COVID-19: Spahn gegen Gesetz zur Regelung der Triage

Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht trotz der Corona-Pandemie offenbar keine Notwendigkeit, per Gesetz zu regeln, welcher Patient im Fall von unzureichenden Behandlungskapazitäten zuerst medizinisch versorgt werden soll.
„Gesetzgeberischer Handlungsbedarf zu diesen medizinischen Fragen besteht nicht“, heißt es in einer Antwort des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen, über die das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) berichtet.
In seiner Antwort verweist das Ministerium demnach lediglich auf die gemeinsame Empfehlung mehrerer ärztlicher Fachgesellschaften und eine Stellungnahme des Deutschen Ethikrates. Die Grünen kritisieren die Antwort.
„Wenn sich Ärztinnen und Ärzte bei Triage-Entscheidungen an die Empfehlungen der Fachgesellschaften und des Ethikrats hielten, hätten viele behinderte Menschen so gut wie keine Chance auf eine lebenserhaltende Behandlung“, sagte die Grünen-Sprecherin für Behindertenpolitik, Corinna Rüffer.
Patienten würden demnach unter anderem auf einer „Gebrechlichkeits-Skala“ einsortiert. „Viele behinderte Menschen landen da weit hinten, und zwar ganz unabhängig davon, ob sie mithilfe einer Intensivbehandlung wieder gesund werden könnten“, beklagte die Politikerin.
„Anstatt dafür zu sorgen, dass auch behinderte Menschen eine gleichberechtigte Chance auf Zugang zur lebensrettenden Therapie bekommen, leistet die Bundesregierung verfassungswidrigen Empfehlungen Vorschub“, kritisierte Rüffer. „Das ist auch aus Sicht von Ärztinnen und Ärzten untragbar, die im Fall einer strafrechtlichen Ahndung auf die Nachsicht der Gerichte hoffen sollen.“
Rüffer forderte den Bundestag auf, aktiv zu werden. „Jetzt steht das Parlament in der Pflicht, gesetzliche Regelungen zu schaffen, die einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten."
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz weist darauf hin, dass nur das Parlament die demokratische Legitimation habe, ethische Regeln über die Verteilung von Lebenschancen festzulegen. „Es ist offenkundig, dass es Regelungsbedarf bei der Triage-Diskussion gibt“, erklärte Vorstand Eugen Brysch.
Die Richtlinien des Deutschen Ethikrats und der medizinischen Fachgesellschaften widersprächen sich in einem „entscheidenden“ Punkt: „Die Fachgesellschaften schreiben den Ärzten das Recht zu, bei einem Intensivpatienten die Therapie einzustellen, um einen anderen Patienten mit höherer Erfolgsaussicht zu versorgen. Ein solches Vorgehen hält der Ethikrat für rechtswidrig.“ Deshalb müsse der Bundestag jetzt klären, ob das Kriterium Erfolgsaussicht oder Dringlichkeit Vorrang haben solle.
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