Politik

Spahn bittet um Vorschläge für schnelleren Zugang zur Psychotherapie

  • Freitag, 18. Januar 2019
Jens Spahn /Lopata
Jens Spahn /Lopata

Berlin – Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Bundespsychotherapeuten­kammer sollen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gemeinsam einen Vorschlag vorlegen, wie schwer psychisch kranke Patienten deutlich schneller als bisher eine Therapie erhalten können. Darauf sollen sich Ärzte- und Psychotherapeutenverbände gestern Nachmittag bei einem Gespräch mit dem Minister verständigt haben, wie das Deutsche Ärzteblatt gestern Abend auf dem Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft in Berlin erfuhr.

Eine Einigung gibt es dem Vernehmen nach noch nicht. Ebenso wurde offenbar kein konkreter Zeitplan vereinbart, bis wann Vorschläge vorliegen sollen. Konkret geht es um den umstrittenen Passus einer „gestuften und gesteuerten Versorgung im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung“ (Paragraf 92 Abs. 6a SGB V im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)).

Spahn sprach beim Neujahrsempfang von einem „guten Gespräch“, dass er am Nachmittag mit den Ärzten und Psychotherapeuten geführt habe. Die Gespräche hätten „im positiven gruppentherapeutischen Sinne allen gut getan“, sagte Spahn. Man habe alle unterschiedlichen Blickwinkel beleuchtet und dabei gemerkt, dass man mit den Vorstellungen „gar nicht soweit auseinander“ liege. Er sei zuversichtlich, dass man nun im TSVG eine gute Regelung finde, um die Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung für schwer psychisch Kranke zu verkürzen.

Spahn hatte dabei auch betont, dass Vorschläge in einer parlamentarischen Demokratie grundsätzlich „nicht in Stein gemeißelt“ seien. Es gebe Anhörungen, Stellungnahmen und Zeit, miteinander zu reden. Am Ende müsse man aber zu konkreten Verbesserungen in der Versorgung kommen, so der Minister.

Hintergrund der Debatte ist ein Passus aus dem TSVG, der eine gestufte und gesteuerte Versorgung im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung vorsieht. Ärzte und Psychotherapeuten sehen darin eine zusätzliche neue Hürde, die für Patienten in der Versorgung aufgebaut würde. Aus gut informierten Kreisen hieß es, das Ministerium wolle keinesfalls eine zusätzliche Hürde als Zugang zur Versorgung schaffen.

Zuvor hatte Spahn betont, dass es für die Politik, aber auch die Berufsverbände und Akteure im Gesundheitswesen im neuen Jahr darum gehen müsse, verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Er spüre, wenn er in einen Saal mit 200 Pflegekräften komme, dass das Vertrauen, dass der Minister auch nur einen Hauch einer Ahnung habe, worum es gehe, „nicht besonders ausgeprägt“ sei.

Er sei zwar ein großer Freund der Debatte. Am Ende müsse man aber zu Entschei­dungen kommen. Es müssten sich Dinge verändern und verbessern. Das gelte sowohl in der Pflege als auch in der ärztlichen Versorgung. Spahn stellte kar, dass er lange Wartezeiten auf einen Arzttermin nicht für ein gefühltes, sondern für ein tatsächliches und auch politisches Thema halte.

Spahn selbst bezeichnete sich gestern erneut als „großen Fan der Selbstverwaltung“. „Das ist nicht nur eine Floskel“, so Spahn. Er wisse auch, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wahnsinnig viel entscheide und auch Konflikte auflöse. Aber es gebe einige Themen, da könne man nach drei, vier oder sechs Jahren Betroffenen nicht mehr vermitteln, dass sich der G-BA ja damit beschäftige. „Nach einer gewissen Zeit ist auch das etwas, das Vertrauen verlieren lässt“, erklärte Spahn. Das gelte auch für eine Gesundheitskarte, die nach 14 Jahren weder für Patienten noch Ärzte einen Mehrwert habe. Das sei nichts, das unbedingt Vertrauen bilde. Es gelte, Lösungen zu finden und das Vertrauen ins System wieder zu stärken.

Frank Ulrich Montgomery
Frank Ulrich Montgomery

Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), betonte gestern Abend, man habe in den vergangenen Jahren Vertrauen zu Spahn entwickelt. Es gebe durchaus eine Reihe guter Aspekte im TSVG, wie etwa dass die Ärzte für zusätzliche Arbeit entsprechend vergütet werden sollten.

Zum Vertrauen gehöre aber auch, dass man nicht miteinander auf einer allzu platten Ebene verkehre, sagte der BÄK-Präsident. So sei es „eigentlich wurscht“, ob Ärzte 20 oder 25 Sprechstunden anbieten müssten, wie im TSVG vorgesehen, weil diese ohnehin alle viel mehr arbeiteten. Dahinter stecke eine Vorgabe an die Selbst­verwaltung, die der Selbstverwaltung nicht mehr die Chance gebe, sich selbst zu verwalten, so Montgomery.

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Andreas Gassen /Lopata

Aus Sicht von Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundes­vereinigung (KBV), komme es beim TSVG darauf an, Ärzte und Psychotherapeuten emotional und argumentativ mitzunehmen. „Wenn das nicht gelingt, wird es schwierig“, sagte Gassen. Er appellierte an Spahn, auf die Ärzteschaft zu hören. „Wir werden deutlich sagen, was machbar ist, was leistbar ist, aber auch, wo wir an Grenzen stoßen“, so Gassen weiter.

Nicht verschreckt, aber verbittert

Er wies darauf hin, dass die selbstständigen Ärzte den Löwenanteil in der Versorgung leisteten. Politische Drohszenarien verschreckten die Ärzte vielleicht nicht, aber sie verbitterten sie. Daher bekomme man derzeit viele Briefe vor allem von älteren Kollegen, die darüber nachdenken würden, ihren kassenärztlichen Versorgungsauftrag ganz oder teilweise zurückzugeben.

Bei einem Altersdurchschnitt von über 55 Jahren sei das „Wahnsinn“. Das sollte man nicht ignorieren, so Gassen. Er machte klar, dass die meisten älteren Kollegen die Arbeit aus Berufung ausübten und weil sie eine Verpflichtung ihren Patienten gegenüber empfänden.

„Diese Kollegen werden nicht streiken. Sie gehen auch nicht demonstrieren. Sie hören einfach früher auf“, erklärte der KBV-Chef. Die Frage sei, wer dann die Arbeit mache. An den Krankenhäusern seien ohnehin schon 5.000 Arztstellen nicht besetzt, weil keine Ärzte da seien. „Es ist nicht gut, Zwang auf die Kollegen ausüben zu wollen. Es gibt keine Ersatz-Ärzteschaft“, so Gassen.

may

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