Arzneimittelpreise: Ärzte und Industrie sehen Gesetzgeber in der Verantwortung

Berlin – Nach dem gestrigen Urteil des Landessozialgerichtes (LSG) Berlin-Brandenburg zu Mischpreisen bei neuen Arzneimitteln haben Ärzte und Arzneimittelhersteller rechtliche Klarheit gefordert. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will das Urteil sorgfältig prüfen, sagte eine Sprecherin dem Deutschen Ärzteblatt. Darüber hinaus wollte sich das Ministerium nicht äußern.
Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist der Gesetzgeber nun gefordert, den Umgang mit den Mischpreisen zu klären. Das Signal der Richter sei klar, sagte KBV-Sprecher Roland Stahl. „Wir müssen unbedingt verhindern, dass Patienten keine Medikamente mehr erhalten, die sie benötigen und die auch medizinisch sinnvoll sind und das nur aus dem Grund, weil es für sie keinen festgestellten Zusatznutzen gibt“, sagte er.
Hintergrund ist, dass einige Arzneimittel, die im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Nutzenbewertung durchlaufen, für verschiedene Patientengruppen unterschiedlich bewertet werden. Einen Zusatznutzen im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie sieht der G-BA dann gegebenenfalls nicht für alle Patientengruppen, sondern nur für einige.
Gericht hat Mischpreisbildung angezweifelt
Die Festlegung eines Erstattungsbetrages begegnet dann der Schwierigkeit, einen einheitlichen Preis für Arzneimittel zu bilden, die für einen Teil der Patientengruppen einen Zusatznutzen aufweisen, für einen anderen Teil aber nicht. Bislang einigten sich Hersteller und Krankenkassen dann auf einen Mischpreis. Die Rechtmäßigkeit dieser Mischpreise hat das Gericht jetzt angezweifelt und eine entsprechende Entscheidung für zwei Präparate aufgehoben.
„Bisher funktioniert der Mischpreis in der Praxis gut, unterstützt die Therapiefreiheit der Ärzte und sorgt für eine sichere Versorgung der Patienten“, sagte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Sie kritisierte, „Gesetze, die nicht präzise sind, gefährden die Patientenversorgung“. Deshalb müsse jetzt der Gesetzgeber Rechtssicherheit schaffen. Sie warnte, in Deutschland wären allein 46 Medikamente und 8,4 Millionen Patienten betroffen, wenn Mischpreisen die Rechtsgrundlage entzogen würde.
Der vfa wies in diesem Zusammenhang daraufhin, dass Medikamente ohne belegten Zusatznutzen wichtig für die Therapie seien. „Gerade solche – gleich guten – Medikamente sind oft in den Leitlinien der Fachgesellschaften als wichtige Therapiealternativen vorgesehen, etwa wenn Medikamentenunverträglichkeiten auftreten oder wenn andere Medikamente bei Patienten unwirksam sind“, hieß es aus dem Verband.
„Das Urteil trägt zu einer erheblichen Verunsicherung bei allen Beteiligten bei. Es besteht die Gefahr, dass Ärzte innovative Arzneimittel aus Angst vor Regressen nicht mehr verordnen“, warnte auch Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Er forderte, der Gesetzgeber sollte nicht warten, bis möglicherweise das Bundessozialgericht (BSG) eine Entscheidung treffe, sondern in der neuen Legislaturperiode eine Lösung anstreben.
Zufrieden mit dem Urteil zeigte sich der AOK Bundesverband. „Das aktuelle Urteil gegen den Schiedsspruch zur Mischpreiskalkulation ist ein klares Zeichen an Pharmafirmen und Ärzte. Es gibt keinen Freibrief für neue Arzneimittel“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, das Urteil. Auch wenn die Präparate einen Zusatznutzen in Teilbereichen hätten, seien sie nicht generell wirtschaftlich. „Das entscheidet sich erst bei der konkreten Verordnung“, so Litsch.
Hintergrund dieser Haltung ist, dass die Kassen differenzierte Preise für ein Arzneimittel für unterschiedliche Patientengruppen anstreben. Für Patientengruppen, für die der Hersteller keinen Zusatznutzen seines Präparates nachweisen konnte, soll ein Basispreis ähnlich der Vergleichstherapie verhandelt werden. Für Gruppen, für die das Präparat einen Zusatznutzen aufweist, sollen Aufschläge gelten.
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