Ausland

Britischer Ärzteverband: Brexit wird Ärztemangel verschärfen

  • Mittwoch, 29. Mai 2019
Chaand Nagpaul, Vorstandsvorsitzender der British Medical Association /maybaum
Chaand Nagpaul, Vorstandsvorsitzender der British Medical Association /maybaum

Münster – Vor einer drastischen Verschärfung des Ärztemangels in Großbritannien nach dem Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union (EU) hat heute in Münster der Vorstandsvorsitzende der British Medical Association (BMA), Chaand Nagpaul, gewarnt.

„Unser Gesundheitssystem funktioniert nicht ohne die 12.000 Ärztinnen und Ärzte aus anderen EU-Staaten“, sagte Nagpaul in einem Grußwort an die Delegierten des Deutschen Ärztetages. Sie stellten fast zehn Prozent des Gesundheitspersonals.

„Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen von ihnen zu verlieren“, sagte der BMA-Vorsitzende. Mit einem Arzt pro 360 Einwohner sei der Ärztemangel in Groß­britannien jetzt schon spürbar. Zum Vergleich: in Deutschland komme ein Arzt auf 243 Einwohner, im EU-Durchschnitt sei es einer auf 288 Einwohner.

Ein Drittel der EU-Ärzte spielen mit dem Gedanken, dass Land zu verlassen

Vor diesem Hintergrund sei es besorgniserregend, dass Umfragen der BMA zufolge mehr als ein Drittel der EU-Ärzte nach dem Brexit-Beschluss mit dem Gedanken spielen, das Land zu verlassen. Solange es keinen Austrittsvertrag gebe, sei zudem völlig unklar, ob der Zugang von britischen Patienten zu Medizinprodukten und Arzneimitteln auch weiterhin umfassend sichergestellt sei.

Der Ausstieg aus der EU bedeute auch, dass Großbritannien künftig wahrscheinlich nicht mehr in gewohnter Weise vom wissenschaftlichen Austausch profitieren werde, sagte Nagpaul. Der Verlust des Zugangs zum Europäischen Netzwerk für seltene Erkrankungen könne zu schwerwiegenden Verzögerungen bei der Diagnose und der Behandlung von Krebspatienten in Großbritannien führen. Einschränkungen seien auch bei der Patientenmobilität zu befürchten, solange es keine neuen Gesundheits­abkommen gebe.

Nagpaul appellierte an die europäische Ärzteschaft, auch weiterhin zusammenzuar­beiten. Nur so könne man gewährleisten, dass auch der ärztliche Nachwuchs die Chance erhalte, grenzüberschreitend studieren und arbeiten zu können. „Wir müssen dafür sorgen, dass die 2.000 deutschen Ärztinnen und Ärzte, die zurzeit in Großbri­tannien arbeiten, das auch weiterhin tun können. Dasselbe gilt für die mehr als 300 Medizinstudierenden aus Deutschland“, erklärte der BMA-Vorsitzende.

Es sei auch den Bemühungen seines Verbandes geschuldet, dass der EU-Chefunter­händ­ler für den Brexit, Michel Barnier, zugesagt habe, dass die britischen Ärzte, die vor dem Brexit in anderen EU-Staaten gearbeitet hätten, das auch weiterhin tun könnten. Die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen sei ebenfalls in Aussicht gestellt worden.

Schulturschluss der europäischen Ärzte ist wichtig

Vor diesem Hintergrund bezeichnete es Nagpaul als außerordentlich erfreulich, dass die BMA auch nach dem Brexit vollwertiges Mitglied des Ständigen Ausschusses der Ärzte in der Europäischen Union bleiben könne. „Ein Schulterschluss der europäi­schen Ärzte, die die Zusammenarbeit über egozentrische Politik stellen“, sagte er unter dem Beifall der Delegierten des Deutschen Ärztetages.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit liege im Interesse von Ärzten und Patien­ten. Deshalb befürworte die BMA ein zweites Referendum zum EU-Ausstieg. „Wir müssen die Gelegenheit erhalten, eine wirklich informierte Entscheidung zu treffen“, erklärte der BMA-Vorsitzende. Der Deutsche Ärztetag bedankte sich mit stehenden Ovationen für Nagpauls Einschätzung der Lage.

HK

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