Sechs Millionen Euro für Cannabisprävention, Nachtragshaushalt 2021 gekippt

Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium bekommt sechs Millionen Euro mehr für die Cannabisprävention im Zuge des geplanten Cannabisgesetzes. Das geht aus der sogenannten „Bereinigungsvorlage“ für die Haushaltsberatungen am morgigen Donnerstag hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen.
Damit steigt der Etat des Bundesgesundheitsministeriums für Präventionsmaßnahmen im Bereich Drogen- und Suchtmittelmissbrauch auf mehr als 15 Millionen Euro. Bei der Vorlage des Haushaltes im September waren diese zusätzlichen Mittel von sechs Millionen Euro noch nicht enthalten.
Ebenso steigen wird der Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums im Bereich Digitalisierung: So sollen vier Millionen Euro mehr für die „Experimentelle Pilotprojekte zur Entwicklung und Testung von Versorgungs- und Ausbildungsmodellen für Gesundheitsversorgung, Rehabilitation und Pflege“ als begleitende Maßnahmen zur Einführung der elektronischen Patientenakte ausgegeben werden.
Dafür hatte das Ministerium bereits neun Millionen Euro festgelegt. Insgesamt steigt der Betrag damit auf 13 Millionen Euro in dem Bereich.
Neu ist in der Vorlage auch, dass durch die steigende Zahl von Kinderkranktagen dem Gesundheitsfonds nun 130 Millionen Euro mehr aus dem Bundeshaushalt zugeführt werden. Damit bekommt der Fonds in diesem Bereich insgesamt 140 Millionen Euro.
Die Bereinigungssitzung des Bundestags für den Haushalt für das kommende Jahr wird von einer heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) überschattet. Das oberste deutsche Gericht hatte den Nachtragshaushalt 2021 wegen Verstoßes gegen Ausnahmen bei der Schuldenbremse für verfassungswidrig und nichtig erklärt.
Mit der Etatänderung wollte die Bundesregierung Kredite in den Klimaschutz investieren, die ursprünglich für Coronamaßnahmen gedacht waren. Der Umfang des „Klima- und Transformationsfonds“, in dem das Geld nun eingeplant ist, schrumpft daher um 60 Milliarden Euro. Der Etat des BMG soll von den Kürzungen nicht direkt betroffen sein.
„Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren“, erklärte das höchste deutsche Gericht heute in Karlsruhe. Die Unionsfraktion im Bundestag hat damit erfolgreich gegen das Umschichten geklagt (Az. 2 BvF 1/22).
Die Entscheidung des Verfassungsgerichts bezieht sich auf den Haushalt 2021. Wegen der Notfallsituation während der Coronapandemie hatte der Bund diesen in Form einer Kreditermächtigung um 60 Milliarden Euro aufgestockt. In solch außergewöhnlichen Situationen oder auch bei Naturkatastrophen ist es trotz Schuldenbremse möglich, Kredite aufzunehmen.
Am Ende wurde das Geld aber nicht für die Bewältigung der Pandemie und der Folgen gebraucht. Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP wollte das Geld daher für den sogenannten Klima- und Transformationsfonds nutzen und schichtete es mit Zustimmung des Bundestages rückwirkend um – allerdings erst im Jahr 2022.
Das Gericht stellte nun klar, dass es einen Zusammenhang zwischen der außergewöhnlichen Notsituation und den mit dem Geld bezahlten Maßnahmen geben müsse. Dies habe der Gesetzgeber nicht ausreichend deutlich gemacht, sagte die Vorsitzende Richterin Doris König.
Sie verwies auf die wiederholte Inanspruchnahme der Möglichkeit notlagenbedingter Kreditmittel und den Umstand, dass die zunächst für erforderlich erachteten Kreditermächtigungen zum Ende des Haushaltsjahres nicht zur Krisenbewältigung verwandt worden sind.
Außerdem dürften die einem Sondervermögen infolge von Notsituationen zugeführten Mittel nur in demjenigen Haushaltsjahr eingesetzt werden, für das sie bereitgestellt wurden. Auch müsse das Parlament einen Nachtragsentwurf bis zum Jahresende beschließen.
„Die faktisch unbegrenzte Weiternutzung von notlagenbedingten Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushaltsjahren ohne Anrechnung auf die ,Schuldenbremse' bei gleichzeitiger Anrechnung als ,Schulden' im Haushaltsjahr 2021 ist demzufolge unzulässig“, so das Gericht.
Kyrill-Alexander Schwartz, Professor für öffentliches Recht, ordnete das Urteil auf Phönix ein. Wenn die Verfassung sage, es gehe um Notlagenbewältigung, dann müsse zwischen Kredit und Notlage in einer aktuellen Situation ein Zusammenhang bestehen.
„Den hat der Gesetzgeber nicht darlegen können. Und fairerweise muss man auch sagen, den konnte er nicht darlegen“, so Schwartz. Denn die Klimakrise sei nichts, was über Nacht wie die Coronakrise gekommen sei. Das sei der zenrale Unterschied.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte heute in einer Pressekonferenz, die Regierung werde das Urteil genau prüfen und beachten. Am Zeitplan für den Bundeshaushalt 2024 wolle man festhalten.
„Der Deutsche Bundestag wird seine Beratung über den Haushalt 2024 wie geplant fortsetzen“, sagte Scholz. Die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses bleibe für den morgigen Donnerstag terminiert, der Haushalt werde dann planungsgemäß zur Abstimmung gestellt.
Klar ist Scholz zufolge aber, dass das Urteil Auswirkungen auf den Klima- und Transformationsfonds haben werde. „60 Milliarden Euro an Zuflüssen aus dem Jahr 2021 stehen nun ja nicht mehr zur Verfügung“, betonte der Kanzler.
Das Bundesfinanzministerium reagierte heute direkt und legte Vorhaben, die aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden sollten, vorübergehend auf Eis.
Das gelte für Verpflichtungsermächtigungen für 2024 und die Folgejahre – mit Ausnahme von Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der Erneuerbaren Energien im Gebäudebereich, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor der Presse. Man werde umgehend damit beginnen, einen neuen Wirtschaftsplan für den Klima-und Transformationsfonds für die Jahre 2024 fortfolgend aufzustellen.
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