AOK-Bundesverband hält Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung bei Arzneimitteln für nötig

Berlin – Das System der Preisbildung für Arzneimittel muss mit Fokus auf Wirtschaftlichkeit weiterentwickelt werden. Dies forderte heute Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Im Rahmen der Vorstellung des Arzneimittel-Kompasses 2025 verwies sie darauf, dass im Jahr 2024 mit 59,3 Milliarden Euro ein neuer Höchststand bei den Arzneimittelausgaben erreicht worden ist.
Seit der Implementierung des AMNOG-Verfahrens 2011 hätten sich die Arzneimittelkosten für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) um gut 125 Prozent erhöht, so Reimann. Vergangenes Jahr habe der Anteil patentgeschützter Arzneimittel bei 54 Prozent der Gesamtkosten gelegen, obwohl ihr Anteil an verordneten Tagesdosen im gleichen Jahr nur sieben Prozent betragen habe. Aus Sicht des AOK-Bundesverbandes ein Zeichen für die Schwächung der ursprünglichen Systematik des AMNOG (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz).
„Wir sind in Deutschland in der glücklichen Lage, schnellen Zugang zu neuen Arzneimitteln zu erhalten. Damit dies aber auch in Zukunft möglich bleibt, brauchen wir wirksame und faire Maßnahmen der Preisregulierung. Dabei darf auch die blendend verdienende Pharmaindustrie nicht von allen Effizienzanstrengungen ausgenommen werden“, so Reimann.
Unter anderem sollten Medikamente mit unsicherer Evidenz und hohem medizinischem Bedarf nur noch in qualifizierten Zentren eingesetzt werden. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes regt zudem an, dass Pharmaunternehmen den Erstattungsbetrag für neue Arzneimittel in den ersten sechs Monaten nicht mehr frei wählen dürfen – stattdessen soll ein Interimspreis gelten. Eine Anhebung des Herstellerabschlags auf 16 Prozent sowie eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel könne zusätzliche Entlastung bringen.
„Das Ende der Fahnenstange ist dabei noch nicht erreicht“, sagte Helmut Schröder, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und Mitherausgeber des Arzneimittel-Kompass 2025, mit Blick auf die aktuellen Steigerungsraten bei den Arzneimittelausgaben.
Im ersten Halbjahr 2025 seien die Nettoarzneimittelausgaben wiederum um knapp fünf Prozent gestiegen und für das Gesamtjahr gehe man von einer Zunahme von mehr als fünf Prozent aus. Angesichts aktuell fehlender gesetzlicher Maßnahmen würden die Ausgaben auch 2026 um denselben Prozentsatz steigen.
Bei einer Weiterentwicklung des AMNOG-Verfahrens müssten neben dem Wert einer Arzneimitteltherapie auch die Kosten der pharmazeutischen Hersteller sowie mehr Transparenz zur öffentlichen Förderung von Forschungs- und Entwicklungskosten berücksichtigt werden, betonte Schröder.
Analysen würden zeigen, dass die Steuerungswirkung einer frühen Nutzenbewertung und nachgelagerten Preisverhandlung nach dem AMNOG-Verfahren durch „Umgehungsstrategien“ – wie die sogenannte Orphanisierung – der pharmazeutischen Unternehmen ausgehöhlt werde.
Dadurch komme es zunehmend zu einer Entkopplung zwischen Preis und therapeutischem Nutzen. „Wer faire Medikamentenpreise will, muss den Wert mit den Kosten zusammenbringen“, so Schröder. Zur Fairnessfrage gehöre zudem auch, dass künftig die Forschungs- und Entwicklungskosten (F&E) der Pharmaindustrie transparent gemacht werden.
Claudia Wild vom Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) kritisierte in diesem Zusammenhang, dass der aktuelle Mangel an Transparenz oft zu einer doppelten öffentlichen Finanzierung von Arzneimitteln führt.
„Derzeit macht sich die Pharmaindustrie das Fehlen einer standardisierten Berichterstattung über öffentliche F&E-Ausgaben zunutze, um den Mythos aufrechtzuerhalten, ganz allein Unsummen dafür auszugeben.“ Dabei reiche die Nutzung von öffentlichen Geldern von der Grundlagenforschung bis zur Generierung von Evidenz nach der Markteinführung – dies müsse transparenter dargestellt werden.
Darüber hinaus plädierte Wild für vertragliche Vorgaben für eine fairere Preisgestaltung: So könnte beispielsweise die Vergabe von öffentlicher Förderung künftig an die Bedingung geknüpft werden, die Anfangsinvestition beim Erreichen einer bestimmten Umsatzschwelle an die Öffentlichkeit zurückzuzahlen.
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