Armutsrisiko von Kindern wächst

Wiesbaden – Trotz anhaltend guter Konjunktur ist das Armutsrisiko von Kindern in Deutschland auf einen Rekordstand gestiegen. Im vergangenen Jahr war davon bundesweit jeder fünfte Heranwachsende unter 18 Jahren (20,2 Prozent) bedroht, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden heute mitteilte.
Dies ist unter Berücksichtigung der Werte des Mikrozensus (Haushaltsbefragungen) der höchste Wert seit 2005. 2015 lag die Vergleichszahl bei 19,7 Prozent. Die Statistiker weisen jedoch darauf hin, dass die Zahlen für 2016 wegen der Umstellung bei der Ermittlung dieser Werte und der üblichen Schwankung beim Mikrozensus nur eingeschränkt mit den Vorjahresergebnissen vergleichbar seien.
Erwerbslose besonders betroffen
Haushalte gelten als von Armut bedroht, wenn sie weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Im früheren Bundesgebiet hatten im vergangenen Jahr 15 Prozent der Bevölkerung ein erhöhtes Armutsrisiko, in den neuen Ländern (einschließlich Berlin) waren dies 18,4 Prozent der Menschen.
Erwerbslose haben ein besonders hohes Armutsrisiko. Bundesweit galt dies im vergangenen Jahr für 56,9 Prozent dieser Haushalte. Das waren aber 2,1 Punkte weniger als 2015. In den neuen Bundesländern waren 66,9 Prozent armutsgefährdet, im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) waren es 52,9 Prozent.
Unter den Ländern war 2016 das Armutsrisiko – gemessen an der Armutsgefährdungsquote – in Baden-Württemberg (11,9 Prozent) und Bayern (12,1 Prozent) am geringsten. Das höchste Armutsrisiko gab es im Stadtstaat Bremen mit 22,6 Prozent, gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 21,4 Prozent und Mecklenburg-Vorpommern mit 20,4 Prozent.
Der Sozialverband VdK zeigte sich angesichts der Zahlen alarmiert. „Steigende Zusatzbeiträge in der Krankenversicherung, Kürzungsfaktoren und hohe Abschläge bei den Renten, ein wachsender Niedriglohnbereich, explodierende Wohnkosten und Sozialleistungen, die kaum zum Leben reichen – eine gerechte Politik sieht anders aus“, sagte der VdK-Vorsitzende aus Nordrhein-Westfalen, Horst Vöge.
Der VdK fordert ein Gesamtkonzept, um Armut erst gar nicht entstehen zu lassen und bestehende Armut wirksam zu bekämpfen. „Dazu gehört ein Zusammenwirken von Steuerpolitik, Bildungs-, Familien-, Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik sowie Gesundheitspolitik“, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher.
Zudem müssten viel mehr Menschen in Deutschland von der positiven Wirtschaftsentwicklung profitieren. Rentner mit geringem Einkommen, Arbeitslose, Alleinerziehende, Erwerbsgeminderte und Langzeitarbeitslose dürften nicht länger abgehängt werden. Wirkungsvoll Abhilfe könnte aus Sicht des Sozialverbands VdK eine sozial gerechte Steuerpolitik schaffen.
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