Politik

Bundesverfassungs­gericht verlangt enge Landesgesetze bei Zwangsbehandlung

  • Mittwoch, 16. August 2017
/Syda Productions, stock.adobe.com
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Karlsruhe – Eine medizinische Zwangsbehandlung nicht einsichtsfähiger Patienten ist „nur als letztes Mittel“ und nur unter engen gesetzlichen Grenzen zulässig. Es gelten dieselben Vorgaben wie im sogenannten Maßregelvollzug psychisch kranker Straftäter. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe in einem heute veröffentlichten Beschluss entschied (Az: 2 BvR 2003/14).

Die Rechtsgrundlage im Psychischkrankengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der Fassung bis zum 30. Juli 2016 sei mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig, entschied der Zweite Senat. Nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts greift der Beschluss in das Grundrecht aus Artikel zwei des Grundgesetzes ein, das die körperliche Integrität und das Selbst­bestimmungsrecht darüber schützt. Als Konsequenz werden wohl auch Bayern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ihre Gesetze nachbessern müssen.

Erheblicher Grundrechtseingriff

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine medizinische Behandlung gegen den eigenen Willen ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte. In zahlreichen Entscheidungen knüpften die Karlsruher Richter daher eine Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug bereits an enge Voraussetzungen.

Eine Zwangsbehandlung kommt aber auch bei uneinsichtigen Patienten mit schwer ansteckenden Krankheiten in Betracht, oder bei Menschen, die wegen einer psychischen Erkrankung die Notwendigkeit einer Behandlung nicht erkennen können. Nach dem neuen Beschluss gelten hierfür dieselben engen Voraussetzungen wie im Maßregelvollzug. Denn für die Betroffenen spiele es letztlich keine Rolle, nach welchen rechtlichen Grundlagen eine Zwangsbehandlung vorgesehen sei.

Den Verfassungsrichtern zufolge ist insbesondere ein Gesetz notwendig, das eine Zwangsbehandlung nur als „letztes Mittel“ vorsieht. Es müsse der Versuch unternommen werden, eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung des Patienten zu erlangen. Der zu erwartende Nutzen der Behandlung müsse den möglichen Schaden der Nichtbehandlung über­wiegen. Schließlich sei es unabdingbar, dass ein Arzt die medikamentöse Zwangs­behandlung anordnet und überwacht. Zwangsbehandlungen etwa in Heimen müssten von außen kontrolliert werden. Zudem muss die Behandlung erfolgversprechend und verhältnismäßig sein.

Mit Erfolg hat sich damit eine Frau aus Mecklenburg-Vorpommern gegen die Behandlung mit Psychopharmaka gewehrt, die sie abgelehnt hatte. Die damals in Mecklenburg-Vorpommern bestehende angewendete Vorschrift sei zu weit gefasst gewesen und den engen verfassungsrechtlichen Grenzen nicht gerecht geworden, hieß es. Mecklenburg-Vorpommern setzte diese Vorschrift inzwischen außer Kraft. Ähnliche Regelungen gibt es aber noch in Bayern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

afp/dpa

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