Politik

AOK-Institut kritisiert Ärzteverteilung in Deutschland

  • Dienstag, 19. Juli 2016
Uploaded: 24.10.2013 16:48:27 by mis
/dpa

Berlin – Die Verteilung der Ärzte in Deutschland kritisiert hat das Wissenschaftliche Ins­titut der AOK (WIdO). Dem sogenannten Ärzteatlas 2016 zufolge steht Deutschland bei der Arztdichte mit 4,1 praktizierenden Ärzten je 1.000 Einwohner international auf einem der Spitzenplätze. „Die Versorgungslage ist durch eine steigende Arztdichte, aber auch durch erhebliche Verteilungsprobleme gekennzeichnet. Die Überversorgung in einigen Regionen bindet Ressourcen, die anderswo fehlen“, sagte Helmut Schröder, stellver­tre­tender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) anlässlich der Veröffentlichung des Atlas.

Bezogen auf die Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) gebe es nirgendwo eine Unterdeckung, so Schröder. Insgesamt seien zum Beispiel 44 Prozent aller Pla­nungs­bereiche bei Hausärzten rechnerisch überversorgt. Es gebe also insgesamt mehr Hausärzte, als im Rahmen der Bedarfsplanung nötig wären. „Allerdings zeigen sich zum Teil enorme regionale Unterschiede: Einer Unterversorgung oder drohenden Unterver­sorgung in einigen Landstrichen steht eine deutliche Überversorgung insbesondere in Ballungsgebieten und für Ärzte in attraktiven Regionen gegenüber“, so Schröder.

Uploaded: 19.07.2016 14:31:18 by lode Quelle: http://www.wido.de/fileadmin/wido/downloads/pdf_pressemitteilungen/wido_amb_pm_aerzteatlas2016_160719.pdf
Arztdichte Deutschlands im internationalen Vergleich. /OECD Health Statistics 2015, WIdO

Deutliche Kritik an der WIdO-Analyse übte die Kassen­ärztliche Bundesvereinigung (KBV). Der Ärzteatlas be­rücksichtige wichtige Trends in der Versorgung nicht, zum Beispiel die Tendenz zur Teilzeit und die steigende Zahl angestellter Ärzte in der ambulanten Versorgung. Die WIdO-Zahlen lieferten daher ein falsches Bild, weil die Zahl der tatsächlich geleisteten Arztstunden sehr viel weniger gestiegen sei, als es die Ärzte- und Psycho­therapeutenzahlen auf den ersten Blick nahelegten, hieß es aus der KBV.

Aus der aktuellen Ärztestatistik der KBV geht hervor: Insgesamt nahmen im Jahr 2015 167.316 Ärzte und Psychotherapeuten an der vertragsärztlichen Ver­sor­gung teil. Davon waren 144.769 Ärzte und 22.547 psy­chologische Psychotherapeuten. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Gesamtzahl um 2.369 erhöht (1,4 Prozent). Wegen des anhaltenden Trends zu Anstellung und Teilzeit ist die Zahl der Arztstunden jedoch lediglich um 0,2 Prozent gestiegen.

„Ein weiteres Problem ist der Mangel an grundversorgenden Ärzten“, erläuterte KBV-Spre­cher Roland Stahl gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Die steigende Zahl der Ärzte und Psychotherapeuten gehe überwiegend auf das Konto hochspezialisierter Fachärzte und von Psychotherapeuten. „Grundversorgende Ärzte – allen voran Haus­ärzte – sind jedoch rar“, so Stahl.

Die Ärztestatistik der KBV zeigt: Der Rückgang der Hausärzte setzte sich 2015 mit minus 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr fort. Ihre Zahl sinkt damit auf 51.765. Das sind 1.170 Hausärzte weniger als noch 2009. Besonders stark war der Rückgang im Saarland (minus 1,9 Prozent verglichen mit 2014) und in Schleswig-Holstein (minus 1,7 Prozent).

Auch in einigen anderen Arztgruppen hat sich die Zahl der Mediziner verringert, etwa bei den Frauenärzten (minus 0,1 Prozent), Kinder- und Jugendärzten (minus 0,2 Prozent) und Nervenärzten (minus 0,8 Prozent).

Der Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dominik von Stillfried, erklärte im Hinblick auf die Ergebnisse des AOK-Instituts, Niedergelassene seien in Deutsch­land bei allen regionalen Unter­schieden gleichmäßig verteilt. In anderen Bereichen der Daseinsvorsorge bestünden „wesentlich größere Ungleichgewichte, insbe­sondere bei kommunalen Investitionen“.

Von Stillfried betonte zudem, dass Rufe nach einem Abbau eines angeblichen Arztüber­schusses ein völlig falsches Signal setzen. „Gemäß einer Analyse des Versorgungsatlas steigt der Versor­gungsbedarf aufgrund der demographischen Entwicklung gerade in den Ballungszentren in den nächsten fünf bis zehn Jahren an“, betonte er. Außerdem habe sich gezeigt, dass ein engmaschiges Netz an praktizierenden Ärzten die Versorgungs­qualität erhöhe und die Kosten im Gesundheitssystem signifikant senke.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, hielt dem AOK-Verband entgegen: „Hausärzte in Ballungsgebieten versorgen häufig auch Patien­ten aus den umliegenden ländlichen Regionen mit.“

hil/EB/dpa

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