Brandenburg: 14,5 Millionen Euro für neue Versorgungsstrukturen
Berlin/Potsdam – In Templin und Umgebung können künftig neue medizinische und sektorenübergreifende Versorgungsformen entwickelt und erprobt werden. Das Projekt „Strukturmigration im Mittelbereich Templin“ (StimMT) wird mit rund 14,5 Millionen Euro vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert, wie heute die Antragssteller und Projektpartner – die Arbeitsgemeinschaft „Innovative Gesundheitsversorgung in Brandenburg“ (IGiB), bestehend aus Kassenärztlicher Vereinigung Brandenburg (KVBB), AOK Nordost und Barmer GEK, sowie die Sana Kliniken Berlin-Brandenburg – in Berlin mitteilten.
Nach einer Prognose des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg wird die Bevölkerung im Mittelbereich Templin bis 2030 um ein Fünftel abnehmen. Zugleich wird die Anzahl der Bewohner über 65 Jahren um rund 45 Prozent ansteigen. Trotzdem wird es – wenn auch weniger als heute – auch 2030 noch Kinder und Jugendliche geben, die medizinisch versorgt werden müssen. Die veränderte Bevölkerungsstruktur ist den Initiatoren des Projektes zufolge ein Grund, warum „vollkommen neue Versorgungsstrukturen“ bedarfsgerecht für die Bevölkerung entwickelt werden müssen, sagte IGiB-Geschäftsführer Lutz O. Freiberg.
Dafür sollen in Templin in einem Modellprojekt ambulante und stationäre Versorgung nicht nur eng verzahnt werden, sondern neu gedacht werden, wie es hieß. Konkret vorgesehen: Am Sana-Krankenhaus in Templin entsteht ein ambulant-stationäres Zentrum mit einem interdisziplinären Versorgungsangebot. Vor Ort wird ein Koordinierungs- und Beratungszentrum geschaffen, das sich um das Patienten- und Fallmanagement kümmert. Darüber hinaus werden alle Ärzte in Templin über ein regionales Arztnetz (KV-RegioMed-Netz) in die Versorgung eingebunden, sofern sie sich beteiligen wollen.
Ebenso einbezogen werden ein Pflegenetzwerk und ein Patientenbus. In die Versorgung fließen darüber hinaus die Sozial- und Beratungskompetenzen der Kommune und der Krankenkassen vor Ort ein. Ziel sei eine abgestimmte, koordinierte Versorgung der medizinischen und pflegerischen Leistungen, erklärte Gabriela Leyh, Landesgeschäftsführerin der Barmer GEK Berlin/Brandenburg. Nach Angaben der IGiB werden über die Projektpartner und die beteiligten Krankenkassen rund 65 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten in Templin erreicht.
Ein konkreter Zeitplan für das Projekt steht derzeit noch nicht. Im ersten Quartal 2017 solle zunächst die Arbeitsfähigkeit hergestellt werden, erläuterte Freiberg. Dann würden weitere Schritte folgen. Ziel sei es, nach drei Jahren alle Strukturen so aufgebaut zu haben, dass im vierten Jahr eine Evaluation zeigen könne, dass die neue Struktur im Vergleich zur bisherigen wirtschaftliche Vorteile biete und zugleich die Versorgung vor Ort verbessert habe, hieß es.
Die Regionalgeschäftsführerin der Sana AG für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, Irmgard Wübbeling, wies darauf hin, dass für den Umbau des Klinikums Mittel aus dem Strukturfonds fließen sollten. Es sei „eine Herausforderung“, die beiden Projekte aufeinander abzustimmen. Während der Bauphase werde es räumliche Zwischenlösungen geben, damit das Projekt starten kann.
Mit der neuen Struktur komme man dem Ziel näher, Krankenhäuser der Grundversorgung zu ambulant-stationären Gesundheitszentren weiterzuentwickeln, sagte Brandenburgs Gesundheitsstaatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt (Linke). Sie sprach sich vehement dagegen aus, Einrichtungen im ländlichen Raum zugunsten von Zentrenbildungen zu schließen, wie es jüngst die Leopoldina gefordert hatte. Es gehe auch um Standort- und Arbeitsplatzsicherung vor Ort. Erfreut zeigte sie sich darüber, dass die Selbstverwaltungspartner gemeinsam ein solches Projekt in einer guten Zusammenarbeit auf den Weg bringen würden. Das sei „nicht überall selbstverständlich“.
Brandenburgs KV-Chef Hans-Joachim Helming betonte, es komme am Ende darauf an, das Projekt nach vier Jahren erfolgreich abzuschließen. Das würde auch bedeuten, dass Schnittstellenprobleme, Grenzen der Finanzierung sowie rechtliche und sozialrechtliche Hürden eindeutig definiert worden sein müssten, um den Gesetzgeber dann dazu zu bewegen, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, sagte Helming. Das würde es ermöglichen, dass die Erfahrungen, die mit dem Projekt strukturell gesammelt worden seien, in Deutschland an solchen Orten umgesetzt werden könnten, die ähnliche strukturelle Defizite wie Templin aufweisen würden. „Das Projekt wird eine Blaupause für eine nachhaltige medizinische Versorgung im ländlichen Raum“, betonte Freiberg.
Der Innovationsfonds stellt bis 2019 jährlich rund 300 Millionen Euro für innovative Versorgungsprojekte und Versorgungsforschung bereit. Es werden ausschließlich Projekte gefördert, die über die bisherige Regelversorgung hinausgehen. Dem Vernehmen nach hat es rund 200 Anträge gegeben, 30 sollen vom G-BA den Zuschlag erhalten haben. Die Projektverantwortlichen wurden vom G-BA darüber informiert und sollen sich bis zum 13. November entscheiden, ob sie die Fördergelder annehmen. Erst dann sollen die offiziellen Bescheide versendet und alle Projekte öffentlich gemacht werden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: