Bevorzugte Organvergabe für Spender?

Berlin – In der Diskussion um die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) avisierte Widerspruchslösung bei Organspenden hat der CDU-Politiker Michael Brand als Alternative eine bevorzugte Vergabe an die Bereitschaft zur Spende angeregt. Er halte eine solche Regelung für „sehr überlegenswert“, sagte er dem Tagesspiegel. Zugleich betonte Brand, es sei „keineswegs ausgemacht“, dass eine Widerspruchslösung mehr Organspenden bringe. Brand befürchtete, der forsche Ton könne auch „Menschen verschrecken, die man anders vielleicht gewinnen könnte“.
Der CDU-Gesundheitsexperte im Bundestag, Michael Hennrich, sagte den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung, er schlage vor, Spendern bei der Aufstellung der Wartelisten für die Organspende „in begrenzten Umfang Bonuspunkte zu geben, die dann dazu führen, dass sie schneller ein Organ erhalten“.
Spahn hatte sich zuvor für neue Regeln stark gemacht, damit mehr Menschen Organe spenden. Demnach soll automatisch jeder als Spender gelten – solange man selbst oder ein Angehöriger nicht widerspricht. In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Donnerstag) spricht er sich zudem für eine Debatte zum Thema im Bundestag aus. Dabei dürfe es keinen Fraktionszwang geben. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) erwartet ebenfalls ethische Debatten im Bundestag über den Umgang mit Organspenden und darüber hinaus auch Bluttests auf Behinderungen.
Kauder sagte der Rheinischen Post, dass es sich bei dem Thema Organspende „um eine klassische Gewissensentscheidung“ handele. Er rechne mit einer Initiative von Abgeordneten quer durch die Fraktionen zur Einführung einer Widerspruchslösung. Diese würde einen gravierenden Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Spender bedeuten. Es sei wichtig zu klären, ob auf Basis der erst vor wenigen Jahren verabschiedeten und von ihm unterstützten Entscheidungslösung alle Möglichkeiten ausgeschöpft würden, die Zahl der Organspenden zu steigern.
Spahns Vorstoß ist innerhalb der Union sehr umstritten. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), kritisierte den Minister. Dessen Maßnahmenpaket für bessere Strukturen und Zusammenarbeit bei der Organspende könne starke Wirkung entfalten, sagte sie der Zeitung. Es sei „jammerschade“, dass nun alles von der Debatte über einen Systemwechsel überlagert werde.
Kauder kündigte in der Rheinischen Post zudem an, bald auch über Bluttests für Schwangere zu sprechen, mit denen etwa das Downsyndrom beim ungeborenen Kind festgestellt werden kann. „Konkret steht die Frage an, ob diese Diagnosemöglichkeit von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden sollte.“ Weitere ähnliche Tests zur Erkennung von Erbkrankheiten seien in Vorbereitung.
„Auch diese Tests werfen erhebliche ethische Fragen auf, bis hin zur Frage, wie die Gesellschaft zu Leben mit Behinderung steht. Das alles muss unbedingt durchleuchtet werden.“ Er habe noch keine abschließende Meinung dazu, sagte Kauder. „Wir müssen unter anderem intensiv darüber sprechen, wie die Information der Eltern verbessert werden kann, die sich für einen solchen Test entscheiden wollen.“
Unterdessen zeigt eine Umfrage zur Widerspruchslösung, dass auch die Bundesbürger gespalten sind. Wie eine eine Umfrage des Instituts YouGov ergab, befürworten 46 Prozent der Befragten „eher“ oder „voll und ganz“ eine Neuregelung. „Eher“ oder „voll und ganz“ dagegen sind demnach 38 Prozent. In einer Umfrage des Instituts Civey für die Welt sprachen sich 52 Prozent der Deutschen für solche neuen Regeln aus, dagegen waren demnach 42 Prozent.
In Deutschland warten laut Ministerium mehr als 10.000 Menschen auf Spenderorgane. Die Zahl der Spender erreichte laut Deutscher Stiftung Organtransplantation 2017 einen Tiefpunkt von 797.
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