Bund: Long und Post COVID noch nicht hinreichend verstanden
Berlin – Bei Long COVID und Post COVID gibt es weiterhin erheblichen Forschungsbedarf. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag.
Darin schreibt der Bund, dass das klinische Krankheitsbild von Long COVID und Post COVID noch nicht hinreichend verstanden worden ist. Es seien keine Biomarker für die Diagnostik verfügbar, die Falldefinitionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu Post COVID bei Kindern und Jugendlichen seien wenig präzise.
Daher lägen zwar keine umfassenden Datengrundlagen für verlässliche Einschätzungen zur Anzahl der Erkrankten vor. Aussagen zur aktuellen Fallzahlentwicklung könnten jedoch auf Grundlage von Sekundärdaten getroffen werden. Die von Post COVID betroffenen Kinder und Jugendlichen würden etwa in der ambulanten Versorgung fortlaufend vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) erfasst.
Ebenso sei über die Daten der ambulanten Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine Erfassung von Kindern und Jugendlichen mit diagnostizierter Myalgischer Enzephalomyelitis beziehungsweise dem Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) möglich. Ein flächendeckendes Monitoring zu ME/CFS bestehe nicht.
Für eine verbesserte Aufklärung habe das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) den aktuellen Wissensstand zu ME/CFS, auch Kinder und Jugendliche betreffend, systematisch aufgearbeitet, bewertet und in einem Abschlussbericht im Mai 2023 veröffentlicht, heißt es in der Antwort weiter.
Aus Sicht der Charité-Professorin Carmen Scheibenbogen lässt die Unterstützung von Long-COVID-Patienten nach wie vor zu wünschen übrig. „Die Betroffenen sind bislang überwiegend nicht gut, bis gar nicht versorgt“, sagte die Medizinerin heute bei einer Presserunde an der Universitätsklinik. Scheibenbogen leitet dort die Immundefektambulanz.
Unter Long COVID versteht man Beschwerden, die jenseits der akuten Krankheitsphase von vier Wochen fortbestehen oder dann neu auftreten. Post COVID beschreibt das Krankheitsbild mehr als zwölf Wochen nach der Coronainfektion. Die Symptome sind sehr uneinheitlich. In der Patientenleitlinie geht es etwa um Atemnot und Husten, Müdigkeit, Schlafstörungen, Erschöpfung, aber auch um Sorgen und Traurigkeit.
Scheibenbogen forscht schon lange zu ME/CFS – einer der schwersten Langzeitfolgen von Long COVID. Für diese Krankheit ist charakteristisch, dass sich der Zustand nach geringer Anstrengung deutlich verschlechtert. Viele der Schwerkranken seien komplette Pflegefälle, sagte die Wissenschaftlerin.
Oft gebe es auch nach vielen Monaten keine Besserung. „Das zeigen auch unsere Studien. Wenn Sie ME/CFS haben nach COVID, dann sind sie nach zwei Jahren noch anhaltend genauso schwer krank.“ Die Patienten der Beobachtungsstudie waren den Angaben zufolge „überwiegend junge Menschen“. Wie viele Menschen von ME/CFS betroffen sind, ist der Medizinerin zufolge nicht klar. Sie gehe aber von einer hohen Zahl aus.
Mittlerweile werde immerhin deutlich mehr zu der Krankheit geforscht als noch vor der Pandemie, sagte Scheibenbogen. Es gebe deutschlandweit Ambulanzen für Long und Post COVID und eine Reihe von Arbeitsgruppen, die sich damit beschäftigten.
Die Charité-Professorin leitet auch die Nationale Klinische Studiengruppe (NKSG) zu Post COVID und ME/CFS. Mehrere klinische Studien sind geplant oder laufen bereits. Dazu zählt auch ein Vorhaben in Berlin, bei dem Schwerkranke zu Hause besucht und untersucht werden sollen. Die Patienten sollen sechs Monate lang begleitet werden. In den nächsten Monaten soll die Studie starten.
Gleichzeitig sollen Daten ermittelt werden, die zeigen, wie viele Menschen in Deutschland von Long COVID betroffen sind. „Die haben wir nämlich bislang nicht.“ Sie gehe davon aus, dass die Krankheit untererfasst sei und ähnlich häufig wie andere Volkskrankheiten auftrete und zwischen drei und fünf Prozent der Bevölkerung betreffen könne, sagte Scheibenbogen. „Wir wissen es nicht genau, aber es ist ein riesengroßes Problem, weil es so viele betrifft und eine ganze Reihe auch schwer betrifft.“
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