Ausland

Assistenzärzte in England beginnen Streik

  • Mittwoch, 3. Januar 2024
/picture alliance, empics, Owen Humphreys
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London – Krankenhausärzte in England haben den längsten zusammenhängenden Streik in der 70-jährigen Geschichte des britischen Gesundheitsdienstes NHS begonnen. Die Assistenzärzte legten ab heute Morgen für sechs Tage ihre Arbeit nieder. Vor einem Krankenhaus in London hielten streikende Mediziner Schilder hoch, auf denen sie etwa eine bessere Finanzierung des NHS forderten.

„Viele Ärzte ziehen nach Australien, nicht nur wegen der Bezahlung, sondern auch, weil die Work-Life-Balance besser ist“, sagte die 28-jährige Ärztin Georgia Blackwell. „Andere Länder verstehen, dass Ärzte hier nicht an­ge­messen bezahlt werden und sie machen viel bessere Angebote“, sagte der Medizinstudent Shivani Ganesh.

Es ist der zweite Streik innerhalb von zwei Wochen in der seit Monaten anhaltenden Tarifauseinandersetzung. Der Arbeitskampf fällt in eine der arbeitsreichsten Zeiten des Jahres.

Traditionell verzeichnet die NHS in den zwei Wochen nach Weihnachten einen Anstieg von Einlieferungen in Krankenhäuser, da die Menschen ihre Behandlung wegen der Festtage aufschieben. Zudem ist der Arbeits­druck wegen winterlicher Atemwegserkrankungen hoch.

Der Streik werde „erhebliche Auswirkungen auf fast alle Routinebehandlungen“ haben, erklärte der NHS. Bis zur Hälfte des medizinischen Personals könnte in den Arbeitsausstand treten. Der medizinische Direktor des NHS, Stephen Powis, rechnet mit „einem der schwierigsten Jahresanfänge“ in der Geschichte des Gesund­heits­diensts.

Gesundheitsministerin Victoria Atkins warnte vor den „ernsthaften“ Auswirkungen, die der Streik auf die Pa­tienten habe. Mehr als 1,2 Millionen Termine hätten seit dem Start des Arbeitskampfes verschoben werden müssen, gab sie an.

Im vergangenen Monat seien es 88.000 Termine gewesen. „Ich fordere den Assistenzarztausschuss der BMA dazu auf, ihren Streik abzusagen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren, so dass wir eine faire und vernünftige Lösung finden können, um die Streiks ein für allemal zu beenden“, erklärte Atkins.

Die Ärztegewerkschaft British Medical Association (BMA) hatte den Streik Anfang Dezember angekündigt. In den Verhandlungen war der BMA zufolge zusätzlich zu einer bereits im Sommer vereinbarten durchschnittli­chen Gehaltserhöhung um 8,8 Prozent eine Steigerung der Löhne um drei Prozent angeboten worden.

Diese hatten das Angebot mit dem Verweis auf eine ungleichmäßige Verteilung auf die verschiedenen Arzt­gruppen abgelehnt und argumentiert, dass das Angebot „für viele Ärzte immer noch eine Gehaltskürzung bedeuten würden“.

Gewerkschaftsvertreter Robert Laurenson sagte, dass Streiks das einzige seien, worauf die britische Regierung reagiere. Er warnte, dass es weitere Aktionen geben könne, wenn London kein „glaubwürdiges“ An­gebot vorlege.

Assistenzärzte in England verdienen nach Angaben der Regierung in ihrem ersten Berufsjahr etwa 32.000 Pfund (etwa 37.000 Euro). Der BMA zufolge sind die Gehälter seit 2008 unter Berücksich­ti­gung der Inflation um fast ein Viertel gesunken. Die Inflation in Großbritannien fiel in den vergangenen zwei Jahren noch höher aus als in vielen anderen westlichen Staaten.

In England hatte es im vergangenen Jahr bereits mehrere Streiks im Gesundheitswesen gegeben, die zu ver­zögerten Behandlungen und abgesagten Terminen für hunderttausende Patienten geführt hatten.

Zuletzt hatten die Assistenzärzte vor Weihnachten für drei Tage die Arbeit niedergelegt. Der jahrelang unter­finanzierte NHS hat nach der Coronapandemie ohnehin einen gigantischen Rückstand aufzuarbeiten.

Die Gesundheitspolitik in Schottland, Wales und Nordirland ist Sache der dortigen Regierungen, die britische Regierung in London ist nur für England zuständig.

afp

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