Bürgerrat empfiehlt: Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder

Berlin – Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder – das steht an erster Stelle von Empfehlungen eines Bürgerrats des Bundestags zur Ernährung. Insgesamt gibt es neun Vorschläge, die priorisiert wurden. Sie wurden gestern in Anwesenheit von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im Bundestag in Berlin vorgestellt. Bas sagte, der Bundestag werde die Empfehlungen „sehr ernst“ nehmen.
SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, „neue Formen des Bürgerdialogs“ wie Bürgerräte nutzen zu wollen. Die 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden in einer „Bürgerlotterie“ gelost.
Vorher gab es ein mehrstufiges Verfahren nach dem Zufallsprinzip. Die Empfehlungen sollen in einem Bürgergutachten zusammengefasst werden, das dann im Bundestag diskutiert werden soll. Es besteht aber keine Verpflichtung, dass die Vorschläge umgesetzt werden.
An drei Wochenenden traf sich der Bürgerrat, außerdem fanden Zoommeetings statt. Gestern wurde über Vorschläge abgestimmt, außerdem wurden sie priorisiert. Das Ergebnis: An Nummer eins steht die Empfehlung, dass es täglich bundesweit für alle Kinder ein kostenfreies und gesundes Mittagessen an Kitas und Schulen geben soll.
Das ist zwar Ländersache, der Bund aber solle dies mindestens zur Hälfte finanzieren. Bisher könnten nur armutsgefährdete Kinder ein kostenfreies Mittagessen erhalten. Die Ausweitung solle die gesunde Ernährung von Kindern fördern. Eingeführt werden solle das kostenfreie Mittagessen staffelweise innerhalb von acht Jahren, beginnend in Kitas.
Auf dem zweiten Platz landete der Vorschlag eines verpflichtenden staatlichen Labels, das bewusstes Einkaufen gesünderer Lebensmittel leichter machen soll. Kunden sollen Produkte einfacher und besser vergleichen können.
Es folgt: Supermärkte ab einer bestimmten Größe sollen verpflichtet werden, noch genießbare Lebensmittel, die sonst entsorgt würden, zum Beispiel an Tafeln weiterzugeben. Außerdem sollen Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparenter dargestellt werden.
Dann will der Bürgerrat an das Mehrwertsteuerdickicht bei Lebensmitteln heran. Der Bürgerrat will einen „neuen Steuerkurs“. Ziel: gesunde, umwelt- und klimafreundliche, tierwohlförderliche und bezahlbare Lebensmittel für alle.
Konkret sollen zum Beispiel die Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse in Bio-Qualität sowie für Hülsenfrüchte auf Null gesetzt werden. Zucker soll teurer werden und mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert werden. Eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent soll es auch auf Fleisch geben, falls es keine Tierwohlabgabe gibt – das ist eine weitere Empfehlung – und falls es kein Fleisch in Bio-Qualität ist.
Weitere Empfehlungen sind eine gesunde Gemeinschaftsverpflegung in Pflegeeinrichtungen. Für Energydrinks soll eine Altersgrenze von mindestens 16 Jahren eingeführt werden. Begründung: Die Gesundheitsschäden und das Suchtpotential seien ähnlich gravierend wie bei Zigaretten und Alkohol. Und schließlich soll es mehr Personal für Lebensmittelkontrollen geben.
„Die Empfehlungen des Bürgerrates sind eindeutig und zeigen, was die Menschen in unserem Land wirklich wollen“, sagte Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK).
Sie mahnte, die wichtigen und richtigen Empfehlungen des Bürgerrates dürften nicht zu einem weiteren geduldigen Papiertiger werden. „Eine gesunde und nachhaltige Ernährung kann nur funktionieren, wenn wir das Mehrwertsteuersystem für Lebensmittel grundlegend überdenken. Das ist nun die Hausaufgabe für die Bundesregierung.“
DANK ist ein Wissenschaftsbündnis aus 22 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungseinrichtungen, das sich für Maßnahmen der Verhältnisprävention zur Verhinderung von Krankheiten wie Adipositas, Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen einsetzt.
„Ernährungsbedingte Krankheiten sind ein maßgeblicher Treiber für die Krankheitslast in Deutschland“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Bevölkerungsweit wirksame Maßnahmen zur Förderung gesunder und nachhaltiger Ernährung seien essentiell, um die Krankheitslast einzudämmen und vermeidbare Kosten in den sozialen Sicherungssystemen zu senken.
Zum Beispiel die Forderungen nach Mindeststandards für eine gesunde Schulverpflegung, nach einer verbesserten Kennzeichnung sowie einer Subventionierung von frischem Obst und Gemüse gingen in die richtige Richtung. „Die Bundesregierung ist gut beraten, diese Empfehlungen in der geplanten Ernährungsstrategie aufzugreifen und weiterzuentwickeln.“
Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann sagte zu den Ideen der Bürger: „Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse runter, Energydrinks nur noch ab 16, Nutriscore-Ampel verpflichtend auf Lebensmitteln: Die Bundesregierung muss die vielen sinnvollen Vorschläge des Bürgerrats jetzt umsetzen.“
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