Politik

Bundesregierung erwartet Klagen gegen Digitalgesetze

  • Mittwoch, 22. November 2023
/keBu.Medien, stock.adobe.com
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Berlin – Die Bundesregierung rechnet mit Widerstand der Datenschützer gegen die beiden aktuell verhandel­ten Digitalgesetze und erwartet, dass diese von ihnen beklagt werden. Das erklärte der digitalpolitische Spre­cher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, gestern in Berlin.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber, hatte in den zurückliegenden Wochen wiederholt deutliche Kritik an den Vorhaben der Bundesregierung geübt, insbesondere an der im Digitalgesetz (DigiG) vorgesehe­nen Opt-out-Lösung für die elektronische Patientenakte (ePA).

Deren automatische Befüllung mit sensiblen Gesundheitsdaten verstoße aus seiner Sicht gegen Grundrechte und europäische Datenschutzgesetze. Außerdem seien noch zu viele Fragen zu Dateneinspeisung und -sicht­barkeit offen.

„Ich glaube, es ist legitim, dass wir als Gesetzgeber eine andere Haltung haben als der Bundesdatenschutz­beauftragte“, erklärte Funke-Kaiser bei einer Veranstaltung des Pharmakonzerns Novartis. „Wir sind ein Ver­fassungsorgan und lassen uns da zur Not vom Bundesverfassungsgericht einnorden. Damit haben wir ja schon Erfahrung.“

Würde man Kelbers Vorstellungen folgen, so würde das dazu führen, dass große Teile des DigiG und des Ge­sundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) nicht umsetzbar wären, erklärte Funke-Kaiser: „Gegen dieses Gesetz wird sowieso geklagt werden, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“

Der Bundesdatenschutzbeauftragte selbst hat dabei kein Klagerecht und keine Normenkontrollkompetenz. Etwaige Klagen gegen die Gesetze müssten also von anderen Organisationen oder Einzelpersonen geführt werden.

Dabei erhielt Funke-Kaiser für seine Haltung Unterstützung mehrerer Fachleute. „Selten gab es ein Gesetz, das so viel Zuspruch von allen Seiten erhielt“, betonte Henrik Matthies, CEO und Mitgründer des Gesundheits­datenplattformentwicklers Honic. Das liege auch wesentlich daran, dass man in Deutschland bisher immer alle Energie darauf verwendet habe, den Zugang zu Daten zu erschweren. „Zum ersten Mal reden wir über Datennutzung, nicht nur Datenschutz.“

Allerdings sei jetzt schon absehbar, dass schon in naher Zukunft ein Folgegesetz notwendig sein wird. „Wir brauchen irgendwann auch ein GDNG 2.0, das die Daten aus der ambulanten und stationären Versorgung stärker berücksichtigt“, sagt er. „Es gibt noch einiges zu tun, damit wir die Fülle der Patientendaten nutzen können und nicht nur episodal.“

Auch Silvia Thun, Direktorin der Core-Unit eHealth und Interoperabilität (CEI) an der Berliner Charité und Vorsitzende des InterOp Council bei der Gematik, sieht noch Handlungsbedarf. So müsse beispielsweise noch beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Stelle eingerichtet werden, um ein­heitliche digitale Nomenklatur für Arzneimittel zu entwickeln.

Ein Hauptproblem sei dabei, dass Krankenhäuser bisher nicht mit der Pharmazentralnummer (PZN) arbeiten würden, was die genaue Zuordnung erschwere. Hier müsse noch nachgearbeitet werden. „Medikationsdaten gehören zu den wertvollsten Daten, die wir brauchen, um eine bessere Versorgung zu ermöglichen“, sagte sie.

Auch an den Plänen, den Krankenkassen mehr Befugnisse zur Auswertung von Versichertendaten zu geben, übte Thun deutliche Kritik. Hier drohe ein Wissensungleichgewicht zwischen Kassen und Behandlern zu ent­stehen. „Es darf nicht sein, dass die mit den Daten Dinge tun können, ohne die behandelnden Ärzte mitein­zubeziehen“, mahnte Thun.

Auch dürfe es nicht so weit kommen, dass Krankenkassen Algorithmen zur Datenauswertung entwickeln und sie dann allein nutzen. Es müssten bestenfalls Strukturen geschaffen werden, über die Kassen, Behandler und Forschende Algorithmen und Erkenntnisse umfassend teilen.

Funke-Kaiser wies darüber hinaus Forderungen zurück, die Einführung digitaler Anwendungen stärker durch Anreizsysteme für Ärztinnen und Ärzte zu flankieren. Stattdessen müssten Vorgaben für die digitale Infrastruk­tur die Umsetzung forcieren.

„Da müssen wir gar keine Anreize für Ärzte schaffen, sondern da machen wir feste Vorgaben für PVS-Her­stell­er, sich als Datenstandards zu halten, die in den Konformitätsbewertungen festgelegt werden“, betonte er. Das sei ein „revolutionäres Vorgehen“, das Experten schon seit Langem gefordert hätten.

lau

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