Long COVID: Betroffene bei Verdacht schneller und bedarfsgerecht versorgen

Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat heute eine neue Richtlinie beschlossen, in der Anforderungen an die Long-COVID-Versorgung definiert und Versorgungspfade beschrieben werden. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten, bei denen ein Verdacht auf Long COIVD besteht, schneller und an ihre Bedürfnisse angepasst zu behandeln.
Die Richtlinie bezieht sich auf alle Altersgruppen und nicht nur auf Personen mit Verdacht auf Long beziehungsweise Post COVID, sondern auch auf diejenigen mit Verdacht auf ein postinfektiöses Syndrom anderer Ursache sowie myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS).
„Wir wollen hier gleichartigen postinfektiösen Erkrankungen Rechnung tragen. Denn postinfektiöse Krankheitsbilder, zu denen auch ME/CFS gehört, können die Betroffenen körperlich und psychisch sehr belasten und die Lebensqualität oftmals ganz erheblich einschränken“, so Karin Maag, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des beschlussvorbereitenden Unterausschusses.
Diagnostik und Therapie der Betroffenen sollen in der Regel durch eine Hausärztin oder einen Hausarzt koordiniert werden, nur in Einzelfällen, etwa bei monosymptomatischen Verläufen, kann dies auch durch entsprechende Fachärztinnen oder -ärzte geschehen.
Vorgesehen ist ein Stufenmodell im Allgemeinen beginnend mit einer hausärztlichen Betreuung ergänzt durch entsprechende fachärztliche Unterstützung bis hin zur Vorstellung in spezialärztlichen Ambulanzen. Maag betont: „Wir haben zudem Anforderungen an eine standardisierte Diagnostik, die Behandlungskoordination sowie die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer beschrieben.“
Derzeit lasse sich die Frage nach den Ursachen von Long COVID nicht beantworten, so Maag weiter. „Bislang gibt es auch keine wirksamen Therapien, sondern nur Behandlungsansätze ohne wirklich klare Evidenz.“ Bei derartigen noch nicht ausreichend erforschten Krankheitsbildern können dem G-BA zufolge Versorgungspfade sicherstellen, dass ein Erkrankungsverdacht sorgfältig und strukturiert abgeklärt wird.
Allerdings wurde in der heutigen Diskussion von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, dass etwa 90 Prozent der von Long COVID Betroffenen wieder gesund werden und es sich somit nicht zwangsläufig um ein chronisches Krankheitsbild handelt. Es sei aber besonders wichtig, die chronischen Verläufe und vor allem ME/CFS im Fokus zu behalten.
In der über zweieinhalbstündigen Debatte um die Richtlinie wurde zwischen den beteiligten Bänken – der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem GKV-Spitzenverband sowie den Patientenvertretungen – über viele Formulierungen sowie die Lotsenfunktion von betreuenden Haus- und Fachärzten sowie den Institutsambulanzen gestritten. „Für viele Entscheidungen der sprachlichen Art benötigt es nicht nur eine Dissertation, sondern gar eine Habilitation", bemerkte der unparteiische G-BA-Vorsitzende Josef Hecken gleich zu Beginn der Diskussion. Nach vielen Kampfabstimmungen votierten die G-BA Mitglieder aber dennoch einstimmig für die Richtlinie.
Der G-BA legt den heutigen Richtlinienbeschluss nun dem Bundesministerium für Gesundheit zur rechtlichen Prüfung vor. Nach Nichtbeanstandung wird die Richtlinie im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt in Kraft. Direkt nach dem heutigen Beschluss ist die Richtlinie noch nicht auf den Seiten des G-BA verfügbar, das wird für den Beginn des Jahres erwartet.
Anschließend prüft der Bewertungsausschuss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Krankenkassen – ein Gremium, in das der G-BA nicht eingebunden ist – inwieweit der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) gegebenenfalls angepasst werden muss. Hierfür hat der Bewertungsausschuss maximal sechs Monate Zeit. Der EBM bildet die Grundlage für die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen.
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