Politik

Bundeshaushalt: Kritik an geplanten Kürzungen bei Pflegeversicherung

  • Montag, 14. August 2023
/Tobif82, stock.adobe.com
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Berlin – Der Bundeszuschuss zur sozialen Pflegeversicherung soll bis 2027 gestrichen werden. Das sieht der aktuelle Referentenentwurf für das Haushaltsfinanzierungsgesetz zum Bundeshaushalt 2024 vor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Die ursprünglichen Pläne sahen die Streichung des Zuschusses in Höhe von einer Milliarde Euro zunächst nur für das kommende Jahr vor.

Im Gesetzentwurf heißt es, man habe „alle Ausgaben im Bundeshaushalt auf den Prüfstand gestellt, Einspar­potenziale gehoben und Ausgabeansätze abgesenkt“.

Um die Finanzstabilität der sozialen Pflegeversicherung (SPV) nicht zu gefährden, soll zur Gegenfinanzierung der Mindereinnahmen aus der Aussetzung des Bundeszuschusses die Zuführung an den Pflegevorsorgefonds für die Jahre 2024 bis 2027 auf jährlich 700 Millionen Euro reduziert werden. Bislang wurden im Pflegevor­sor­ge­fonds jährlich 0,1 SPV-Beitragspunkte angelegt – das entspricht rund 1,6 Milliarden Euro.

„Die Bundesregierung entzieht sich ihrer finanziellen Verantwortung für die Soziale Pflegeversicherung“, kom­mentierte die Vorstandsvorsitzendes des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, die Pläne.

Beitragsgelder der Versicherten und Arbeitgeber, die eigentlich in den Pflegevorsorgefonds fließen sollten, um die Beitragszahlenden ab 2030 zu entlasten, würden damit indirekt zur Sanierung des Bundeshaushaltes „zweckentfremdet“. Dabei werde das strukturelle Defizit der Pflegeversicherung ohnehin „ganz wesentlich durch versicherungsfremde Leistungen verursacht, die die Pflegeversicherung für den Staat übernimmt“.

Es sei schon heute absehbar, dass die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für Mai 2024 angekündigten Vorschläge zur langfristigen Finanzierung der Pflegeversicherung „nur Symbolpolitik“ sein können, da statt der im Koalitionsvertrag vereinbarten weiteren Steuerzuschüsse nun über mehrere Jahre gar keine Steuermittel mehr in Richtung der Pflegeversicherung fließen, warnte Reimann.

Auch die Arbeitgeber haben vor geplanten Kostenverlagerungen im Bundeshaushalt in die Sozialversiche­run­gen und damit zulasten von Unternehmen und Beschäftigten gewarnt. Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation müssten alle zusätzlichen Belastungen vermieden werden, heißt es in einer Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Der Konsolidierungskurs des Bundesfinanzministeriums sei zwar sachgerecht, so die Arbeitgeber. „Nicht nach­haltig ist hingegen, wenn die notwendigen Einsparungen im Bundeshaushalt durch Kostenverlagerungen in die Sozialversicherung erfolgen“, heißt es in der Stellungnahme. Wer Zuschüsse zur sozialen Pflegeversiche­rung kürzt, spare nicht, sondern buche „lediglich eigene Lasten auf das Konto der Beitragsgemeinschaft um“.

Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat sich im Rahmen der Diskussion um die Pflegefinanzierung für die Einführung einer Vollversicherung ausgesprochen. „Ich glaube, dass eine Pflege­vollversicherung insofern richtig ist, dass man pflegebedingte Kosten über die Pflegeversicherung bezahlt“, sagte der CDU-Politiker dem WDR-Magazin „Westpol“ gestern.

Da die gesetzliche Pflegeversicherung nicht alle Kosten übernimmt, müssen Pflegebedürftige Eigenanteile zahlen. Diese Zuzahlungen waren zuletzt nochmals deutlich gestiegen – trotz inzwischen eingeführter Ent­lastungszuschläge.

Vor der parlamentarischen Sommerpause hatten Bundestag und Bundesrat eine neue Pflegereform verab­schiedet, mit dem die Beiträge der Versicherten zum 1. Juli erhöht wurden. Für das nächste Jahr sind dann auch Entlastungen bei den Eigenanteilen für die reine Pflege vorgesehen, außerdem zum 1. Januar 2025 eine Erhöhung aller Geld- und Sachleistungen der Pflegeversicherung um 4,5 Prozent.

Die Erhöhung um 4,5 Prozent sei allerdings zu wenig, sagte Laumann dem WDR. „Deswegen geht die gesamte Kostenlast ja im Grunde auf das Portemonnaie der Pflegebedürftigen.“ Der Bund müsse die Leistungen der Pflegeversicherung stärker erhöhen, als er nun getan habe. „Das hat aber dann auch für uns Versicherten die Folge, das muss man auch ganz klar sagen, dass der Pflegeversicherungsbeitrag auch steigen wird.“

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dazu auf, zu einem nationalen Pflegegipfel einzuladen. Man brauche eine umfassende Reform, welche die Pflegebedürftigen finanziell entlastet, die pflegenden Angehörigen angemessen unterstützt und die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte verbessert.

dpa/kna/aha

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