Pflegeberufsgesetz: Verhaltenes Lob von allen Seiten

Berlin – Die Reaktionen auf die gestern verkündete Einigung von Union und SPD auf ein Pflegeberufsgesetz fallen sowohl bei Gegnern als auch bei Befürwortern einer generalistischen Pflegeausbildung verhalten positiv aus. „Der Deutsche Pflegerat bedauert das Scheitern der großen Reform der Pflegeausbildung. Den zwischen den Koalitionsfraktionen jetzt gefundenen Kompromiss sieht der DPR als ersten Schritt einer Reform an, auch wenn die drei Berufsabschlüsse erhalten bleiben“, kommentierte der Präsident des Deutschen Pflegerats (DPR), Andreas Westerfellhaus.
Ähnlich äußerte sich der Präsident der ersten Landespflegerkammer Deutschlands in Rheinland-Pfalz, Markus Mai. „Der großen Koalition im Deutschen Bundestag fehlte offensichtlich der Mut zu einer großen Reform der Pflegeausbildung. Der nun gefundene Kompromiss bedeutet aber immerhin den ersten Schritt auf dem Weg zu einer generalistischen Pflegeausbildung.“
Hoffnung auf zeitnahe Ausgestaltung des Gesetzes
Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege, Thomas Greiner, zeigte sich erfreut, dass die allgemeine Generalistik nun, nach langen Streitigkeiten, tot sei. Die verbindlich vorgeschriebene generalistische Ausbildung für alle Pflegeazubis sei am geballten Widerstand der Praktiker der Altenpflege gescheitert.
Und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte grundsätzlich die Einigung der Regierungskoalition. Jede Maßnahme, die geeignet sei, die Ausbildung in den Pflegeberufen zu stärken und somit einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel zu leisten, sei willkommen, erklärte der DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Die Krankenhäuser hofften nun, dass die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes zeitnah erfolge und diesem Ziel auch gerecht werde.
Streit zwischen Pflegeverbänden und Arbeitgebern
Der ursprüngliche Gesetzentwurf, den das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesfamilienministerium gemeinsam vorgelegt hatten, sah vor, dass eine neue generalistische Pflegeausbildung die bisher getrennten Ausbildungen zur Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege ablöst. Sie sollte mit der neuen Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau/Pflegefachmann“ abgeschlossen werden.
Pflegeverbände wie der Deutsche Pflegerat befürworteten diesen Vorschlag, da sie sich von ihm eine Aufwertung des Pflegeberufs erhofften. Arbeitgeberverbände opponierten vor allem, weil sie befürchteten, die inhaltlich anspruchsvollere generalistische Pflegeausbildung werde insbesondere Hauptschüler, die sich zu Altenpflegern ausbilden lassen wollen, abschrecken. Kinderärzte befürchteten auf der anderen Seite, dass das Spezialwissen, das in der Ausbildung zur Kinderkrankenpflege vermittelt wird, bei einer generalistischen Ausbildung verloren gehen könnte.
Kompromissfindung gestaltete sich als schwierig
Bereits im Januar 2016 hatte das Bundeskabinett dem Entwurf zugestimmt. In der Folge mehrte sich jedoch Kritik vonseiten der Union, die den Befürchtungen der Arbeitgeberverbände folgte, eine zu anspruchsvolle dreijährige Pflegeausbildung könne vor allem Hauptschüler abschrecken. Einen Kompromiss zu finden, gestaltete sich zwischen den Koalitionspartner als schwierig.
Der gestern verkündete Kompromiss sieht nun vor, dass alle Auszubildenden in den ersten beiden Jahren gemeinsam eine generalistische Ausbildung absolvieren. Alten- und Kinderkrankenpfleger können sich danach entscheiden, ob sie zusammen mit den Krankenpflegern die generalistische Ausbildung mit Schwerpunkt auf die Alten- beziehungsweise Kinderkrankenpflege beenden oder ob sie sich im dritten Jahr auf die Alten- beziehungsweise Kinderkrankenpflege spezialisieren wollen. Tun sie dies, beenden sie ihre Ausbildung nicht als „Pflegefachfrau/Pflegefachmann“, sondern weiterhin mit der Bezeichnung Alten- beziehungswiese Kinderkrankenpfleger.
Nach sechs Jahren sollen die Zahlen der einzelnen Abschlüsse ausgewertet werden. Haben mehr als 50 Prozent den generalistischen Abschluss mit Schwerpunkt gewählt, sollen die eigenständigen Berufsabschlüsse nicht mehr weitergeführt werden. Haben sich mehr als 50 Prozent für die eigenständigen Berufsabschlüsse entschieden, werden sie auch weiterhin beibehalten.
„Ich gehe davon aus, dass sich in beiden Bereichen weit mehr Menschen für die generalistische Ausbildung mit Schwerpunkt entscheiden werden“, meinte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Karl Lauterbach, vor Kurzem vor Journalisten in Berlin. „Denn in der Altenpflege wird diese Entscheidung mit deutlich höheren Löhnen verbunden sein.“ Zudem könne man sich nach einer generalistischen Ausbildung auch in den anderen Bereichen, zum Beispiel im Krankenhaus, bewerben. Das erzeuge einen Lohndruck. Altenpflege werde dadurch teurer. Und das sei auch richtig.
Bis zum Jahr 2030 werde die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland auf 3,5 Millionen steigen. Das sei mit dem jetzigen Angebot an Altenpflegern nicht abzudecken. „Ohne diese Ausbildung würde es nicht gelingen, diesen Fachkräftemangel zu beheben“, sagte Lauterbach. Deshalb sei das Pflegeberufsgesetz eine der wichtigsten Reformen dieser Legislaturperiode.
Gesetz soll 2019 in Kraft treten
„Aktuell ist Altenpflege ein sehr beliebter Ausbildungsberuf. Wir können es uns aufgrund des demografischen Wandels und der Ausweitungen der Leistungen der Pflegeversicherung nicht leisten, Pflegekräfte zu verlieren beziehungsweise Auszubildende abzuschrecken“, erklärte auch der pflegepolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Erwin Rüddel. Deshalb müsse auch für die Hauptschüler gelten: Wer aktuell einen Abschluss in der Altenpflege erreiche, dem müsse das auch zukünftig ermöglicht werden. Lauterbach geht hingegen davon auch, dass auch Hauptschüler den generalistischen Abschluss schaffen würden.
Lauterbach zufolge soll das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden. 2019 solle es voraussichtlich in Kraft treten.
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