„Die politikunabhängige Erarbeitung von Impfempfehlungen ist für ihre Akzeptanz ganz entscheidend“
Berlin – Vor Kurzem wurde Klaus Überla zum neuen Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) gewählt. Im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt äußert sich der Direktor des Virologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg unter anderem dazu, wie er die Arbeit gestalten will und welche Ziele er sich gesetzt hat.
Überla arbeitet seit März 2017 ehrenamtlich für die STIKO. Dem Gremium gehören neben dem Virologen 18 weitere ehrenamtliche Mitglieder an.

Wie möchten Sie als neuer Vorsitzender der STIKO Ihre Arbeit gestalten, welche Ziele haben Sie sich persönlich gesteckt?
Mir ist wichtig, dass wir die politikunabhängige Erarbeitung von Impfempfehlungen anhand der Kriterien der evidenzbasierten Medizin (EbM) in der STIKO konsequent fortsetzen.
Gleichzeitig halte ich – unter Berücksichtigung der EbM-Kriterien – eine rasche Erarbeitung der Impfempfehlungen und eine intensive Begleitkommunikation für erforderlich. Damit soll die Akzeptanz der STIKO-Empfehlungen in der Ärzteschaft und der Bevölkerung weiter gestärkt werden.
Voraussetzung dafür ist aber auch eine entsprechende Ausstattung der STIKO-Geschäftsstelle. Wir haben bereits jetzt die Situation, dass wir bei der Erarbeitung von Impfempfehlungen Priorisierungen vornehmen müssen.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass einige Empfehlungen – wie zum Beispiel zum respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) – nicht so zeitnah bearbeitet werden konnten. Wir haben auf unserer To-Do-Liste aktuell eine Reihe von Fragestellungen, für die die Evidenz erfasst werden müsste. Da hoffe ich auf eine bessere Ausstattung der STIKO-Geschäftsstelle und des der STIKO zuarbeitenden Robert-Koch-Instituts.
In der COVID-19-Pandemie zeigte sich, dass die Unabhängigkeit der STIKO wertvoll war. Was unternehmen Sie, damit diese erhalten bleibt?
Die politikunabhängige Erarbeitung von Impfempfehlungen – basierend auf den EbM-Kriterien – ist für die Akzeptanz der Empfehlungen ganz entscheidend. Dementsprechend werde ich mich bei jeder Gelegenheit für die Beibehaltung der Unabhängigkeit der STIKO von Interessen der Politik und der Impfstoffhersteller einsetzen.
14 der insgesamt 19 STIKO-Mitglieder sind neu in der STIKO vertreten. Wie wollen Sie ihre Zusammenarbeit gestalten? Wie häufig werden sie sich beraten und persönlich treffen?
In der STIKO wird die Hauptarbeit in thematischen Arbeitsgruppen durchgeführt. Dort erfolgt nach den Vorarbeiten der STIKO-Geschäftsstelle sowie anderer Abteilungen des RKI die eigentliche Erarbeitung der Impfempfehlungen. Wir können in den thematischen Arbeitsgruppen auch externe Kolleginnen und Kollegen, die eine besondere Expertise auf dem entsprechenden Gebiet besitzen, hinzuziehen.
Die Beschlussvorschläge der Arbeitsgruppen werden dann von der gesamten STIKO, die dreimal im Jahr in Präsenz tagt, beschlossen. Zwischen diesen STIKO-Sitzungen erfolgen Beratungen der STIKO auch in virtuellen Treffen oder gelegentlich im Umlaufverfahren. Entsprechende Änderungen der Geschäftsordnung wurden in der konstituierenden Sitzung letzte Woche auf den Weg gebracht. Dieses Vorgehen hat sich in der Vergangenheit bereits sehr bewährt.
Für neue Mitglieder der STIKO mag eine gewisse Einarbeitungszeit erforderlich sein. Aber durch die Kontinuität, die mit der STIKO-Geschäftsstelle gewährleistet wird, ist es auch möglich, sich schnell in die Thematik einzuarbeiten.
Mit welchen Themen wird sich die STIKO neben den Empfehlungen für die RSV-Prophylaxe als erstes auseinandersetzen?
Zunächst setzen wir sinnvollerweise die bereits begonnenen Themen fort. Dazu gehört die Empfehlung für die Prophylaxe von Infektionen mit dem respiratorischen Synzytial-Virus. Die STIKO hat in ihrer konstituierenden Sitzung bereits einen konkreten Beschlussentwurf zum Schutz von Säuglingen abgestimmt. Ich rechne hier noch vor der diesjährigen Sommerpause mit einer Entscheidung, vermutlich im Juli.
Weitere in naher Zukunft zu bearbeitende Themenkomplexe sind die Aktualisierungen der Empfehlungen für die Pneumokokkenimpfung bei Kindern mit dem 20-valenten Konjugatimpfstoff und für die Verabreichung des Meningokokken-ACWY-Konjugatimpfstoff. Weiterhin beschäftigen wir uns mit dem adjuvantierten Influenzaimpfstoff für Erwachsene und führen einen systematischen Review zur Influenzaimpfung für Kinder durch.
Wie verbinden Sie persönlich, aber auch die anderen Mitglieder, diese ehrenamtliche Arbeit in der STIKO mit Ihrem Hauptberuf?
Hier ist zunächst einmal zu erwähnen, dass wir aufgrund unserer zum Teil jahrzehntelangen hauptberuflichen Tätigkeit überhaupt in die STIKO berufen worden sind. Daher besteht eine inhaltliche Überlappung zwischen Hauptberuf und Ehrenamt.
Außerdem unterstützt die Geschäftsstelle sehr professionell einen großen Teil der STIKO-Arbeit. Daher hoffe ich, dass auch der Vorsitz der STIKO mit meiner Tätigkeit als Hochschullehrer und Wissenschaftler vereinbar ist.
Besonderen Respekt verdienen aus meiner Sicht die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, die teilweise ihre Sprechstunden ausfallen lassen, um den STIKO-Aufgaben nachzukommen. Für sie ist es deutlich schwieriger, die ehrenamtliche mit der hauptberuflichen Tätigkeit zu kombinieren.
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