und Regionen seien die Probleme schon gravierender. Unbedingt notwendig sei deshalb eine globale Strategie.

aha

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