Kritik an Verhalten der Bundesregierung beim Pflegeberufegesetz

Berlin – Die Entscheidung von Union und SPD, keine weitere Anhörung zum Pflegeberufegesetz durchzuführen, ist auf Kritik gestoßen. „Die schwarz-rote Koalition hat eine öffentliche Anhörung zu ihrem Kompromiss bei der Reform der Pflegeausbildung abgewürgt“, erklärte die Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik der Grünenfraktion, Elisabeth Scharfenberg, gestern im Anschluss an eine Sitzung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundetags, auf der diese Entscheidung getroffen worden war.
Der Gesetzentwurf von Bundesgesundheits- und Bundesfamilienministerium sah ursprünglich vor, dass eine neue generalistische Pflegeausbildung die bisher getrennten Ausbildungen zur Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege ablöst. Bereits im Januar 2016 hatte das Bundeskabinett diesem Gesetzentwurf zugestimmt. Nach Kritik von Ärzteschaft, Arbeitgeberverbänden und unterschiedlichen Ansichten der Fraktionen im Bundestag lag der Entwurf über ein Jahr auf Eis. Zu Streitigkeiten zwischen Union und SPD kam es unter anderem deshalb, weil die Union befürchtete, die neue generalistische Pflegeausbildung könne vor allem Hauptschüler abschrecken, einen Pflegeberuf zu ergreifen.
Grüne: Regierung will Gesetz „geräuschlos durchziehen“
Im April einigten sich beide Parteien dann darauf, dass alle Auszubildenden in den ersten beiden Jahren gemeinsam eine generalistische Ausbildung absolvieren. Alten- und Kinderkrankenpfleger sollen sich danach entscheiden können, ob sie zusammen mit den Krankenpflegern die generalistische Ausbildung mit Schwerpunkt auf die Alten- beziehungsweise Kinderkrankenpflege beenden oder ob sie sich im dritten Jahr auf die Alten- beziehungsweise Kinderkrankenpflege spezialisieren wollen. Tun sie dies, beenden sie ihre Ausbildung nicht als „Pflegefachfrau/Pflegefachmann“, sondern weiterhin mit der Bezeichnung Alten- beziehungswiese Kinderkrankenpfleger.
Nun liegen die Änderungsanträge zum Pflegeberufegesetz vor, mit denen Union und SPD diese Pläne in den ursprünglichen Gesetzentwurf einarbeiten wollen. Die Opposition ist mit den Änderungsanträgen aber nicht zufrieden. „Bei der extra wegen der zahlreichen Fragen zum Kompromiss verlängerten Sitzung des Gesundheitsausschusses ist überdeutlich geworden, dass bei dieser Reform noch dringender Klärungsbedarf herrscht“, meinte Scharfenberg. Statt diese Fragen auf einer Anhörung zu klären, wollten Union und SPD ihr Gesetz „möglichst geräuschlos durchziehen“.
Altenpflege: „Es tritt genau das ein, wovor wir immer gewarnt haben“
Kritik gibt es auch deshalb, weil die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung, in der die Inhalte der neuen Pflegeausbildungen festgelegt werden, erst in der kommenden Legislaturperiode vorgelegt werden soll. „Wir halten es für unverantwortlich, Änderungen an der Pflegeausbildung um des politischen Erfolges willen mit heißer Nadel zu stricken“, kommentierte Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer des Verbands Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB). „Denn die Folgen sind absehbar. Neben ungelösten praktischen und rechtlichen Problemen für die Ausbildungsbetriebe wird die unverzichtbare Auseinandersetzung über die Ausbildungsinhalte in die Ausbildungs- und Prüfverordnung und damit in die nächste Legislaturperiode verschoben. Wird das Gesetz verabschiedet, so tritt genau das ein, wovor wir immer gewarnt haben: Die Grundsatzentscheidung zur Reform fällt ohne Kenntnis der zukünftigen Ausbildungsinhalte und -struktur.“
Birgit Hoppe, Vorsitzende des Arbeitskreises der Ausbildungsstätten für Altenpflege in Deutschland, kritisierte zudem, dass Altenschulen, die die generalistische Ausbildung nicht anbieten, mit Einrichtungen kooperieren müssen, die dies tun. Dadurch entstünden „einseitige Abhängigkeiten von generalistischen Pflegeschulen, die sich in der Regel an Krankenhäusern befänden: „Die Krankenhäuser stellen ohnehin das Nadelöhr für die vorgeschriebenen Praxiseinsätze dar“, sagte sie. „Sie werden mit ihren Pflegeschulen bestimmen können, mit wem sie zusammenarbeiten.“ Mit diesem Weg werde das langsame Sterben der Altenpflegeschulen eingeleitet. Dadurch werde der Kompromiss, der einen Erhalt der spezifischen Altenpflegeausbildung vorsehe, nicht umgesetzt.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist vorgesehen, dass das Pflegeberufegesetz inklusive der vorliegenden Änderungsanträge am 22. Juni vom Bundestag abschließend beraten wird.
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