KBV-Vorstand Steiner: Praxissoftware muss besser reguliert werden

Berlin – Die Anbieter von Praxisverwaltungssystemen (PVS) müssen von der Politik stärker als bisher geplant reguliert werden. Das forderte Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), heute bei der KBV-Vertreterversammlung. Die KBV versucht zudem, auf dem Gerichtsweg gegen die TI-Pauschale und die Streichung der Vergütung für den elektronischen Arztbrief vorzugehen.
Bisher spielte der Markt für PVS bei der Digitalisierungspolitik eher eine Randrolle. Das ist nach Steiners Ansicht ein Fehler. „Bei Lichte betrachtet ist das PVS einer der – wenn nicht sogar der – Schlüssel zur Digitalisierung in den Praxen und damit im Gesundheitswesen insgesamt“, erklärte sie.
Allerdings erfahre die Ärzteschaft schmerzhaft, dass Politik, Sachverständigen und anderen Entscheidern gar nicht bekannt sei, welche Probleme es in den Praxen mit PVS gibt. Bei einer Befragung, deren Ergebnisse das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) vorgestern veröffentlichte, hatten nur fünf Prozent der Praxen angegeben, dass sie keine Probleme mit ihren PVS hätten – fast die Hälfte hingegen berichtete über wöchentliche oder monatliche Probleme.
Um eine funktionierende Digitalisierung zu erreichen, brauche es deshalb Maßnahmen, um die Funktionalität und Anwenderfreundlichkeit der PVS zu verbessern. „Damit den Praxisteams mehr Zeit für diejenigen Herausforderungen bleibt, bei denen sie als Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten wirklich gebraucht werden, müssen wir Digitalisierung von den Praxen und nicht vom Ministersessel aus denken“, betonte Steiner.
Deshalb setze sich die KBV intensiv bei der Politik dafür ein, dass alle PVS-Hersteller verbindlich dazu verpflichtet werden, rechtzeitig und fristgerecht einheitliche Qualitätsstandards der Gematik zu erfüllen. Das müsse etwa für Reaktions- und Verarbeitungszeiten sowie Benutzerfreundlichkeit gelten.
Gesetzliche Nachbesserungen angemahnt
Die Maßnahmen, die dafür notwendig sind, würden mit den aktuellen Gesetzesvorhaben, dem Digitalgesetz (DigiG) und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG), jedoch nicht ergriffen – scheinbar im Gegensatz zur Wahrnehmung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Beim letzten Gespräch der KBV-Führung mit dem Minister sei nämlich deutlich geworden, dass er davon ausging, die geforderten Maßnahmen seien mit dem Entwurf des DigiG bereits gewährleistet. „Hier haben wir als KV-System nachdrücklich darauf gedrungen, dass dieses Gesetz dringend nachgebessert werden muss“, sagte Steiner.
Das sei nicht nur für die Ärzteschaft von entscheidender Bedeutung, sondern auch dafür, dass die Ziele der Digitalisierung des Gesundheitswesens insgesamt erreicht werden können, beispielsweise eine Verbesserung der Versorgung durch die elektronische Patientenakte (ePA): „Der Umgang mit der ePA in den Praxen kann nur so gut werden, wie es das PVS zulässt.“
Die ePA sei der Dreh- und Angelpunkt für eine sinnvolle Digitalisierung, was auch die Erfahrungsberichte aus den Praxen zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und dem elektronischen Rezept (E-Rezept) bestätigen würden.
„Und deshalb können wir nicht warten, bis sich das vom BMG als Allheilmittel geplante Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen aufgestellt hat – zumal die ePA 2025 an den Start gehen soll“, unterstrich Steiner. Die Gematik müsse die PVS-Hersteller schon sehr viel früher in die Pflicht nehmen können.
Doch die KBV und die KVen seien auch bereits selbst tätig geworden: Eine Arbeitsgruppe von elf Personen habe in engem Austausch mit Praxen und auf Grundlage erster Gespräche mit Anbietern eine Liste von Kriterien erstellt, die für eine reibungslose Anwendung von PVS essenziell sind.
Diesen Anforderungskatalog habe die Arbeitsgruppe in einem Entwurf für eine Rahmenvereinbarung nach § 332b des SGB V festgehalten. Er enthält unter anderem Vorgaben zu Preistransparenz für die Praxen, Usability im Sinne von komfortabler Unterstützung des Praxisalltags, verlässlicher Service und Support sowie IT-Sicherheit.
Diesen Entwurf können die PVS-Hersteller bis Anfang Januar kommentieren. Ziel sei, die Rahmenvereinbarung im Februar zu veröffentlichen. Ihre Unterzeichnung solle für PVS-Hersteller freiwillig sein, aber einen entsprechenden Druck im Markt entwickeln.
„Wir haben ein klares Bild davon, wohin die Digitalisierung im Gesundheitswesen führen soll. Genau deshalb liefern wir gerne praxisnahe Machbarkeitsvorschläge für diesen Weg“, betonte Steiner.
Diese transparente und konstruktive Vorgehensweise zeige auch einmal mehr, „wie unangemessen das Agieren der Politik uns gegenüber ist“, merkte Steiner an. Praktikerinnen und Praktiker würden mit ihrer Fach- und Sach-Expertise im BMG an vielen Stellen kein Gehör finden.
Das gelte auch beim Thema Entbürokratisierung. Das jüngst vom BMG vorgelegte Eckpunktepapier sei zwar ein erster Lichtblick, aber noch viel zu vage.
Auch müsse die KBV nun gerichtlich einfordern, dass Versand und Empfang des elektronischen Arztbriefes wieder vergütet werden. „Die Streichung war aus unserer Sicht eindeutig rechtswidrig“, erklärte Steiner. „Hierzu werden wir einen Eilantrag stellen, um eine aufschiebende Wirkung zu erzielen.“
Damit wolle die KBV erreichen, dass die eArztbrief-Pauschale bis zur gerichtlichen Entscheidung erst einmal weiter abgerechnet werden kann. Ebenfalls gerichtlich gehe die KBV gegen die inadäquate Monatspauschale für die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) vor, beziehungsweise gegen die Ersatzvornahme des BMG.
„Hierzu haben wir heute unsere Klagebegründung eingereicht“, verkündete sie. Aus KBV-Sicht hebele das BMG auch an dieser Stelle die Selbstverwaltung aus und handele damit verfassungswidrig. Inhaltlich kritisiere die KBV vor allem, dass die TI-Pauschale deutlich hinter den tatsächlichen Kosten zurückbleibe und dass sich das bei jeder künftigen TI-Anwendung noch weiter verschärfen werde.
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