Politik

Dringende Appelle zu mehr Coronaimpfungen für den Herbst

  • Montag, 6. September 2021
/New Africa, stock.adobe.com
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Berlin – Angesichts der stockenden Impfungen in Deutschland werden Warnungen vor einer kritischeren Coronalage in den kommenden Monaten lauter. Mediziner befürchten im Herbst eine erneute starke Belastung der Intensivstationen, sollte das Impftempo nicht schnell anziehen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und die Vertragsärzte in Deutschland riefen dazu auf, Impfange­bote anzunehmen. „Wir brauchen noch mindestens fünf Millionen Impfungen für einen sichereren Herbst und Winter“, schrieb der CDU-Politiker bei Twitter mit Blick auf vollständige Impfungen. Aus der Bundes­regierung kamen Mahnungen an die Länder, zügig bessere Coronaschutzvorkehrungen in den Schulen umzusetzen.

Vollständig mit der meist nötigen zweiten Impfung versorgt sind laut Spahn nun 50,9 Millionen Men­schen oder 61,2 Prozent der Bevölkerung. Mindestens eine Impfung bekommen haben knapp 54,7 Millio­nen Menschen oder 65,7 Prozent aller Einwohner. Das Impftempo hatte zuletzt aber nachgelassen.

Spahn sagte der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: „Die Impfquote ist noch zu niedrig, um eine Über­lastung des Gesundheitswesens zu verhindern.“ Die Infektionszahlen bei Ungeimpften seien mehr als zehn Mal höher als bei Geimpften, 90 Prozent der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen seien unge­impft.

Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin warnte, es sei schon jetzt zu sehen, wie stark sich die Delta-Virusvariante in geschlossenen Räumen ausbreite. „Wenn wir bis Oktober nicht die Impfquote deutlich nach oben bringen, bekommen wir im Herbst einen richtig starken Anstieg der Coronafälle auf den Intensivstationen“, sagte Präsident Christian Karagiannidis, der Augs­burger Allgemeinen. Die Entwicklung sei für den Fall, dass die Impfquote kaum noch steige, relativ genau vorauszuberechnen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warb dafür, jetzt vor allem noch Unentschlossene zu er­reichen. „Hier sollte der Hauptfokus der Anstrengungen liegen, noch vor den Auffrischimpfungen“, sagte Vorstandschef Andreas Gassen. Dafür seien einfache Impfangebote ohne Terminvereinbarungen sinnvoll.

„Wir müssen Vertrauen in die Impfung erreichen und sie nicht mit Zwang durchsetzen wollen.“ Die Im­pfung sei sicher. „Das müsste bei den meisten mittlerweile angekommen sein. Und wer das als Erwach­sener nicht verstehen will, muss eben mit einer Infektion und schweren Erkrankung rechnen. Genau­ d­as muss den Menschen klar sein.“

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin hat erwachsene Bundesbürger in einem eindringlichen Appell zu Impfungen gegen COVID-19 aufgefordert. „Wir sind diejenigen, die die Kinder schützen müssen und nicht umgekehrt“, sagte Verbandspräsident Jörg Dötsch. Bevor es um Impfungen für Kinder gehe, seien Erwachsene in der Verantwortung. Man könne Kinder nicht dazu zwingen, sich unun­terbrochen für das Wohl ungeimpfter Erwachsener einzusetzen.

Auch im Wahlkampf sind die Impfungen ein Thema. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) forderte seinen SPD-Konkurrenten Olaf Scholz auf, von Begriffen wie „Versuchskaninchen“ Abstand zu nehmen. „Menschen sind keine Versuchskaninchen in diesem Land“, sagte Laschet in Potsdam.

Scholz hatte für Impfungen geworben und dazu etwa bei einer Kundgebung in Berlin gesagt: „Wir alle waren gerne eure Versuchskaninchen – bei uns ist das mit der Impfung gut gegangen, jetzt bitte macht es auch.“ Spahn schrieb mit Blick auf Scholz auf Twitter: „So eine Wortwahl ist eine Steilvorlage für die, die mit Halb- und Unwahrheiten Vertrauen untergraben wollen.“

Der Berliner Virologe Christian Drosten sagte im Podcast „Das Coronavirus-Update“ von NDR Info: „Gelassen in den Herbst zu gehen, ist eine gewagte Vorstellung.“ Er rechne damit, dass die Entwicklung Intensivstationen, andere Stationen und Notaufnahmen belasten werde. Manchmal sei es eher eine ge­wisse Gleichgültigkeit, die eine Entscheidung für die Impfung verhindere.

Das sei ein Unterschied zu Portugal oder Spanien. „Die haben eine schreckliche gesamtgesellschaftliche Erfahrung hinter sich. Viele Tote und einen richtigen Lockdown, wo man nur zum Einkaufen mit Begrün­dung nach draußen darf, und auf der Straße patrouilliert das Militär.“

dpa

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