Politik

Umfangreiche Notdienstreform mit Grundgesetzänderung geplant

  • Dienstag, 18. Dezember 2018
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Berlin – Wenn sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur sektorübergreifenden Versorgung am morgigen Mittwoch zum zweiten und letzten Mal in diesem Jahr trifft, haben die Länderministerinnen und -minister einen neuen Gesetzesvorschlag aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf dem Tisch.

Bei den Eckpunkten zur Reform der Notfallversorgung, die der Minister heute in Berlin vorlegte, soll der Notdienst in seiner jetzigen Form neu organisiert werden. Dabei sollen bisherige Doppelstrukturen abgebaut werden und der Rettungsdienst sowie die stationären Notfalleinrichtungen entlastet werden. Dabei erwartet der Minister, dass der Gesetzgebungsprozess in den ersten vier Monaten des Jahres 2019 starten kann und die Reform zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt.

Dafür sollen drei Bereiche reformiert werden: Zum einen soll es künftig gemeinsame Notfallleitstellen geben. Dabei werden die Anrufer auf der 112 sowie der 116117 in einer gemeinsamen Leitstelle landen. Mit einer Triage am Telefon sollen die Patienten dann in die notwendige Versorgungsebene geleitet werden. Um die künftige Organi­sation der Leitstellen bundeseinheitlich zu regeln, muss es eine Grundgesetz­änderung geben. Bisher hat der Bund in diesem Bereich keine Gesetzgebungskompetenz.

Integrierte Notfallzentren sollen Portalpraxen ersetzen

Als zweiten Reformschritt sollen künftig Integrierte Notfallzentren (INZ) die aktuellen Portalpraxen ablösen. Mit dem geplanten Gesetz sollen Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenhäuser den Auftrag erhalten, im Rahmen einer neuen Notfallversorgungs­planung die INZ zu betreiben.

Anders als bei den bisherigen Portalpraxen gibt es künftig eine Verpflichtung, ein INZ einzurichten. Dabei sollen die neuen Zentren als Anlaufstelle für „gehfähige Notfallpatienten“ und zugewiesene Patienten sowie vom Rettungsdienst gebrachte Patienten dienen. Die INZ sollen eine zentrale Anlaufstelle haben, die gemeinsam mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst der KV und der Notaufnahme des Krankenhauses agieren soll. Auch hier wird eine Triage vorgenommen und entschieden, in welche Versorgungsebene ein Patient gehen soll.

Laut dem Eckpunktepapier soll es auch eine „Steuerung des Patientenzutritts in stationäre Notfalleinrichtungen durch geeignete Instrumente“ geben. Eine Strafgebühr oder eine andere Art von finanzieller Steuerung lehnt Spahn aber klar ab.

Neue Vergütung vorgesehen

Bei der Vergütung der Notfallversorgung sollen die Krankenkassen, die KVen und die Landeskrankenhausgesellschaft entsprechende Verträge abschließen. Dabei soll sich die Vergütung orts- und betriebsunabhängig gestalten und aus einer Grundpauschale sowie einer Vergütung pro Fall zusammensetzen. Die Vergütung erfolgt dabei extrabudgetär, refinanziert aus den bisherigen Budgets der Notfallversorgung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst und den Krankenhäusern.

Für den dritten Reformschritt benötigt Spahn ebenfalls eine Änderung des Grund­gesetzes: Demnach soll der Rettungsdienst künftig ein eigenständiger medizinischer Leistungsbereich im Sozialgesetzbuch V werden. Künftig sollen Krankenkassen auch dann die Kosten für den Rettungsdiensteinsatz übernehmen, wenn es keinen Transport ins Krankenhaus gibt. Damit sollen unnötige Klinikeinweisungen vermieden werden.

Rettungsdienst wird neu aufgesetzt

Bei der Finanzierung des Rettungsdienstes soll es deutlichere Abgrenzungen zwischen der Verantwortung der Krankenkassen und der Verantwortung der Länder für die Vorhalte- und Investitionskosten der Infrastruktur für den Rettungsdienst geben. Dabei werden die Krankenkassen darin gestärkt, auf Landesebene bei der Planung und Ausgestaltung des Rettungsdienstes Einfluss zu nehmen.

Die strukturelle und inhaltliche Vorarbeit für dieses Eckpunktepapier stammt aus dem Gutachten des Sachverständigenrates (SVR), das das beim BMG angesiedelte wissenschaftliche Beratungsgremium in diesem Sommer vorgestellt hat. Darin wird ausführlich beschrieben, wie Integrierte Leitstellen (ILS) und Integrierte Notfallzentren (INZ) zusammenarbeiten könnten. Auch die Vergütung aus einem extrabudgetären Topf wird in dem Gutachten bereits beschrieben.

In ersten Reaktionen äußerten sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) zurückhaltend zu den Plänen. „Entscheidend wird letztendlich sein, wie die Gesetzesformulierungen aussehen“, erklärte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen.

„Kritisch sehe ich, dass die Integrierten Notfallzentren an von den Bundesländern festgelegten Krankenhausstandorten eingerichtet werden sollen. Da die Länder nicht zahlen müssen, werden sie wohl großzügig Standorte ausweisen. Zahlen müssen ausschließlich die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen“, so Gassen weiter. Er befürchtet damit einen „formvollendeten“ neuen Sektor.

Die DKG begrüßt, dass aus dem BMG Reform-Eckpunkte vorgelegt wurden. Eine Reform müsse die aktuellen Probleme und die personellen und finanziellen Belastungen der Krankenhäuser im Blick haben. „Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir Anfang 2019 eine Reform in diesem Bereich bekommen. Jedes Jahr suchen rund elf Millionen Menschen die Ambulanzen der Krankenhäuser auf, um Hilfe zu erhalten. Hilfe, die sie im niedergelassenen Bereich offensichtlich nicht erhalten“, erklärte DKG-Präsident Gerald Gaß in einem Statement.

Bei der Reform wirbt er dafür, dass die organisatorische Verantwortung bei den Krankenhäusern bleiben müsse. „Grundsätzlich muss gelten, dass jedes Krankenhaus, das die Voraussetzungen erfüllt, ambulante Notfallleistungen erbringen können muss“, so Gaß weiter. Allerdings sei die Vorstellung, dass Vergütungsanteile für ambulante Leistungen aus den stationären Vergütungsmitteln ausgegliedert werden können, „völlig inakzeptabel und rechtssystematisch falsch.“

bee

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