Diskussion um Schwangerschaftsabbruch: BMG beruft Kommission
Berlin – Um die Neufassung der Reproduktionsmedizin und die Zukunft des Paragrafens 218 zum Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch zu klären, hat die Bundesregierung eine Kommission eingesetzt, die in den kommenden zwölf Monaten die streitigen Themen bearbeiten sollen.
Wie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, soll die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ prüfen, wie sich der Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches regeln lässt. Weiterer Arbeitsauftrag ist die Prüfung der Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft.
Die 18 Mitglieder der Kommission stehen nun fest, eine Namensliste liegt dem Deutschen Ärztblatt vor. Dabei sind 15 Expertinnen und drei Experten aus der Medizin, der Ethik sowie aus den Feldern Verfassungs-, Familien- und Öffentliches Recht.
Zu den Medizinerinnen gehören Stephanie Wallwiener, Gynäkologin und Sektionsleiterin der Geburtshilfe und Perinatalzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg. Katharina Hancke ist stellvertretende Klinikdirektorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Ulms und leitet dort auch das Kinderwunsch- und Hormonzentrum. Sie ist auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer.
Zu den Ethikerinnen der Kommission gehören Christiane Woopen, frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrates und Professorin für Ethik und Theorie der Medizin an der Uni Köln. Sigrid Graumann ist Professorin für Ethik im Fachbereich Heilpädagogik und Pflege an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, wo sie auch als Rektorin tätig ist. Sie ist ebenso Mitglied im Deutschen Ethikrat und arbeitet dort auch zu Fragen der Leihmutterschaft und Eizellspende.
Claudia Wiesemann ist Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen und war sieben Jahre Mitglied des Deutschen Ethikrates sowie Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO).
In der Kommission mitarbeiten wird auch Marika Böhm, die die Professur für Sexualwissenschaft und Familienplanung an der Hochschule Merseburg inne hat. Daphne Hahn ist Gesundheitswissenschaftlerin an der Hochschule Fulda und untersucht derzeit im Projekt „Elsa“ die Erfahrungen und Lebenslagen von ungewollt Schwangeren. Bernhard Strauß ist Psychoanalytiker und Psychologischer Psychotherapeut mit Schwerpunkt Gruppentherapie sowie Direktor des Instituts für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie der Universitätsklinik Jena.
Rechtswissenschaft stark vertreten
Da es bei der Fragestellung der Kommission um viele rechtliche Fragen geht, sind insgesamt acht Juristinnen und zwei Juristen mit dabei. Dazu gehören Frauke Brosius-Gersdorf, die an der Uni Potsdam Öffentliches Recht und Verfassungsrecht lehrt und Mitglied in der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer (ZEKO) war. Paulina Starski ist Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg. Bettina Weißer ist Direktorin des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht der Universität zu Köln.
Maria Wersig ist Juristin und Professorin für für Rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit an der Fakultät Diakonie, Gesundheit und Soziales an der Hochschule Hannover und Vorsitzende des Juristinnenbundes. Liane Wörner ist Inhaberin des Lehrstuhls Strafrecht, Strafprozessrecht sowie Medizinrecht und Rechtstheorie an der Universität Konstanz.
Susanne Lilian Gössl ist Direktorin des Instituts für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung. Ute Sacksofsky ist Vizepräsidentin des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen und Professorin am Institut für öffentliches Recht der Universität Frankfurt. Friederike Wapler ist Lehrstuhlinhaberin für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht an der Universität Mainz. Ebenso ist Tobias Helms von der Uni Marburg dabei, der Schwerpunkt seiner Professur liegt auf dem Familien- und Erbrecht.
Auch Medizinrechtler Jochen Taupitz ist vertreten. Er war zwischen 1995 und 2022 Mitglied und ab 2016 auch Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer. Er ist Mitglied im Deutschen Ethikrat und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim.
Die Kommission ist beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) angesiedelt, aber auch die Ministerien für Justiz und Familie waren an der Besetzung beteiligt. Die Kommission soll dem BMG zufolge „demnächst“ zusammentreten, offenbar wurde zunächst kein gemeinsamer Termin gefunden.
Lauterbach erklärte dem Spiegel dazu, dass er den Expertinnen und Experten „sehr dankbar" sei, an diesem Thema mitzuarbeiten. „Mir ist bewusst, dass wir damit eine emotionsgeladene Diskussion anstoßen. Alle Seiten dabei mitzunehmen und dann zu einem gesellschaftlich respektierten Konsens zu kommen, ist das Ziel dieses Prozesses“, so Lauterbach weiter.
Anforderungen an die Kommission kommen auch aus dem Parlament. So forderte die Grünenpolitikerin Saskia Weishaupt, dass der Schwangerschaftsabbruch eine Gesundheitsleistung werden müsse. „Eine Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches ist daher überfällig“, sagte Weishaupt dem Deutschen Ärzteblatt.
Für das Thema der Eizellenspende und der Leihmutterschaft muss aus ihrer Sicht die Perspektive der Spenderin und Leihmütter im Vordergrund stehen. „Bestehende soziale und finanzielle Ungleichheit darf nicht dazu führen, dass sich Frauen gezwungen sehen, Eizellen abzugeben oder ein Kind für Dritte auszutragen.“
Auch aus der SPD-Fraktion sprechen sich die zuständigen Sprecherinnen für eine Überarbeitung des Paragrafen 2018 aus. „Wir freuen uns, dass die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin noch in diesem Quartal eingesetzt wird und auch Regulierungen von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches prüfen wird“, sagte Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.
Auch Carmen Wegge, stellvertretende rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, sieht das Ende des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch: „Aus unserer Sicht sollte die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht im Strafgesetzbuch geregelt werden. Der Paragraf 218 belastet und stigmatisiert betroffene Frauen zusätzlich, sowie Ärztinnen und Ärzte.“
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