Charité-Ärzte streiken für mehr Lohn und weniger Belastung

Berlin – Ärzte der Berliner Charité haben heute mit einem Warnstreik auf ihre Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht. Mehrere Hundert Ärztinnen und Ärzte der Universitätsklinik nahmen an der zentralen Kundgebung vor dem Bettenhochhaus und zogen anschließend bis vor das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in Berlin. Ein Notdienst war nach Angaben der Ärztegewerkschaft Marburger Bund eingerichtet.
Der MB hatte bereits im September bei der Ankündigung für den Ausstand erläutert, der Landesverband Berlin/Brandenburg habe in drei Verhandlungsrunden und sieben Sondierungsgesprächen versucht, eine Einigung mit der Charité zu erreichen. Das vorgelegte Angebot sei aber völlig unzureichend.
„Das Verhalten der Charité braucht eine unmissverständliche Antwort unserer Mitglieder“, hatte Peter Bobbert, Vorstandsvorsitzender des Marburger Bundes Berlin/Brandenburg, erklärt. Bobbert ist auch Präsident der Ärztekammer Berlin.
Er betonte, die Ärztinnen und Ärzte an der Charité erwarteten, dass ihrer Arbeit mehr Wertschätzung entgegengebracht werde. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hätten sie in der Pandemie unter schwierigsten Bedingungen den Krankenhausbetrieb aufrechterhalten.
„Eine Überstunde reihte sich an die andere. Ständig mussten Personalausfälle kompensiert werden, dabei sind viele Abteilungen schon im Regelbetrieb hoffnungslos unterbesetzt“, sagte Bobbert. Die Mehrbelastung müsse ein Ende haben. Die Ärzte an der Charité erwarteten eine substanzielle Verbesserung ihrer Arbeitssituation und eine ihren Leistungen entsprechende Vergütung.
„Was neu war bei diesen Verhandlungen, dass wir es geschafft haben, dass so viele Ärzte das mitverfolgen und dabei sind“, sagte die Assistenzärztin Jana Reichardt, die Mitglied der Tarifkommission und des Marburger Bundes ist.
Die Tarifkommission sei größer und dadurch diverser besetzt als zuvor. Das habe ihnen viel Rückhalt eingebracht. „Damit beugen wir auch dem Argument vor, dass es die jungen, lauten Stimmen sind, aber Einzelmeinungen. Das kann man diesmal wirklich nicht sagen.“
Dem Deutschen Ärzteblatt berichteten heute auf der Demo eine Reihe von Ärztinnen und Ärzten, wie hoch die Arbeitsbelastung an der Charité ist. „Es kommt immer öfter vor, dass du an mehreren Orten gleichzeitig sein und unterschiedliche Dinge tun sollst“, sagte Alessa, Anästhesistin in Weiterbildung.
Sie beklagte, die Rahmenbedingungen. Es käme regelmäßig dazu, dass man 24 Stunden als Anästhesist im OP stehe und Narkosen mache. „Ein Lkw-Fahrer darf nicht mehr als acht Stunden fahren, ich darf 24 Stunden Narkose machen. Ich bin auch am Ende nur ein Mensch und ich trage auch die Verantwortung“, sagte die Ärztin, für die die Charité-Station ihre erste Stelle ist. Alessa betonte, man könne zwar alles ertragen. „Man weiß aber, dass es nicht so sein sollte, das ist alles nicht gesund.“
Akin, Facharzt für Anästhesie, mahnte eine Begrenzung von Diensten an, um Entlastungen zu bekommen. Aber klar sei auch, dass mehr Personal benötigt werde, wenn man an dieser Stellschraube drehe. „Am Ende geht es einfach nur darum – was heißt einfach nur – am Ende geht es darum, es bedarf mehr Personal.“ Anders könne man das nicht machen. „Wenn jeder weniger Dienste machen soll, dann brauchen wir natürlich eine größere Personaldecke.“
„Keiner möchte von einem Arzt operiert werden, der schon zwölf Stunden lang am OP-Tisch steht“, erklärte Edda Klotz, Anästhesistin und Oberärztin der Charité. Sie sprach von einer Spirale. Wenn die Arbeitsbedingungen so bleiben würden, werde das von vielen Kollegen nicht mehr toleriert. Das wiederum mache die Kollegen unzufrieden und krank. „Man kann seine Patienten nicht so versorgen, wie man es gerne möchte“, sagte sie. Dadurch gebe es „einfach Personalschwund“. „So möchte keiner Arbeiten, dass ist einfach nicht tolerabel und es ist auch für die Patienten nicht tolerabel, zu deren Wohl das natürlich auch ist.“
Auch Florian, Pädiater in Weiterbildung, betonte, dass es am Ende darauf hinauslaufen müsse, dass man mehr Personal benötige. Gerade erst sei ein Finanztopf ausgelaufen, der während der Coronapandemie ein paar Stellen mehr finanziert habe. Die Ärztinnen und Ärzte hätten die Charité nun verlassen müssen und „die Dienstpläne sehen auch jetzt schon wieder entsprechend aus“.
Die Radiologin Stefanie wies darauf hin, wie wichtig der Streik sei. Das gelte vor allem in Sachen Überstunden, Minusstunden, die nach dem Bereitschaftsdienst angerechnet würden und überhaupt für die Arbeitsbedingungen, da man kaum Zeit für die Patienten finde. „Auch wir in der Radiologie sind davon betroffen, vielleicht nicht so stark wie andere Abteilungen, aber wir sind vor allem solidarisch mit den anderen in der Primärversorgung“, sagte sie.
Hintergrund des Warnstreiks sind Verhandlungen über eine Weiterentwicklung des Haustarifvertrags. Ein Charité-Sprecher hatte zu der Warnstreikankündigung auf Anfrage mitgeteilt, dass sich die Verhandlungen durch eine Vielzahl an Themen „sehr komplex, aber konstruktiv“ gestalteten. Angestrebt werde eine gute Lösung für alle Seiten. Die Charité habe ein „differenziertes Paket mit Angeboten zu Arbeitszeit und Entlastung, Fort- und Weiterbildung, Entbürokratisierung und Gleichstellung“ vorgelegt.
Der Gewerkschaft reicht das bisherige Angebot nicht aus. Sie fordert unter anderem mehr Gehalt und mehr Planungssicherheit bei Bereitschaftsdiensten. „Wir müssen halt immer wieder kurzfristig einspringen, Lücken füllen“, sagte Reichardt. Das sei körperlich belastend und mache das Leben zudem schwer planbar.
„Dafür sollte es einen extra Zuschlag geben. Mit Geld allein ist das zwar nicht aufzuwiegen, aber es ist ein Element der Steuerung.“ Reichardt setzt dennoch auf Verhandlungen: „Meine Hoffnung ist, dass es weniger als ein Angriff verstanden wird und mehr als Angebot, gemeinsam Veränderung zu bewirken.“
Nach Angaben des Marburger Bundes sind rund 2.700 Ärzte und Ärztinnen an allen drei Standorten der Charité zum Streik aufgerufen. Die Charité zählt mit konzernweit rund 21.000 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern Berlins. Die zentrale Kundgebung fan heute am Bettenhochhaus der Charité/Robert-Koch-Platz stattfinden. Es handelt sich um den ersten Streik von Ärzten seit mehr als 15 Jahren an der Charité.
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