Politik

Bundeszuschuss muss Pflegeversicherung stützen

  • Montag, 26. November 2018
/andyller, stockadobecom
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Berlin – Gesundheits- und Sozialexperten sowie Arbeitgeberverbände haben die Bundesregierung heute aufgefordert, eine langfristige Finanzierungsstrategie für die Pflegeversicherung vorzulegen. Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante neuerliche Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte 2019 sei eine notwendige, aber kurzfristig wirkende Reaktion auf die wachsenden Leistungs­ausgaben, erklärten Experten zur Anhörung des Gesundheitsausschusses über den Gesetzentwurf zur Beitragssatzanpassung im Bundestag. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, den Beitragssatz von derzeit 2,55 Prozent (Kinderlose 2,80 Prozent) des Bruttoeinkommens auf 3,05 Prozent (Kinderlose 3,30 Prozent) anzuheben. Bis 2022 sollen die Beiträge dann stabil bleiben.

Nach Ansicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) ist die Beitragserhöhung dringend notwendig, um die Mehrausgaben, die sich aus dem erweiterten Kreis der Leistungsberechtigten ergäben, zu finanzieren. Das zusätzliche Finanzvolumen werde jedoch schon bald vollständig ausgeschöpft sein. Es fehle ein Gesamtkonzept zur Finanzierung der Pflege in einer älter werdenden Gesellschaft.

Der Verband sprach sich dafür aus, die Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau dieser Grenze in der Rentenversicherung anzuheben und weitere Einkommensarten einzubeziehen. Zudem müsse die medizinische Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen wieder komplett von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) getragen werden. Perspektivisch sollte die Pflegeversicherung vom heutigen Teilleistungssystem so weiterentwickelt werden, dass eine bedarfsgerechte Versorgung ermöglicht werde.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt der Sozialverband Deutschland (SoVD). Die Beitragserhöhung allein werde kaum zur Stabilisierung der Beiträge bis 2022 aus­reichen, zumal eine regelmäßige Dynamisierung der Leistungen notwendig sei. Raum für die Finanzierung weiterer angekündigter Reformen bleibe danach nicht. Nach Ansicht des Sozialverbandes muss die Beitragsbemessung auf eine breitere Basis gestellt werden durch Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung und Kapitaleinkünften sowie einer höheren Beitragsbemessungsgrenze. Überdies sollten versicherungsfremde Leistungen über Steuerzuschüsse finanziert werden.

Das sieht auch der GKV-Spitzenverband so. Dieser argumentierte, ein Bundeszuschuss könnte zu einer ausgewogenen Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe Pflege beitragen und die Beitragszahler entlasten. Die versicherungsfremden Leistungen in der Pflege erreichten 2018 bereits ein Volumen von mindestens 2,7 Milliarden Euro. Das entspreche 0,2 Beitragssatzpunkten. Es müsse daher hinterfragt werden, ob die Beitragserhöhung die einzige Option zur Finanzierung der Kosten­steigerung sei. Hinsichtlich der weiteren Finanzentwicklung bestünden Unsicherheiten sowohl auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite. Es dürfe nicht zur Regel werden, den Pflegebeitragssatz in so kurzen Abständen anzuheben.

Auch der Arbeitgeberverband BDA sieht die Notwendigkeit einer systematischen Änderung und warnte vor einer weiteren Erhöhung der Lohnnebenkosten. Ein Verbandssprecher rechnete in der Anhörung vor, jeder zusätzlich Prozentpunkt koste 90.000 Arbeitsplätze. Nötig seien nachhaltig wirkende Strukturreformen, vor allem die Abkopplung der Pflegefinanzierung vom Arbeitsverhältnis sowie ein Qualitäts- und Preiswettbewerb auf allen Ebenen. Denkbar wäre ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag. Daneben sollte die kapitalgedeckte Risikovorsorge ausgebaut werden.

Mehrere Sachverständige sprachen sich in der Anhörung dafür aus, die private und gesetzliche Pflegeversicherung zu einer einheitlichen Pflegebürgerversicherung zusammenzuführen. Dies wäre nach Darstellung der Experten relativ einfach umsetzbar und käme den Versicherten insgesamt zugute. Allerdings warnte der Gesundheitsökonom Heinz Rothgang davor, die Beitragsbemessungsgrenze ganz aufzuheben. Dies wäre rechtlich problematisch.

hib/EB

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