Bundestag stimmt für Verbot geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe

Berlin. Nach einer emotionalen und eindringlichen dreistündigen Debatte stellte der Bundestag heute mit einer überraschenden Mehrheit die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe. Der Gesetzentwurf, der von einer interfraktionellen Abgeordnetengruppe um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) vorgelegt worden war, erhielt bereits in der ersten Abstimmungsrunde der Zweiten Lesung 309 von 599 gültigen Stimmen und damit mehr Ja-Stimmen als drei weitere alternative Gesetzentwürfe gemeinsam.
70 Abgeordnete sprachen sich für ein „Nein" und damit gegen alle vier Gesetzentwürfe aus. Drei weitere Bundestagsabgeordnete hatten sich enthalten. Damit war die Abstimmung über den von Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) und Brigitte Zypries (SPD) eingereichten Antrag mit dem Titel „Keine neuen Straftatbestände bei Sterbehilfe" als fünfte Alternative hinfällig geworden. In der dritten Lesung und damit in der Schlussabstimmung wurde der Entwurf von Brand und Griese mit 360 von 602 abgegebenen Stimmen schließlich beschlossen. Mit Nein votierten 233 Parlamentarier, 9 Abgeordnete enthielten sich.
Im Ergebnis der heutigen Beschlussfassung des Parlaments dürfen nun Vereine oder Einzelpersonen keine Beihilfe zum Suizid mehr als Dienstleistung anbieten. Es drohen bis zu drei Jahre Haft, wenn einem Sterbewilligen geschäftsmäßig ein tödliches Medikament übergeben wird. Angebote wie jener des Vereins „Sterbehilfe Deutschland“ von Roger Kusch sind damit in Deutschland künftig untersagt.
Konkret sieht das Gesetz die Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Strafgesetzbuch vor, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellen soll. Angehörige oder andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen sollen sich hingegen nicht strafbar machen, wenn sie lediglich Teilnehmer an der Tat sind und selbst nicht geschäftsmäßig handeln. Die prinzipielle Straflosigkeit des Suizids und die Teilnahme daran wird jedoch nicht in Frage gestellt werden.
Als Alternative hatten den Abgeordneten drei weitere fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe sowie ein Antrag, der die vorherige Gesetzeslage beibehalten wollte, vorgelegen. Die Abgeordneten um Patrick Sensburg (CDU) traten für ein völliges Verbot der Beihilfe ein (37 Stimmen); Parlamentarier um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) plädierten in ihrem Gesetzentwurf dafür, allein die auf Gewinn angelegte Suizidbeihilfe verbieten (52 Stimmen) und Abgeordnete um Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach und Carola Reimann (beide SPD) wollten Ärzten die Beihilfe unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich erlauben. Ihr Gesetzentwurf erhielt jedoch lediglich 128 der 599 gültigen Stimmen.
Während der heutigen Debatte vor der Abstimmung warnten die Vertreter der beiden letztgenannten Entwürfe mehrfach vor einer „Kriminalisierung der Ärzte“ und einer Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen. Hintze forderte, Ärzte müssten auch wiederholt Suizidbeihilfe leisten können. Um einen Scharlatan zu erwischen, dürften nicht tausende Ärzte mit Strafe bedroht werden. „Der Kern der Menschenwürde ist die Selbstbestimmung“, betonte er. Künast bekräftigte, es gehe um den Respekt vor der Freiheit des anderen, seinen eigenen Weg zu gehen.
Die Befürworter des geschäftsmäßigen Verbots der Suizidbeihilfe verwiesen dagegen auf den Schutzauftrag des Grundgesetzes und warnten vor wachsendem Druck auf Schwerkranke, Alte und Depressive aus dem Leben zu scheiden, wenn ein „Regelangebot“ von Suizidbeihilfe vorliege. Brand brachte das Anliegen seines Entwurfs zu Beginn der Debatte noch einmal auf den Punkt: „Wir wollen die Hilfen ausbauen und den Missbrauch stoppen“, sagte er. Es gehe nicht um Verbot, sondern um Schutz vor gefährlichem Druck. Griese betonte, dass die Regelung nichts an der derzeitigen Situation der Palliativmedizin ändere. Sie wandte sich aber gegen die Sterbehilfe als ärztliche Regelleistung oder als frei verfügbares Angebot durch Vereine.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der ebenfalls den Brand/Griese-Entwurf unterstützte, wies mit Nachdruck den Vorwurf zurück, es gehe darin um eine Kriminalisierung von Ärzten. „Es ist nicht legitim, uns zu unterstellen, wir wollten den Staatsanwalt ans Sterbebett stellen“, sagte er. Ärzte könnten immer noch mit Augenmaß handeln. Aber es mache einen Unterschied, wenn ärztlich assistierter Suizid als Dienstleistung angeboten würde. Dies gelte es zu verhindern.
„Die Ärzteschaft hat von Anfang an unmissverständlich klargestellt, dass die Tötung des Patienten, auch wenn sie auf dessen Verlangen erfolgt, sowie die Beihilfe zum Suizid nach den Berufsordnungen aller Ärztekammern in Deutschland nicht zu den Aufgaben des Arztes gehören, betonte im Anschluss an die Bundestagsentscheidung auch nochmals Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery. „Wir begrüßen es deshalb sehr, dass der Deutsche Bundestag den Anträgen einiger Parlamentarier für eine Liberalisierung der Sterbehilfegesetzgebung nicht gefolgt ist.“
Gut sei auch, dass der Gesetzgeber der geschäftsmäßigen Sterbehilfe endlich einen Riegel vorgeschoben habe. „Die Neuregelung wird nicht dazu führen, Ärztinnen und Ärzte zu kriminalisieren, wie dies von den Gegnern des Entwurfs im Vorfeld der Abstimmung behauptet wurde. Nach eingehender inhaltlicher und rechtlicher Prüfung kann die Bundesärztekammer keine Gefahr der Kriminalisierung der Ärzteschaft erkennen.“
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