Bundessozialgericht prüft Anerkennung psychischer Erkrankung als Berufskrankheit

Kassel – Erstmals in der Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung könnte am Donnerstag das Bundessozialgericht (BSG) eine psychische Erkrankung als Berufskrankheit anerkennen. Die Kasseler Richter verhandeln über die Klage eines Rettungssanitäters, der nach mehreren dramatischen Einsätzen unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidet. (Az: B 2 U 11/20 R)
Der 1966 geborene Kläger war Rettungssanitäter beim Roten Kreuz im baden-württembergischen Landkreis Esslingen bei Stuttgart und verweist auf zahlreiche belastende Ereignisse. So war er 2009 beim Amoklauf in Winnenden und Wendlingen im Einsatz, bei dem 16 Menschen starben. 2014 war er mit dem Anblick einer Jugendlichen konfrontiert, die durch Selbstenthauptung Suizid begangen hatte.
Genau ein Jahr später war er im Einsatz, als deren beste Freundin ähnlich grausam Suizid beging. Im Jahr 2016 brach der Mann zusammen, und es wurde eine PTBS diagnostiziert. Diese Erkrankung bedeutet, dass sich Bilder, Eindrücke und Gefühle immer wieder unkontrolliert in das Bewusstsein drängen.
Die Unfallversicherung Bund und Bahn wollte dies nicht als Berufskrankheit anerkennen. Es gebe keine gesicherten Erkenntnisse, dass die wiederholte Konfrontation mit solchen Ereignissen geeignet sei, eine psychische Störung auszulösen, argumentierte sie. Über die Klage des Rettungssanitäters verhandelte das BSG bereits 2021.
Schon damals zeigten sich die Richter irritiert, dass bislang keine einzige psychische Erkrankung in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommen wurde, welche die anerkannten Berufskrankheiten auflistet. Dies gilt nach BSG-Angaben bis heute.
Laut Gesetz müssen die Berufsgenossenschaften gegebenenfalls aber auch andere Erkrankungen als sogenannte Wie-Berufskrankheit anerkennen. Zu den Voraussetzungen gehört, dass die jeweilige Berufsgruppe deutlich öfter von der Erkrankung betroffen ist als die sonstige Bevölkerung.
Um dies zu klären, gab das BSG 2021 ein Sachverständigengutachten in Auftrag. Da es sich um ein Verfahrensgutachten handelt, ist dieses bislang noch nicht veröffentlicht. Sollten die Gutachter zu dem Ergebnis gekommen sein, dass Rettungssanitäter deutlich häufiger eine PTBS erleiden als die Durchschnittsbevölkerung, könnte das BSG mit der PTBS des Klägers erstmals eine psychische Erkrankung als Berufskrankheit anerkennen.
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