Deutlicher Anstieg der Fälle häuslicher Gewalt

Berlin – Die Fälle häuslicher Gewalt in Deutschland haben deutlich zugenommen. Vergangenes Jahr wurden 240.547 Opfer registriert, ein Anstieg um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 71,1 Prozent der Opfer waren weiblich, wie aus dem heute vorgestellten Lagebild für 2022 hervorgeht.
65,6 Prozent der Opfer waren demnach von Partnerschaftsgewalt betroffen, 34,4 Prozent von innerfamiliärer Gewalt. Die Zahlen sollten „jeden aufrütteln“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).
Bei den Fällen von Gewalt in Partnerschaften gab es 2022 dem Lagebericht zufolge einen Anstieg um 9,4 Prozent. Die Behörden registrierten hier laut BKA 157.550 Fälle mit 157.818 Opfern, das entspricht rund 432 Fällen pro Tag. Im Jahr davor waren es 144.044 Fälle.
Bei der Partnerschaftsgewalt waren im vergangenen Jahr 80,1 Prozent der Opfer weiblich. In 39,5 Prozent der Fälle ging die Gewalt demnach von ehemaligen Partnerinnen und Partnern aus, in 31,1 Prozent der Fälle waren es Ehepartnerinnen und Ehepartner, in 29,1 Prozent Partnerinnen und Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften.
„Häusliche Gewalt ist Alltag in Deutschland“, sagte Faeser. Gewalt im engsten Umfeld betreffe viele Frauen, aber auch Kinder oder Pflegebedürftige. Sie fange „nicht erst mit Schlägen oder Misshandlungen an, es geht auch um Stalking und Psychoterror“, sagte Faeser. Die Bundesregierung wolle die Betroffenen ermutigen, Taten anzuzeigen.
Als eine Maßnahme zur besseren Prävention nannte Faeser die verstärkte Aus- und Fortbildung in der Polizei, um bei Taten schnell und sensibel zu reagieren. Auch dürften Gewalttäter nicht schnell wieder vom Radar verschwinden: „Sie müssen nach dem ersten gewaltsamen Übergriff aus der Wohnung verwiesen werden“, so Faeser.
Die gestiegenen Zahlen zeigen nach den Worten von Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne): „Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches und alltägliches Problem.“ Sie werde ausgeübt, „um Macht über Frauen aufrechtzuerhalten“.
Paus betonte, sie setze sich dafür ein, „die Lücken im Netz der Frauenhäuser und Beratungsstellen zu schließen“. Frauen müssten „überall in Deutschland einen sicheren Zufluchtsort und kompetente Beratung und Hilfe finden“.
Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, verwies darauf, dass erstmals ein Lagebild Häusliche Gewalt erhoben worden sei. Es schreibe die seit 2015 jährlich veröffentlichte Auswertung Partnerschaftsgewalt fort. Münch betonte, die Zahlen betrachteten nur das „Hellfeld“. Das Dunkelfeld im Bereich häuslicher Gewalt sei aber erheblich.
Um das Ausmaß zu ermitteln, startet den Angaben zufolge in diesem Juli eine umfassende Dunkelfeldstudie mit dem Titel „Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag“ (LeSuBiA). Deutschlandweit sollen demnach 22.000 Menschen befragt werden, erste Ergebnisse 2025 vorliegen.
Bei den Delikten im Rahmen häuslicher Gewalt werden in dem Bericht 702 Opfer vollendeter oder versuchter Tötungsdelikte aufgeführt, zudem 23 Opfer von Körperverletzung mit Todesfolge. Dem Lagebericht zufolge gab es 28.589 Opfer von gefährlicher Körperverletzung sowie 135.502 Opfer von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung.
Die Zahl der Opfer von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder sexuellen Übergriffen lag demnach bei 4.529. Registriert wurden zudem 57.376 Opfer von Bedrohung, Stalking und Nötigung im Rahmen häuslicher Gewalt.
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