Ärzteschaft

Digitale Kommunikation erfolgt nur selten über Sektorengrenzen hinweg

  • Dienstag, 16. Januar 2024
/mrmohock, stock.adobe.com
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Berlin – Zwischen Arztpraxen und Krankenhäusern herrscht weiterhin nur wenig digitaler Austausch. Das geht aus dem neuen Praxisbarometer Digitalisierung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervor, das heute vorgestellt wurde. Demnach hat die Digitalisierung in den Praxen im vergangenen Jahr in vielen Bereichen an Fahrt auf­genommen.

Insbesondere bei der Kommunikation der Niedergelassenen untereinander sowie bei der Nutzung von Anwen­dungen der Telematikinfrastruktur (TI) ist dem Praxisbarometer zufolge ein signifikanter Zuwachs erkennbar. Allerdings ist der Anteil der digitalen Kommunikation gerade im Austausch mit den Krankenhäusern weiterhin gering.

„Die Digitalisierung macht leider immer noch an den Sektorengrenzen Halt“, erklärte KBV-Vorstandsmit­glied Sibylle Steiner bei der Vorstellung der zum sechsten Mal vom IGES-Institut durchgeführten Befragung, an der fast 3.200 Praxen teilnahmen.

Demnach sagten nur knapp sieben Prozent der Befragten, dass die schriftliche Kommunikation mit Krankenhäu­sern nahezu komplett oder mehrheitlich digital erfolgt. 77 Prozent gaben an, mehrheitlich oder nahezu komplett in Papierform zu kommunizieren. Auf diesem niedrigen Niveau verharrt der Anteil der digitalen Kommunikation mit den Krankenhäusern seit mehreren Jahren.

Besser sieht es bei der Kommunikation mit Patienten sowie mit Kollegen in der ambulanten Versorgung aus. Sie findet zu 41 beziehungsweise 23 Prozent (nahezu) komplett oder mehrheitlich digitalisiert statt. Ins­be­sondere der Anteil digitaler Patientenkommunikation wächst seit Jahren kontinuierlich und hat einen neuen Höchststand erreicht.

Dass es speziell bei der Kommunikation mit dem stationären Sektor noch Defizite gibt, sei vor allem deshalb be­sonders gravierend, weil die befragten Niedergelassenen darin durchaus einen großen Nutzen sehen würden, heißt es im Bericht.

Das gilt demnach insbesondere für die Übermittlung von Krankenhausentlassbriefen: 71 Prozent der Befrag­ten gaben an, diese für besonders nützlich zu halten, gefolgt von 46 Prozent bei Behandlungsverläufen und Therapie­empfehlungen sowie 40 Prozent bei Informationen über die Medikation.

Demgegenüber ist die Zunahme der digitalen Kommunikation mit anderen Niedergelassenen vor allem von einer Anwendung innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) getrieben: dem Dienst Kommunikation im Medi­zinwesen (KIM). Nutzten ihn 2022 noch 20 Prozent zur Kommunikation mit anderen ambulanten Einrich­tungen, waren es im vergangenen Jahr bereits 38 Prozent.

Interkollegiale Kommunikation Schwerpunkt

„Die interkollegiale Kommunikation bildet eindeutig den Schwerpunkt bei den Erwartungen der Praxen“, erklärte Steiner bei der Vorstellung der Ergebnisse. „Die Einführung neuer Anwendungen sollte sich deshalb auf Bereiche konzentrieren, in denen der medizinische Nutzen am höchsten ist, wie Entlassbriefe, eArztbriefe, Befund- und Labordaten.“

Bei digitalen Angeboten der Praxen an ihre Patienten wiederum ist in allen Bereichen eine Zunahme zu verzeich­nen. Hier haben besonders die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) zugelegt. 26 Prozent der Praxen gaben an, DiGA-Verordnungen anzubieten, im Vorjahr waren es noch 19 Prozent.

Mehr als verdoppelt hat sich der Anteil der Praxen, die ihren Patienten anbieten, dass sie vor dem Termin Doku­mente übermitteln können. Er stieg von zwölf Prozent im Jahr 2022 auf 25 Prozent im vergangenen Jahr.

Auch die Nutzung von TI-Anwendungen hat deutlich zugenommen: 92 Prozent der Befragten nutzen inzwi­schen die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) nach 81 Prozent im Vorjahr, 53 Prozent elektronische Arztbriefe nach 40 Prozent im Jahr 2022.

Die Nutzung des elektronischen Medikationsplans stieg von 28 Prozent auf 37 Prozent, die des Notfalldaten­ma­nagements (NFDM) von 19 auf 24 Prozent. Einen besonders großen Sprung machte die Nutzung des elektronischen Rezepts (E-Rezept): Stellten 2022 nur acht Prozent der Praxen elektronische Verordnungen aus, waren es 2023 29 Prozent.

Durchwachsener sind die Ergebnisse zur Zufriedenheit mit den jeweiligen Anwendungen. Die höchsten Werte weist die eAU auf, fast 50 Prozent der Praxen gaben an, mit ihr zufrieden oder sehr zufrieden zu sein – eine Ver­besserung um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Allerdings zeigten sich viele Befragte unzufrieden damit, dass das Verfahren nur unvollständig digitalisiert ist. Denn Arztpraxen sind trotz der digitalen Übermittlung der AU-Daten verpflichtet, dem Patienten auf Wunsch einen Ausdruck der AU-Bescheinigung auszuhändigen. Das führt dazu, dass Praxen weiterhin Doppelstrukturen vorhalten müssen, samt des entsprechenden Mehraufwands.

Außerdem ist dem Report zufolge die verpflichtende digitale Übermittlung der Daten an die Arbeitgeber bisher nur unvollständig umgesetzt, weil der Abruf der eAU von den Krankenkassen nicht nutzerfreundlich gestaltet sei. 29 Prozent der Praxen erklärten deshalb, dass ihre Patienten wegen Akzeptanzproblemen bei ihren Arbeitgebern einen Ausdruck fordern.

Auch beim E-Rezept sind Akzeptanzprobleme ein wesentlicher Faktor: 40 Prozent gaben an, E-Rezepte nicht aus­zustellen, weil ihre Patienten es nicht wollen. Hinzu würden oft Wissensdefizite kommen. „Patienten müssen häufig in der Praxis über das E-Rezept aufgeklärt werden, weil sie offensichtlich nicht ausreichend von ihren Kassen informiert wurden“, betonte Steiner. Das verursache zusätzlichen Aufwand in den Praxen.

Außerdem gilt auch hier, dass meist an der Sektorengrenze Schluss ist, da die Pflegeheime noch nicht an die TI angeschlossen sind. In den Fokusgruppeninterviews, die Teil der Erhebung sind, hätten Vertragsärzte mit Unver­ständnis auf dieses Defizit reagiert, heißt es im Praxisbarometer.

Zudem bereitet die Performance nach wie vor Schwierigkeiten. 28 Prozent der Befragten gaben an, mehr als 20 Sekunden für die Signatur eines E-Rezepts zu benötigen, fast 60 Prozent, dass es zwischen fünf und 20 Sekunde dauert. Das halte Prozesse in der Praxis auf und erhöhe den Zeitaufwand für Tätigkeiten, die nicht der unmittel­baren Patientenversorgung dienen.

Besonders groß ist die Unzufriedenheit weiterhin mit der ePA. 65 Prozent gaben an, dass der Aufwand für sie höher sei als ihr Nutzen. 60 Prozent der Praxen, die die ePA nutzen, erklärten, sie lediglich vorzuhalten, um Sank­tionen zu vermeiden. Nur knapp elf Prozent sind mit Umsetzung und Nutzbarkeit zufrieden.

Ebenfalls weiterhin hoch ist die Unzufriedenheit mit der Verlässlichkeit der TI. 18 Prozent der Praxen berichten von täglichen Problemen mit ihr. Allerding lag dieser Wert im Vorjahr noch bei 29 Prozent. Er ist nun wieder so hoch wie im Jahr 2021.

Fast 83 Prozent der Praxen gaben an, dass dies die Praxisorganisation stört. Steiner kritisierte, dass dies ins­be­sondere auch dadurch zustande kommt, dass es sich oft schwierig gestalte, den Fehler zu finden, bevor man ihn beheben kann.

„Praxen brauchen automatisiert leicht zugängliche und verständliche Informationen zu Störungen der TI. Wenn etwas nicht funktioniert, können die Praxisteams nicht in Anwesenheit der Patienten lange recherchieren, woran es liegt“, unterstrich sie.

Bei alldem müssen die meisten Praxen für die TI-Anwendungen noch draufzahlen: Nur 18 Prozent gaben an, dass die Erstattung für den Tausch der Konnektoren die Kosten dafür vollständig abgedeckt hat, 39 Prozent erklärten, die Kosten seien etwas höher gewesen, 29 Prozent sogar, dass sie wesentlich höher waren.

lau

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