Politik

Bundestag und Bundesrat stimmen GKV-Finanzpaket zu

  • Freitag, 19. Dezember 2025
/picture alliance, Kay Nietfeld (Bundesrat), Hauke Schröder (Bundestag)
/picture alliance, Kay Nietfeld (Bundesrat), Hauke Schröder (Bundestag)

Berlin – Nach langem Ringen haben Bundestag und Bundesrat dem „kleinen Sparpaket“ für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) endgültig zugestimmt, das in das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege eingebettet war.

Nachdem zunächst heute Morgen der Bundestag für das Ergebnis des Vermittlungsausschusses votierte, beschlossen die Mitglieder des Bundesrates am Nachmittag ebenso diese Einigung. Damit kann das Gesetz – das im Kern eigentlich mehr Kompetenzen für Pflegekräfte regeln soll – wie ursprünglich geplant zu Beginn des Jahres in Kraft treten.

Der formalen Abstimmung heute war die Einigung im Vermittlungsausschuss am Mittwochabend vorausgegangen: Dort wurde festgelegt, dass den Krankenhäusern nach dem Aussetzen der sogenannten Meistbegünstigtenklausel im Jahr 2026 ein Ausgleich über erhöhte Landesbasisfallwerte im Jahr 2027 zukommen soll.

Dafür sollen diese im Jahr 2027 um 1,14 Prozent ansteigen. Dies wurde nicht nur in einer Protokollnotiz festgehalten, sondern auch in dem Gesetz. Daher musste der Bundestag heute noch einmal über das Gesetz abstimmen.

In der Plenumsdebatte im Bundestag lobten die Regierungsfraktionen den Kompromiss als gelebte Demokratie und Ausgleich zwischen Bund und Ländern. Die Oppositionsfraktionen kritisierten die Einigung hingegen. Die Grünen und die Linken forderten in unterschiedlicher Tonalität schnelle Strukturreformen, die AfD bewertete die Arbeit im Vermittlungsausschuss als „Hinterzimmerpolitik“.

In der Debatte im Bundesrat betonten die Vertreterinnen und Vertreter der Länder erneut, dass die Sparvorschläge nicht einseitig für die Krankenhäuser gelten sollten. „Es ist gut, dass wir diese Einigung jetzt erzielt haben“, sagte der saarländische Gesundheitsminister Magnus Jung (SPD). „Es war auch gut und richtig, dass die Länder den Vermittlungsausschuss zuvor angerufen hatten. Denn die finanzielle Lage der Krankenhäuser in unserem Land ist nach wie vor außerordentlich schwierig.“

Schon jetzt seien 80 Prozent der Krankenhäuser in den roten Zahlen, viele Kommunen müssten die Häuser unterstützen. „Die Zahl der Insolvenzen wird im nächsten Jahr sicherlich nicht geringer werden und wir werden auch weiterhin mit ungeplanten Krankenhausschließungen zu tun haben“, so Jung weiter.

„Die Aussetzung der meistbegünstigten Klausel war umstritten. Aber Politik ist eben an dieser Stelle kein Wunschkonzert", erklärte Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Sie sei die Kunst des Ausgleichs.

„Im Vermittlungsausschuss haben wir dies gezeigt. Wir haben gezeigt, wie Demokratie funktioniert: Streit, Dialog, Lösung“, so Philippi. Mit dem Kompromiss habe man nun Politik mit „Fairness, Verantwortungsbewusstsein und Augenmaß“ gestaltet. „Wir lassen die Pflege nicht allein, wir sichern die Krankenhäuser, wir stabilisieren die GKV. Und wir tun das gemeinsam mit Bund, Länder und die Fraktionen. Das ist Demokratie in ihrer besten Form“, so Philippi weiter, der 2026 der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) wird.

Die noch wenige Tage amtierende GMK-Vorsitzende Katharina Schenk (SPD) aus Thüringen hatte den Antrag auf einen Vermittlungsausschuss am 21. November eingereicht. Dies sei nicht einfach gewesen, aber es sei wichtig, dass sich alle Länder dahinter vereint hätten.

„Es wurde damit unterstrichen, dass es eben nicht darum geht, ein Gesetz zu blockieren, sondern darum, es mit Erfahrungen der Länder zu qualifizieren“, sagte sie. Auch Schenk betonte den eigentlichen Regelungsinhalt des Gesetzes. „Auch die Länder erkennen an, dass die Lage der GKV ganz offenkundig angespannt ist. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, war es ein Problem, dass dieser fachfremde Passus gerade in einem Gesetz gelandet ist, dass ganz wichtige Punkte im Bereich der Pflege regelt.“

Diesen Punkt griffen auch andere auf. „Es wäre deutlich einfacher gewesen, diese guten Regelungen auf den Weg zu bringen, wenn Einsparziele nicht in dieser Form mit dem Gesetz verknüpft worden wären“, sagte der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), der die Funktion als Berichterstatter für die Bundesländer im Vermittlungsausschuss inne hatte.

Gesundheitsministerin Schenk verdeutlichte auch, auf welche Organisation die Vorschläge zurückgingen – das wollte in den Tagen der Verhandlungen in der informellen Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Vermittlungsausschuss zunächst niemand offen bestätigen.

„Ich bin allen dankbar, die sich konstruktiv beteiligt haben. Auch der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die am Ende ja nun Recht bekommt mit ihrem eigentlichen Vorschlag. Und dieser Vorschlag ist durchaus beachtenswert, denn er erkennt ja an, dass man Einsparungen beitragen muss“, so Schenk.

In der Plenumsdebatte im Bundesrat betonte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), dass ihre Sparvorschläge – rund 1,8 Milliarden bei den Krankenhäusern sowie jeweils 100 Millionen bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen und 100 Millionen beim Innovationsfonds – soweit richtig waren.

„Warum wir gerade an dieser Stelle gespart haben, das werden wir, das werde ich oft gefragt“, sagte Warken. Man kenne die Situation vor Ort. „Fakt ist aber auch, wir erwarten trotz dieser Sparmaßnahme für den Krankenhausbereich im kommenden Jahr immer noch einen Ausgabenzuwachs von circa acht Milliarden Euro auf dann insgesamt 120 Milliarden Euro“, so die Ministerin weiter.

Sie bereitete die Länderminister auf größere Debatten um Einsparungen in den kommenden Jahren vor. „Für 2027 stehen uns weitaus größere Herausforderungen bevor. Die notwendigen Schritte, um die Beiträge nachhaltig zu stabilisieren, werden deutlich größer sein müssen. Und alle Beteiligten müssen sich im kommenden Jahr auf einen offenen konstruktiven Austausch einlassen, um die Strukturveränderungen gemeinsam anzugehen, unser System zukunftsfest zu machen“, so Warken.

Ähnlich klang es am Mittwochabend nach der Sitzung des Vermittlungsausschusses: „Alle sind sich, glaube ich, bewusst, das wir Reformen brauchen. Es müssen sich grundlegende Dinge ändern, wir können nicht immer nur mehr Geld ins System geben. Das System muss auch besser gemacht werden", sagte sie auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.

Im Vermittlungsausschuss – das hatte am Mittwochabend die Co-Vorsitzende Manuela Schwesig (SPD, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern) bereits angedeutet – hatten das Bundesgesundheitsministerium sowie die regierungstragenden Fraktionen den Ländern zudem angedeutet, dass Mittel aus dem Sondervermögen für die Finanzierung des Transformationsfonds verwendet werden können.

Warken bestätigte dies nun. „Weiter wird in der Protokollerklärung noch einmal bekräftigt, dass dies den Ländern mit dem Länder- und Kommunal-Infrastrukturgesetzes im Rahmen des Krankenhaustransformationsfonds ermöglicht werden soll, und dass wir entsprechende Regelungen im KHAG auch vorbereiten.“ In der Protokollnotiz hatte die Bundesregierung bislang eine Prüfung des Anliegens angekündigt.

Gemischte Reaktionen aus Kassen und Politik

Die heutige formale Abstimmung bezeichnete der GKV-Spitzenverband als „wichtiges Signal“, dass die Politik den grundsätzlichen Handlungsbedarf sehe. Zugleich zeigten die Kassen die Dimensionen des kleinen Pakets auf: Dadurch würden kommendes Jahr Gesamtausgaben von rund 370 Milliarden Euro erwartet – statt 372 Milliarden Euro. Zwar gebe es nun eine kleine Entlastung. Viele Millionen Versicherte und deren Arbeitgebende müssten sich dennoch darauf einstellen, „dass die Krankenkassenbeiträge zum Jahreswechsel steigen werden“. Das wollte die Bundesregierung eigentlich verhindern.

Der AOK-Bundesverband nannte den Beschluss des Vermittlungsausschusses „einen Kuhhandel zulasten der Beitragszahlenden“. Umso wichtiger sei es, dass die Protokollnotiz auch dann Bestand habe, wenn im kommenden Jahr über weitere Sparmaßnahmen im Krankenhausbereich diskutiert werde. „Wir vertrauen darauf, dass die Bundesregierung die Krankenhäuser nicht von umfassenden Effizienzmaßnahmen ausnimmt“, erklärte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.

„Was heute als Sparmaßnahme verkauft wird, schlägt dann als Ausgabensteigerung durch und wird langfristig zu höheren Kosten führen. Ein Aufatmen, dass dieses Paket verabschiedet wurde, ist also nicht angebracht. Im Gegenteil“, bewertete Ann-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK-Dachverbandes die Entscheidung. Sie hofft auf „Mut“ bei den politischen Verantwortlichen, im kommenden Jahr die wichtigen Reformen anzugehen.

Der Hartmannbund begrüßte die Entscheidungen im Vermittlungsausschuss. „Dieser veritable Kraftakt kurz vor Weihnachten könnte dem finanziell stark beanspruchten Gesundheitssystem zumindest kurzfristig Ruhe verschaffen, um jetzt zeitnah die grundlegenden notwendigen Strukturveränderungen einzuleiten“, hieß es.

Oppositionspolitiker im Bundestag schauen naturgemäß kritisch auf die Beschlüsse. „Was Schwarz-Rot hier vorlegt, ist ein weiterer Verschiebebahnhof mit Ansage“, sagte Paula Piechotta, Mitglied im Haushaltsausschuss und Berichterstatterin für den Gesundheitsetat der Grünen Bundestagsfraktion. Es sei „absehbar, dass die Defizite der Krankenkassen bis dahin eher größer werden“. Das sei keine Reform, es sei das Verschieben von Milliardendefiziten in die nahe Zukunft, in der sie noch schwerer auszugleichen sein werde als heute.

Ates Gürpinar, Gesundheitsexperte bei den Linken, erklärte: „Der angebliche ,Kompromiss' im Vermittlungsausschuss ist Mist“. Denn es bleibe dabei, dass den Krankenhäusern im nächsten Jahr – wie von der Regierung geplant – 1,8 Milliarden Euro fehlen würden. Er kritisierte die Amtsführung der Ministerin. Sie habe durch das „späte sowie unabgesprochene Einbringen dieser Regelung die zugespitzte Situation zu verantworten“.

bee

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