Haushälter verändern Ausgabeposten des Gesundheitsetats

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll in diesem Jahr 16,71 Milliarden Euro ausgeben können (Einzelplan 15 Gesundheit). Den Etat hat der Haushaltsausschuss des Bundestags in seiner Bereinigungssitzung beschlossen, wie der Bundestag heute mitteilte.
Demnach sind die Haushälter noch einmal an einigen Punkten an die Vorlage der Bundesregierung rangegangen. Komplett neu in den Etat aufgenommen wurden unter anderem 346,23 Millionen Euro für Zuschüsse zur zentralen Beschaffung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2.
Darüber hinaus veränderten die Haushälter mehrere Ausgabeposten des Regierungsentwurfs. Von 10,5 Millionen Euro auf 140,5 Millionen Euro erhöhten sie die Leistungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für durch die SARS-CoV-2-Pandemie verursachte Belastungen.
Gekürzt wurde bei der Finanzierung von Pandemiebereitschaftsverträgen, und zwar von 544,77 Millionen Euro auf 486,12 Millionen Euro, wie der Bundestag mitteilte.
Aufgestockt wurde bei der Stärkung der internationalen öffentlichen Gesundheit – von 50 Millionen Euro auf 60,25 Millionen Euro. Um die Kosten der internationalen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zu decken, wurde der Regierungsansatz von 5,03 Millionen Euro auf 6,28 Millionen Euro erhöht.
Mehr Geld gibt es für Projekte und Maßnahmen zur Erprobung von Anwendungen mit großen Datenmengen im Gesundheitswesen. Der Haushaltsausschuss erhöhte die Mittel dafür um 4,65 Millionen Euro auf 32,79 Millionen Euro. Für Aufträge und Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnik werden statt 4,63 Millionen Euro im Entwurf nun 14,56 Millionen Euro bereitgestellt.
Auch für die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung soll es mehr Geld geben. Die Haushälter stockten den Regierungsansatz von 17,53 auf 22,38 Millionen Euro auf.
Die Aufklärung über sexuell übertragbare Krankheiten darf 13,08 Millionen Euro kosten statt nur 9,9 Millionen Euro wie im Entwurf vorgesehen. Für die Aufklärung über den Drogen- und Suchtmittelverbrauch stehen 19,21 Millionen Euro zur Verfügung gegenüber 15,21 Millionen Euro, die die Regierung vorgesehen hatte.
Die Ausgaben für Forschung, Untersuchungen und Ähnliches erhöhte der Ausschuss von 29,38 Millionen Euro auf 38,77 Millionen Euro. Damit soll unter anderem der professionelle Umgang mit Wünschen nach einem assistierten Suizid erforscht werden, vor allem mit Blick auf die Pflegefachpersonen.
Außerdem soll damit der Projektentwurf „Pflegehotel und rehabilitativ orientierte Kurzzeitpflege“ gefördert werden. Neu in den Etat aufgenommen wurden sieben Millionen Euro für Modellmaßnahmen zur Versorgung von an Long Covid erkrankten Kindern und Jugendlichen.
Insgesamt ist der Haushalt des Ministeriums deutlich geschrumpft. Der Regierungsentwurf sah Ausgaben von 16,22 Milliarden Euro vor, 2023 standen dem Gesundheitsministerium noch 24,48 Milliarden Euro zur Verfügung. Die „pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben“, die Zuführung an den Gesundheitsfonds, umfasst wie in den Vorjahren 14,5 Milliarden Euro.
Im laufenden Jahr kann der Minister nach Informationen des Bundestags wie im Entwurf vorgesehen mit Einnahmen von 104,32 Millionen Euro rechnen (Soll 2023: 104,17 Millionen Euro). Die Verpflichtungsermächtigungen belaufen sich auf 330,48 Millionen Euro (Regierungsentwurf: 165,08 Millionen Euro; Soll 2023: 1,1 Milliarden Euro). Einsparen muss das Bundesministerium für Gesundheit in diesem Jahr statt 13 Millionen Euro nun 23,57 Millionen Euro.
Der komplette Bundeshaushalt, den der Haushaltsausschuss des Bundestages gestern Abend beschlossen hta, verfügt über einen Gesamtetat mit Ausgaben von rund 476,8 Milliarden Euro und neuen Krediten in Höhe von rund 39 Milliarden. Die Schuldenbremse soll damit nach jahrelangen Ausnahmen wieder voll greifen – jedenfalls vorerst.
Bundestag und Bundesrat sollen Anfang Februar endgültig über den Haushalt 2024 entscheiden. Die Bereinigungssitzung des mächtigen Haushaltsausschusses gilt jedoch schon als entscheidende Etappe auf dem Weg zur Verabschiedung im Parlament. Die wichtigsten Fragen sind nun geklärt.
„Als Koalitionsfraktionen stellen wir, trotz unterschiedlicher Blickwinkel, vor dem Hintergrund multipler Krisen und trotz einer schwierigen Ausgangssituation dieser parlamentarischen Beratungen nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil einen ausgewogenen Haushalt auf“, erklärten die Haushälter Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) nach der Sitzung.
Klare Schwerpunkte lägen auf sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlichen Anreizen auch in der Steuerpolitik, Investitionen in Klimaschutz, einer Stärkung der Demokratie und internationalem Zusammenhalt. Gleichzeitig würden Subventionen abgebaut.
Eigentlich sollte der Bundeshaushalt für das laufende Jahr schon längst in trockenen Tüchern sein. Ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts Mitte November aber durchkreuzte die Pläne der Ampelkoalition. Die Folge: Im Haushalt sowie im Fonds für Investitionen in Klimaschutz und den Umbau der Wirtschaft mussten Milliardenlöcher gestopft werden.
Darüber verhandelten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP wochenlang – und sie trafen heftig umstrittene Kürzungs- und Sparentscheidungen. Verbraucher müssen sich auf teurere Flüge und höhere Preise beim Tanken und Heizen einstellen. Die Ticketsteuer für Passagierflüge sowie der CO2-Preis auf Heizöl, Gas und Sprit sollen steigen und mehr Geld in die Staatskasse bringen.
Wegen der geplanten schrittweisen Abschaffung von Steuerentlastungen beim Agrardiesel gehen bundesweit seit Wochen Landwirte auf die Straßen. Trotz der Proteste rückte die Ampelkoalition von diesen Plänen auch im Haushaltsausschuss nicht ab. „Die Ampelkoalition steht zu diesem Kompromiss“, sagte Grünen-Haushälter Kindler.
Bauernpräsident Joachim Rukwied drohte vor der Sitzung mit neuen weitreichenden Protesten ab Montag, sollten die geplanten Subventionskürzungen nicht zurückgenommen werden. Die bisherigen Proteste seien das „Vorbeben“ gewesen, warnte er.
Mit der Bereinigungssitzung fand die Hängepartie um den Haushalt gestern ihren vorläufigen Höhepunkt. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil hatte der Haushaltsausschuss im November entschieden, den Etat 2024 zunächst nicht abschließend zu beraten. Das wurde nun nachgeholt.
In der mehr als neunstündigen Sitzung beschlossen die Haushälter noch einige Änderungen am Entwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Unter anderem wird es einen zuvor geplanten Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit an den Bundeshaushalt in Höhe von 1,5 Milliarden Euro 2024 nun nicht geben.
Grund sei ein besserer Jahresabschluss im Bundesetat 2023, der finanziellen Spielraum schafft, sagten Ampelpolitiker. „Die Ampel scheint eingesehen zu haben, dass die Sozialversicherungen kein Selbstbedienungsladen sind“, kommentierte der Chefhaushälter der Union, Christian Haase.
Außerdem soll die geplante Verschärfung von Sanktionen beim Bürgergeld auf zwei Jahre befristet werden. Vorgesehen ist, dass Jobcenter Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate streichen dürfen, wenn die Betroffenen zumutbare Jobs immer wieder verweigern. Um die Bauwirtschaft anzukurbeln, will die Koalition in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro zusätzlich in den klimafreundlichen Neubau investieren.
Aussetzung der Schuldenbremse vorerst vom Tisch
Aus den Überschüssen des Etats 2023 sollen auch Hilfen über 2,7 Milliarden für Opfer der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal finanziert werden. Zunächst hatte sich die Koalition die Option offengehalten, für diese Gelder erneut eine Notlage zu erklären und die Schuldenbremse auszusetzen. Das sei nun nicht nötig, hieß es.
Doch ganz sicher ist noch nicht, dass die Schuldenbremse nach mehreren Jahren mit Ausnahmen 2024 wieder eingehalten wird. SPD, Grüne und FDP haben vereinbart: Sollte später im Jahr mehr Geld zur Unterstützung der Ukraine nötig werden – zum Beispiel, weil US-Hilfen ausfallen – könnte man doch zusätzliche Kredite genehmigen.
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht nur eine eng begrenzte Nettokreditaufnahme vor. Im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen kann sie aber ausgesetzt werden, wenn die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird.
Die Organisation One und andere Verbände kritisierten, die Entwicklungszusammenarbeit solle im Vergleich zu 2023 insgesamt um knapp zwei Milliarden Euro gestutzt werden. Verkehrsverbände kritisieren geplante Kürzungen von Mitteln für den Schienengüterverkehr sowie für den Radverkehr.
Die Linke hat den Bundeshaushalt für das laufende Jahr scharf kritisiert. „Es ist ein unsozialer und ungerechter Kürzungshaushalt ohne Weitsicht“, sagte die Linken-Parteichefin Janine Wissler. Sie nannte unter anderem Sanktionen für Bezieher von Grundsicherung, bemängelte das Fehlen eines Klimageldes als Ausgleich für den höheren CO2-Preis und beklagte Kürzungen bei der humanitären Hilfe und beim Klimaschutz.
„Die Ampelkoalition trägt weiter dazu bei, die sozialen Spannungen zu verschärfen, indem sie den Diskurs auf Bürgergeldempfänger und Flüchtlinge lenkt, um von der eigenen verfehlten Politik abzulenken“, kritisierte Wissler. Sie beklagte, dass Superreiche nicht stärker belastet werden sowie die Weigerung, die Schuldenbremse auszusetzen. „Insgesamt ist das ein klarer Angriff auf alle Menschen mit kleinem und durchschnittlichem Geldbeutel, während Konzerne mit obszönen Gewinnen weiter profitieren“, urteilte die Linke-Parteichefin.
Die Unionsfraktion hält den vom Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossene Etat 2024 für Stückwerk mit falschen Prioritäten. Man brauche einen „komplett neuen Haushalt“, sagte der haushaltspolitische Sprecher Christian Haase heute in Berlin in der Bundespressekonferenz. „Das, was wir hier sehen, ist eine Reparatur der Reparatur der Reparatur.“
Ein neuer Haushalt müsse Prioritäten bei der inneren und äußeren Sicherheit sowie bei der Stimulierung der Wirtschaft setzen. Haase bescheinigte der Ampelkoalition allerdings, dass mit dem Entwurf die Schuldenregel des Grundgesetzes im Augenblick eingehalten werde.
Der Haushaltspolitiker kritisierte, dass die Ampel noch immer ihre „Lieblingsprojekte“ finanziere. „Die Ampel ist nach wie vor nicht bereit, über ihre eigenen Projekte überhaupt mal nachzudenken. Sie spart nicht oder nur wenig, zwei, drei Milliarden insgesamt, der Rest sind Mehrbelastungen.“ Haase bezweifelte, dass sich die geplanten Einsparungen beim Bürgergeld durch schärfere Sanktionen für Totalverweigerer realisieren lassen. „Das ist ein Hoffnungswert.“
Der CDU-Politiker ging davon aus, dass die Ampelkoalition beim Haushalt für das kommende Jahr erhebliche Probleme bekommen wird. Er rechnete mit einem haushaltspolitischen Handlungsbedarf von 36 Milliarden Euro.
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