Politik

Bewertungsportal Jameda muss Daten klagender Ärztin löschen

  • Dienstag, 20. Februar 2018
richter-urteil-jameda_dpa 20.02.2018, Baden-Württemberg, Karlsruhe: Der sechste Zivilsenat beim Bundesgerichtshof (BGH), v.l. Christiane Oehler, Wolfgang Wellner, Gregor Galke (Vorsitz), Vera von Pentz und Oliver Klein, verkündet das Urteil zur Klage einer Ärztin, aus dem Ärzte-Bewertungsportal Jameda gelöscht zu werden. Sie sieht ihr Persönlichkeitsrecht verletzt und fühlt sich außerdem durch das Geschäftsmodell von Jameda benachteiligt. Die Revision hatte Erfolg. Der Senat hat der Klage stattgegeben.
/dpa

Karlsruhe – Das Ärztebewertungsportal Jameda muss die Daten einer Dermatologin aus Köln komplett aus seinem Verzeichnis löschen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) heute in Karlsruhe (Az.: VI ZR 30/17). Jameda habe die für Bewertungsportale gebotene Neutralität verlassen, weil es durch sein Geschäftsmodell die Mediziner begünstige, die sich dort Werbeplatz kaufen, urteilte das Gericht.

Ein grundsätzlicher Anspruch, aus solchen Portalen entfernt zu werden, besteht laut BGH allerdings weiterhin nicht. An der Grundsatzentscheidung dazu aus dem Jahr 2014 werde ausdrücklich festgehalten, betonte der Vorsitzende Richter Gregor Galke – „solange sich ein Bewertungsportal wie ein neutraler Informationsvermittler verhält“.

Urteil fußt auf Werbestrategie von Jameda

Das sei hier aber gänzlich anders gewesen: Die auf dem Portal gegen Geld werbenden Ärzte hätten gegenüber der Klägerin und anderen nicht zahlenden Medizinern verdeckte Vorteile gehabt. Daher überwiege in diesem Fall das Grundrecht der Frau auf informationelle Selbstbestimmung das Recht von Jameda und Internetnutzern auf Meinungs- und Medienfreiheit.

„Wir freuen uns, dass mit der Schutzgelderpressung seitens Jameda nun endlich Schluss ist“, sagte dazu die Anwältin der Medizinerin, Anja Wilkat. Die Betreiber des Portals müssen nun ihre Anzeigenprodukte gemäß der BGH-Vorgaben anpassen und für Gleichbehandlung zwischen zahlenden und nicht zahlenden Ärzten sorgen.

Die Kölner Ärztin war gegen ihren Willen auf Jameda geführt worden und musste auf ihrem Profil dort, als sogenannte Nichtzahlerin, Einblendungen der örtlichen Konkurrenz dulden. Die Ärzte hingegen, die als Premiumkunde von Jameda sich gegen Geld ausführlich und mit Foto dort präsentieren, waren bislang vor Werbung von Wettbewerbern auf ihrem Profil geschützt. Dieser Form der Zwei-Klassen-Behandlung erteilte der BGH nun eine deutliche Absage. Auch andere Bewertungsportale müssen nun ihre Geschäftspraxis überdenken.

Das Portal reagierte prompt und entfernte die beanstandeten Einblendungen. „Nach den uns derzeit vorliegenden Informationen der Bundesrichter besteht kein weiterer Handlungsbedarf“, sagte eine Jameda-Sprecherin. Jameda-Geschäftsführer Florian Weiß gab sich nach dem Richterspruch enttäuscht, aber gelassen. Der Löschanspruch nicht zahlender Ärzte bestehe nur solange, bis das Unternehmen seine Werbeanzeigen umgestaltet habe. „Wir erwarten keine Austrittswelle von Medizinern.“ Die geforderte Umgestaltung der Werbeangebote sei „keine große wirtschaftliche Fragestellung“.

„Das Urteil macht deutlich, dass die Meinungsfreiheit nicht jedes Geschäftsmodell rechtfertigen kann“, sagte dazu Paetrick Sakowski, Experte für Wettbewerbsrecht. Kritische Bewertungen müssten sich Ärzte, Lehrer und Anwälte zwar weiterhin gefallen lassen – „der kommerziellen Verwendung ihrer Daten wurde durch das Urteil des BGH aber eine entscheidende Grenze gesetzt“. Der Erfolg der Ärztin könnte aber nur ein Pyrrhussieg sein, meint der Mannheimer Datenschutzexperten Steffen Henn. Sobald Jameda und andere Portale entsprechend reagiert haben, müsste es auch die Kölner Ärztin wieder dulden, dort geführt zu werden.

Der Neutralität verpflichtet

Der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte, Dirk Heinrich, sieht in dem Urteil eine Stärkung der Persönlichkeitsrechte von Ärzten. Der BGH weise sehr deutlich darauf hin, dass Internetportale und insbesondere Arztbewertungsseiten der Neutralität verpflichtet seien. Wenn zahlende Ärzte andere Mediziner, die nicht zahlen wollen, aus der Listung verdrängten, sei das Bewertungsportal weder objektiv noch für Patienten hilfreich. „Schließlich gehen die Nutzer von Jameda davon aus, dass das Ranking ausschließlich durch subjektive Patientenbewertungen zustande kommt und nicht durch bezahlte Services zensiert wird“, erklärte Heinrich.

„Internetbewertungsportale sollen Patienten Orientierung in unserem Gesundheits­wesen bieten und sie nicht durch intransparente Werbeangebote verwirren“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Frank Ulrich Montgomery. Es sei gut und richtig, dass der Bundesgerichtshof Klarheit geschaffen und den Portalbetreibern mit solchen Geschäftsmodellen ihre Stellung als „neutraler Informationsmittler“ abgesprochen habe. Aus Sicht von Montgomery kann es nicht sein, „dass derlei Angebote zum Zwecke der Gewinnmaximierung Patienten verzerrt informieren und Ärztinnen und Ärzte keinerlei Möglichkeit haben, ihre Daten und Einträge löschen zu lassen“.

Stärkung des Arzt-Patienten-Verhältnisses

Das Urteil trägt laut BÄK dazu bei, das Arzt-Patienten-Verhältnis zu schützen. Und es verdeutliche, dass Nutzer bei Internetangeboten genau hinsehen müssten. „Noch besser wäre es, wenn Ärztinnen und Ärzten generell und für alle Portale zugebilligt werden würde, dass sie der Nutzung ihrer Daten aktiv zustimmen müssen. Hier muss der Gesetzgeber nachbessern“, fordert Montgomery. Er mahnt, die kommerziellen Portalbetreiber sollten nun ihre Geschäftsmodelle überdenken.

Die BÄK wies zudem darauf hin, dass das Ärztliche Zentrum für Qualität, eine gemeinsame Einrichtung von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundes­vereinigung, eigens einen Anforderungskatalog für Arztbewertungsportale erstellt hat. Zu den Kriterien gehört unter anderem die Frage, ob Werbung und Information im Angebot voneinander abgegrenzt sind. Käufliche Premiumprofile sind demnach eindeutig als Werbung anzusehen.

Aufgeführt wird darin auch, dass zwischen einzelnen Arztbewertungen beziehungs­weise Erfahrungsberichten zu Arztbesuchen keine Anzeigen geschaltet sein sollten. Nur wenn diese und weitere Kriterien erfüllt sind, können Bewertungsportale zu mehr Orientierung in unserem Gesundheitswesen beitragen. Andernfalls schaden sie mehr, als das sie nützen.

dpa/afp/may

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