Politik

Immer mehr Berufstätige sind armutsgefährdet

  • Donnerstag, 6. Juli 2017
/slasnyi, stock.adobe.com
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Berlin – Immer mehr Menschen in Deutschland sind armutsgefährdet, obwohl sie arbeiten. Die Zahl der Berufstätigen, die unter die Schwelle der Armutsgefährdung fallen, habe sich zwischen 2004 und 2014 verdoppelt. Das berichtete die gewerk­schaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung heute. Damit sei die Erwerbsarmut in der Bundes­republik stärker gestiegen als in jedem anderen EU-Land.

Der Anteil der 18- bis 64-jährigen Erwerbstätigen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hatten und damit als armutsgefährdet gelten, lag 2004 noch bei 4,8 Prozent. Zehn Jahre darauf waren es laut Studie 9,6 Prozent. In absoluten Zahlen falle das Plus sogar noch deutlicher aus, hieß es. Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen stieg von 39,3 auf 42,6 Millionen – 2004 waren es knapp 1,9 Millionen arbeitende Armutsgefährdete, 2014 fast 4,1 Millionen.

Arme Arbeitnehmer in Deutschland /Böckler Impuls 12/2017
Arme Arbeitnehmer in Deutsch­land /Böckler Impuls 12/2017

„Offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen Beschäf­tigungswachstum und Armut komplizierter als gemeinhin angenommen“, stellen die Autoren der Studie fest. Das Beschäftigungswachstum in Deutschland beruhe zu einem großen Teil auf dem Anwachsen der Teilzeit­stellen, anderer atypischer Beschäftigungs­verhältnisse sowie des Niedriglohnsektors. Eine wichtige Rolle spielt den Angaben zufolge der Druck auf Arbeits­lose, angebo­te­ne Stellen anzunehmen.

Datengrundlagen der Böckler-Studie sind die neuesten verfügbaren Zahlen aus der Europäischen Gemein­schafts­statistik über Einkommen und Lebensbedin­gungen und eine OECD-Datenbank. Zwischen 2004 und 2014 sei es demnach nur in Polen gelungen, die Beschäftigung zu erhöhen und gleichzeitig die Erwerbsarmut zu senken.

In Österreich und der Tschechischen Republik gab es ähnlich wie in Deutschland einen Beschäftigungsanstieg, allerdings nur wenig mehr Armutsgefährdete. In den meisten Ländern war die Erwerbsarmut schon vor Beginn der Krise im Euroraum gestiegen. Im Zuge der Krise habe sich die Lage in etlichen Staaten noch verschärft, stellte die Hans-Böckler-Stiftung fest.

Der Linken-Chef Bernd Riexinger sagte, Deutschlands Jobwunder entpuppe sich beim näheren Hinsehen als „Armutsfanal“. Das sei ein Anschlag auf das Grundgesetz, das die Würde des Menschen für unantastbar erklärt. „Die Zahlen machen erneut deutlich, dass wir endlich eine Kehrtwende in der Arbeitsmarktpolitik brauchen“, sagte Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland. Denn aus Einkommens­armut werde später Altersarmut.

dpa

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