Baerbock mahnt mehr Möglichkeiten für Hilfslieferungen nach Gaza an

Jerusalem – Drei Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs hat Außenministerin Annalena Baerbock Israel angesichts des Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen aufgerufen, zielgenauer vorzugehen und mehr humanitäre Hilfe zu ermöglichen.
„Das Leid so vieler unschuldiger Beteiligter kann so nicht weitergehen. Wir brauchen eine weniger intensive Operationsführung“, verlangte die Grünen-Politikerin gestern Abend nach Gesprächen mit Israels Präsident Izchak Herzog und dem neuen Außenminister Israel Katz in Jerusalem.
Zugleich forderte sie von Israel, die Abwicklung von Hilfslieferungen in den Gazastreifen praktikabler zu machen. Baerbock kritisierte, es kämen viel zu wenige Hilfsgüter in den Gazastreifen durch. Ein wichtiger Anfang sei, dass neben dem Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza von Israel auch der Übergang Kerem Schalom für Hilfslieferungen geöffnet worden sei.
„Aber so, wie diese Grenzübergänge derzeit funktionieren, sind sie ein Flaschenhals. Das kann so nicht bleiben.“ Es müssten weitere Wege für humanitäre Hilfslieferungen gefunden werden.
Die Bundesaußenministerin sagte auch, sie habe die tiefe Sorge über die Gewalt und Vertreibung von Menschen im Westjordanland durch radikale jüdische Siedler unterstrichen. „Diese Gewalt hat seit dem 7. Oktober drastisch zugenommen. Diese Gewalt muss enden.“
Auch hier stehe die israelische Armee in der Pflicht, Palästinenserinnen und Palästinenser zu schützen. Der illegale Siedlungsbau „stellt ein erhebliches Hindernis für dauerhaften Frieden in der Region dar“.
Eine Zweistaatenlösung sei „die einzige Chance, damit Israelis und Palästinenser Seite an Seite in Frieden leben können. Jetzt ist der Moment, diesen Kurs einzuschlagen.“ Heute will sich Baerbock in einer palästinensischen Siedlung im Westjordanland selbst ein Bild der Lage der Menschen dort machen.
Die Versorgung mit Essen für Hunderttausende Menschen im Gazastreifen hat sich nach Worten von US-Außenminister Antony Blinken verschlechtert. Die Ernährungslage sei für Männer, Frauen und Kinder „sehr schwierig“, sagte Blinken gestern in Amman nach Besuch eines Lagerhauses des Welternährungsprogramms (WFP).
Ein Großteil des gelieferten Essens sei fertig zum Verzehr, weil die Menschen dieses unter aktuellen Bedingungen kaum oder gar nicht zubereiten könnten. „Dies ist der einzige Weg, um den Menschen das zu geben, was sie jetzt brauchen“, sagte Blinken.
Auch Blinken ist auf einer Nahost-Reise, um mit mehreren Ländern in der Region über eine Deeskalation in dem Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas zu sprechen und eine Ausweitung des Konflikts abzuwenden. Gestern und in den kommenden Tagen wollte er auch Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien sowie Israel, das Westjordanland und Ägypten besuchen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beklagte unterdessen, dass seit zwölf Tagen nicht mehr in den Norden des Gazastreifens gelangt. Eine geplante Mission zum Krankenhaus Al-Awda sei zum vierten Mal abgesagt worden, weil die Sicherheit nicht gewährleistet gewesen sei. Das schrieb die WHO in der Nacht zu heute auf der Plattform X (vormals Twitter) mit.
Schwere Bombardierungen, nur eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten und unterbrochene Kommunikation hätten es „nahezu unmöglich“ gemacht, medizinische Hilfsgüter in den isolierten Küstenstreifen und vor allem in dessen Norden zu liefern. Die Krankenhäuser seien ernsthaft unterbesetzt, weil das medizinische Personal nach den Evakuierungsaufrufen geflohen sei, sagte die UN-Organisation.
Auslöser des Gaza-Kriegs war die beispiellose Terrorattacke der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Palästinensergruppen am 7. Oktober. Bei dem Überfall wurden nach israelischen Angaben rund 1.200 Menschen getötet und etwa 240 Menschen in den Gazastreifen entführt.
Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden im Gazastreifen seit Kriegsbeginn mehr als 22.800 Menschen getötet und mehr als 58.000 verletzt.
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