Ärzteschaft

Botzlar sieht keine Existenzberechtigung für Heilpraktiker

  • Mittwoch, 22. Januar 2020
Andreas Botzlar /picture alliance, Robert Schlesinger
Andreas Botzlar /picture alliance, Robert Schlesinger

München – In der Diskussion um die Zukunft des Heilpraktikerberufs hat der Vizepräsi­dent der Bayerischen Landesärztekammer, Andreas Botzlar, von der Politik klare Entschei­dungen gefordert. „Wenn man es genau nimmt, gibt es für Heilpraktiker keine wirkliche Existenzberechtigung“, sagte Botzlar.

Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, den Beruf auf den Prüfstand zu stellen. Nach Ansicht des Kammervize ist es nicht zeitgemäß, dass Heilpraktiker um­fangreiche Möglichkeiten haben, Patienten zu behandeln, ohne dass für diesen Beruf eine geregelte Ausbildung vorgeschrieben wäre.

Heilpraktiker müssen zwar eine Prüfung beim Gesundheitsamt ablegen, Voraussetzung für die Anmeldung ist aber nur das Mindestalter von 25 Jahren und ein Hauptschulab­schluss. Etliche Gesundheitspolitiker wollen die jetzigen Regeln ändern, die bis ins Jahr 1939 zu­rück­reichen. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, sie wollten „das Spektrum der heilpraktischen Behandlung überprüfen“.

Als Grund nennen die Koalitionspartner die Patientensicherheit. Die hält auch eine Gruppe von Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen namens Münsteraner Kreis für gefährdet, wenn sich an den Regeln für den Heilpraktikerberuf nichts ändert. Christian Weymayr, der zum Münsteraner Kreis gehört, hält es für eine „große Gefahr“, dass Patien­ten, die zu Heilpraktikern gehen, „auf sinnvolle Therapien verzichten“.

Aller Kritik zum Trotz erlebt der Heilpraktikerberuf aber geradezu einen Boom, gerade in Bayern. Nach Daten des Landesgesundheitsamtes hat sich die Zahl der Heilpraktiker im Freistaat in den vergangenen 15 Jahren mehr als verdoppelt, auf zuletzt 23.283.

Damit liegt ihre Zahl mehr als doppelt so hoch wie die der Hausärzte. Bundesweit gibt es keine genauen Zahlen, Berufsverbände gehen von 60.000 Beschäftigten in Heilpraktiker-Praxen aus. Private Schulen werben für eine Ausbildung in einem „Traumberuf“.

Die Berufsverbände sehen sich auch durch den Zuspruch vieler Patienten bestätigt. Nach einer Umfrage des Bunds Deutscher Heilpraktiker aus dem Jahr 2017 gehen jeden Tag rund 128.000 Deutsche in eine Heilpraktikerpraxis.

Viele private Krankenversicherer übernehmen die Behandlungshonorare. Bei einem Groß­teil der Beamten beteiligt sich auch die staatliche Beihilfe an den Kosten. Und auch eini­ge Krankenkassen erstatten Heilpraktikerrechnungen, obwohl das im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eigentlich nicht vorgesehen ist. Sie regeln das über die eigene Satzungsleistung.

Heilpraktiker weisen Kritik zurück

Der Vorsitzende des Heilpraktikerverbandes Bayern, Wolfgang Hegge, weist die Warnun­gen vor einer Gefährdung der Patientensicherheit zurück. Seiner Ansicht nach bemühen sich die Berufsverbände um möglichst hohe Qualität.

So betreibt sein Verband in München eine eigene Schule, die eine dreijährige Ausbildung mit 3.000 Stunden anbietet. Kostenpunkt: rund 12.000 Euro. Anders als bei anderen Ins­tituten würden Lehrpläne der Josef-Angerer-Schule vom bayerischen Kultusministerium kontrolliert, betont Hegge: „Das ist auch ein Qualitätskriterium der Ausbildung.“

Kritiker des Heilpraktikerberufs wie Weymayr vom Münsteraner Kreis halten es aber für abwegig, von Qualität zu reden, wenn Methoden wie die Iris-Diagnostik auf dem Stun­den­plan stehen, bei der aus der Netzhaut von Patienten Rückschlüsse auf die Gesundheit gezogen werden.

Weymayr kritisiert, die deutsche Gesundheitspolitik messe mit zweierlei Maß. Auf der einen Seite werde in der GKV bei Medikamenten und Therapien berechtigterweise immer stärker auf Wirksamkeitsnachweise gepocht, gleichzeitig werde der Alternativmedizin in solchen Fragen aber großer Spielraum gelassen. „Kein Wirtschaftspolitiker dürfte eine Wahrsagerin beschäftigen, um Entscheidungen zu treffen. Im Gesundheitswesen dürfen das Politiker aber schon“, ärgert sich Weymayr.

Und Botzlar von der Landesärztekammer findet, Deutschland könnte sich beim Thema Heilpraktiker durchaus an Österreich orientieren: „Da ist das Kurpfuscherei und strafbar.“ Er erwartet aber keine einschneidenden Änderungen durch die Gesundheitspolitik. Denn die Angebote von Heilpraktikern seien bei vielen Patienten beliebt. „Und die Patienten sind ja auch Wähler, mit denen es sich Politiker nicht unbedingt verscherzen wollen“, sagt Botzlar.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) will sich nicht vorwerfen lassen, die Politik rede einzelnen Interessengruppen nach dem Mund. Die Vereinbarung des Koaliti­ons­vertrages, wonach der Rechtsrahmen des Heilpraktikerberufs auf den Prüfstand kom­men soll, werde umgesetzt, sagt sie. Aber sie ergänzt auch: „Ich erlebe viele Heilprakti­ker, die sehr verantwortungsvoll mit ihrem Beruf umgehen.“

Der Vorsitzende des Heilpraktikerverbandes Bayern, Wolfang Hegge, ist durch solche Aus­sagen der Gesundheitsministerin nur zum Teil beruhigt. „Der Druck hat zugenommen“, sagt er. Aber auch er ist sicher, dass die Heilpraktiker von ihren Patienten verteidigt wer­den. Er halte es da mit einem Kollegen, der ihm schon vor langer Zeit einen Rat mitgege­ben habe, erzählt Hegge: „Sie müssen sich keine Sorgen machen, es bestimmen letztlich die Füße des Patienten.“

dpa

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