Politik

Boostern: Nordrhein-Westfalen rudert bei Impfabständen zurück

  • Mittwoch, 15. Dezember 2021
/picture alliance, PA Wire, Gareth Fuller
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Düsseldorf – Nach massiver Kritik schränkt die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen (NRW) die Mög­lichkeit von Boosterimpfung nur vier Wochen nach der zweiten Impfung in einem neuen Erlass wieder stark ein.

Bei den Auffrischimpfungen in kommunalen Impfzentren ist nun ein Mindestabstand von vier Mona­ten zur Coronagrundimmunisierung erforderlich. Das hat die Landesregierung in einem neuen Erlass für Impfangebote der Kreise und kreisfreien Städte festgeschrieben.

Im Rahmen der Impfangebote der Kreise und kreisfreien Städte werden demnach Auffrischimpfungen für Personen angeboten werden, bei denen die Grundimmunisierung fünf Monate zurückliege.

„Personen, bei denen die Grundimmunisierung weniger als fünf Monate zurückliegt, sind jedoch nicht zu­rückzuweisen und ebenfalls zu impfen – sofern ein Mindestabstand von vier Monaten erreicht ist“, heißt es im Erlass des Gesundheitsministeriums.

Eine Impfung nach frühestens vier Wochen nach der zweiten Impfstoffdosis sei ausschließlich „für im­mun­defiziente Personen mit einer erwartbar stark verminderten Impfantwort als Optimierung der primä­ren Impfserie zu ermöglichen“, heißt es im Erlass weiter.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte noch gestern bekräftigt, dass Boosterimpfungen in NRW grundsätzlich nach vier Wochen möglich seien. Dies sei zwar nicht als Empfehlung zu verstehen, betonte Wüst. Wer allerdings frühestens vier Wochen nach der Zweitimpfung zum Boostern komme, werde auch nicht weggeschickt.

Experten hatten diesen Alleingang des bevölkerungsreichsten Bundeslandes kritisiert. Auch die Kassen­ärztlichen Vereinigungen teilte die Ansicht nicht. Auch im Landtag sorgte die Ankündigungen der Lan­des­regierung bereits für heftige Kritik.

Der Oppositionsführer im Landtag, SPD-Landtagsfraktionsvorsitzender Thomas Kutschaty, kritisierte die Vier-Wochen-Regelung in NRW zur Boosterimpfung als ein „kommunikatives Desaster“. Man werde einen „Run auf Impfeinrichtungen und Ärzte haben“, warnte Kutschaty, der auch SPD-Landeschef ist. Er fürchte „Vordrängler“ und „Ellebogen“. Außerdem sei es nicht angebracht, sich nach vier Wochen boostern zu lassen – wenn es nicht medizinisch notwendig sei.

Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie hatte kritisiert, vier Wochen nach der Zweitimpfung seien bestimmte immunologische Prozesse noch nicht abgeschlossen. Der Booster wirke dann viel schlechter.
„Die Politik hat hier zwei Dinge vermischt, die nicht vermischt werden dürfen“, sagte Carsten Watzl, Gene­ralsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, manche Menschen schon nach vier Wochen zu boostern, beziehe sich nur auf Menschen mit geschwächtem Immunsystem, die auf die ersten beiden Impfungen nicht oder kaum reagiert hätten, erklärte der Immunologe.

Auch die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk, hält eine Verkürzung für falsch. „Aus immunologischer Sicht sind vier Wochen Abstand zu der dritten Impfung zu früh“, sagte Falk. Das Immunsystem sei dann noch mit der „Reifung“ zugange. „Dabei werden vor allem die Antikörper noch einmal verbessert – wie bei der Reifung eines guten Weines“.

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein teilte gestern mit, man halte eine generelle Verkürzung der Frist zum Boostern nicht für sinnvoll. Sofern das Gesundheitsministerium an seinem Erlass festhalte, betreffe dies daher nur die kommunalen Impfangebote, nicht die Arztpraxen.

Für früheres Boostern müssten medizinisch individuelle Umstände vorhanden sein, welche die Abwei­chung rechtfertigen, begründete ein Sprecher auf Anfrage. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfa­len-Lippe sieht „keinen Sinn“ in einer Auffrischungsimpfung vor Ablauf von mindestens vier Monaten.

dpa/may

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